Hassan C. schien offenbar fest damit gerechnet zu haben, auch dieses Mal mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Denn als die Richterin das Urteil verkündet, fing er bitterlich an zu weinen. Drei Jahre und drei Monate Haft, dazu die 22 Monate aus widerrufenen Bewährungsstrafen. Es war das erste Mal während des Prozesses, dass er Erschütterung zeigte.
Seine Verteidiger, Ulrike Zecher und Michael Böcker, hatten ihm wohl Mut auf ein günstiges Strafmaß gemacht. "Hassan C. hatte keine Chance, sie zu sehen", hieß es im Plädoyer Rechtsanwalt Böckers. Selbst wenn ihr Mandant langsamer als 50 km/h gefahren wäre. Der Unfall war unvermeidbar und sei "das alleinige Verschulden der Getöteten".
Verstehe die Welt nicht mehr
Auch die Fahrerflucht nach dem tödlichen Unfall könne man im Grunde dem Angeklagten nicht anrechnen. Selbstverständlich hätte Hassan C. nach der Kollision mit der Fußgängerin gehalten, wenn er denn im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen wäre. Die aber wurde ihm einen Monat zuvor entzogen. Zu Unrecht, wie sich später herausstellte.
Hassan C., der sich den Behörden kurz vor seiner in Aussicht stehenden Festnahme selbst stellt, "versteht die Welt nicht mehr". Er hält sich für unschuldig und sitzt nun schon seit sechs Monaten in Haft.
Auch in seinem letzten Wort nahm Hassan C. nicht die Gelegenheit zu einer persönlichen Entschuldigung. Er schließt sich den Worten seiner Rechtsanwälte an und sagt lediglich: "Ich schäme mich, dass ich weggefahren bin."
Dabei hatte nach den bisherigen Beweismitteln auch die Aussage des Unfallgutachters Roy Strzeletz (44) am dritten Prozesstag deutlich gegen den Angeklagten gesprochen. Strzeletz erklärte: "Der Autofahrer muss mindestens 65 km/h gefahren sein." Hierfür sprächen die Schäden am Unfallwagen, die 21 Meter Distanz, die das Unfallopfer geschleudert wurde, deren Verletzungen und nicht zuletzt das Bild des Unfallortes. Allerdings war Hassan C. eben nicht mit den berüchtigten 100 km/h durch die Konstanzer Straße gerast, wie es zunächst hieß.
Daheim in Moabit
Mit dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Peter Finger am dritten Tag der Hauptverhandlung war auch einiges zur Person des Angeklagten zu hören. Eines im Stadtbezirk Moabit aufgewachsenen jungen Mannes, der bis zu seinem 24. Lebensjahr Fußball, zeitweise als Profifußballer spielte. Und der nach der Trennung seiner Eltern, da war er 14 Jahre alt, und dem Umzug mit seiner jugoslawisch gebürtigen Mutter nach Wilmersdorf, den Verlust des Vaters mit dem Anschluss an eine arabische, delinquente Clique in Moabit kompensiert. 17-jährig konvertiert Hassan C., der eine zweijährige Lehre zum Automobilkaufmann absolviert, zum Islam.
Am Tag der Urteilsverkündung steht ein 'versuchter Mord' als Tatsorwurf nicht mehr im Raum. Dass Hassan C. den Tod der Verunglückten, Melek Diehl, billigend in Kauf genommen habe, davon kann mit der erforderlichen Sicherheit nicht ausgegangen werden, erklärt Staatsanwalt Jörg Wetzel.
Gehofft, dass jemand hilft
Hassan C. hatte ausgesagt, in den Rückspiegel geblickt, Menschen herbeieilen gesehen und gehofft zu haben, dass dem Unfallopfer Hilfe zuteil werde. Staatsanwalt Wetzel fordert wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Unfallflucht sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Haftstrafe von vier Jahren und dem lebenslangen Entzug des Führerscheins. Wetzel: "Ein schlimmerer Fall als dieser ist nicht denkbar."
Das Gericht blieb in seinem Urteil schließlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Drei Jahre und drei Monate Haft, zu denen noch 22 Monate aus widerrufenen Bewährungsstrafen kommen. Dazu eine Sperre der Fahrerlaubnis für drei Jahre und die Aufrechterhaltung des Haftbefehls wegen Fluchtgefahr.
Die Verantwortung bleibt
Die Strafkammer hielt die Schuld des Angeklagten am Unfall vom 10.11.2008 erwiesen. Die vorsitzende Richterin Gabriele Strobel zu dem Angeklagten: "Sie hätten ein Ausweichmanöver einleiten müssen. Ein leichtes Lenken nach rechts hätte ausgereicht." Daran sei Hassan C. aber wegen seiner überhöhten Geschwindigkeit gehindert gewesen.
"Sie müssen auch gewusst haben", so Richterin Strobel, "dass Sie einen Menschen angefahren haben. Denn da fällt ja nicht plötzlich ein Stein vom Himmel." Weil auch einiges für den Angeklagten spreche, so beispielsweise, dass er sich selbst stellte, sah die Strafkammer vom Ausschöpfen des Strafrahmens ab. Die Richterin nahm zuletzt noch Gelegenheit, in den offenbar verantwortungsresistenten Angeklagten zu dringen: "Es bleibt die Verantwortung für Ihr Handeln. Dieser Welt müssen Sie sich stellen."
Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wird nach Auskunft der Rechtsanwälte von Hassan C. voraussichtlich mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.