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Gerichtsreportagen


Wettbüro-Mord: von Angst, Erpressung und Bestechung


von Vagrus

16.07.2015, 15. Große Strafkammer, Saal 500
Es ist der zweite Tag der Vernehmung von Sonya A. Heute ist sie unauffälliger gekleidet, trägt ein schwarzes Kopftuch, das bis zur Hüfte reicht. Darunter allerdings eine hautenge Hose. Der Fokus liegt nunmehr auf den Ereignissen nach dem Tod Tahir Ö.‘s...
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Viel Zeit nimmt eine Geschichte ein, die mit der verhandelten Tat auf den ersten Blick nicht zusammenhängt: Sonya A. wollte - nach eigenem Bericht - für ihren Cousin Autos aus Westdeutschland nach Berlin holen, dabei habe sie ein Erdal A. unterstützt, den sie über Facebook kennenlernte. Dieser sei anfangs nett gewesen, aber später übergriffig geworden.

Erdal A. habe ihr gegenüber von seinem Cousin Yakup (gemeint ist der Angeklagte Yakup S.) gesprochen. Erdal A. berichtete ihr, dass Yakup bei seinem durch das spätere Opfer verletzten Bruder im Krankenhaus vor versammelter Mannschaft einen Mordauftrag gegeben habe. Yakup sei "einer der Obersten"; einer, auf den alle hören.

Das deckt sich mit dem Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft: Yakup S. soll zwar kein Hells Angel sein, aber als Geschäftsmann und guter Bekannter von Kadir P. großen Einfluss haben. Der Mordauftrag im Krankenhaus ist eine neue, wichtige Information. Deshalb will Richter Groß wissen, warum Erdal A. der Zeugin das alles erzählt hat. Obwohl ihm doch klar war, dass sie die Schwester des Kronzeugen Samir A. ist. Sonya A. erklärt daraufhin: "Er war in mich verliebt."

Erdal A. habe auch über sie versucht, die Telefonnummer ihres Bruders herauszufinden und ihr empfohlen, ihrem Bruder dringend von einer Aussage gegen Kadir und seine Leute abzuraten.

Erst will Frau A. das alles nicht ernst genommen haben, doch als sie merkte, wie ihr Bruder "kaputt ging", habe sie beschlossen, selbst auszusagen und die Rolle als Zeugin für ihren Bruder zu übernehmen.

Sonya A. erzählt von verdächtigen Männern, die sich sowohl vor als auch in ihrem Wohnhaus aufhielten, so dass ihre Tochter schließlich die Polizei rief. Sie selbst fühlte sich bedroht und entschloss sich dann dazu, zur Polizei zu gehen.

Sonya A. berichtet darüber hinaus von einem Medieninterview ihres Bruders. Und obwohl sie kein Medium namentlich benennen kann, ist klar, dass es um Spiegel-TV geht. Richter Groß nutzt nun die Gelegenheit, noch etwas über dieses Interview zu erfahren. Vor einigen Wochen war Spiegel-TV-Reporter Thomas Heise als Zeuge geladen, hatte aber von seinem Zeugnisverweigerungsrecht, nach § 53 StPO, Gebrauch gemacht.

Dann geht es weiter mit einem anderen Nebenschauplatz: Sonya A. erhebt schwere Vorwürfe gegen den Anwalt ihres Bruders. Der Jurist habe dem Bruder im Auftrag der Rockeranwälte Geld geboten, damit er seine belastende Aussage gegen Kadir P. & Co vor Gericht nicht wiederholt.

Um bei diesem Anwalt ein noch offenes Honorar zu begleichen, habe sie 1500 € von der Polizei bekommen. Daraufhin sei sie mit einem verdeckten Ermittler zu ihm gegangen und habe versucht, ihn sein unredliches Angebot wiederholen zu lassen. Allerdings äußerte sich der Anwalt bei diesem Gespräch nicht mehr eindeutig.

Das Vorgetragene ist brisant: wurde doch die Kanzlei dieses Anwalts durchsucht und sogar Aktenmaterial beschlagnahmt. Es steht einerseits der Ruf der Berliner Strafverteidiger-Elite auf dem Spiel, aber auch die Staatsanwaltschaft hat zu befürchten, sich mit dieser Aktion zu weit aus dem Fenster gelehnt zu haben.

Ziemlich alles an Sonya A.'s Aussage wirkt konfus. Sie schafft es oft nicht, die Fragen des Vorsitzenden konkret zu beantworten, kommt mit den zeitlichen Abläufen durcheinander oder verstrickt sich in Widersprüche. Ihr inhaltlich zu folgen, ist fast unmöglich. Richter Groß gibt sich dennoch größte Mühe, ihre Aussage (auch chronologisch) zu ordnen und den Sachverhalt aufzuklären. Als die Verteidiger vermehrt intervenieren, weist er sie stets zurück. "Wenn Sie es immer wieder hin und her korrigieren, hilft das keinem!" fährt der Vorsitzende Richter jedoch schließlich selbst die Zeugin an. Dabei wirkt es durchaus so, als würde Sonya A. sich alle Mühe geben. In sieben Minuten spricht sie Richter Groß sieben Mal mit "Herr Vorsitzender" an.

Im Saal ist es am 51. Tag des Verfahrens wieder sehr unruhig. Auch die Personenschützer und die vielen Justizwachtmeister können nicht verhindern, dass aus dem Publikum Zischlaute kommen und die Angeklagten in ihren Boxen verächtliche Gesten in Richtung der Zeugin machen. Dass Frau A. unter diesen Umständen eine Aussage nicht gerade leicht fällt, dürfte verständlich sein.

Zum Ende des Prozesstages gibt es noch eine Überraschung: Asli T., die Freundin des Angeklagten Marcel K., wird in den Zeugenstand gebeten. Sie erscheint mit einem Anwalt. Dem Richter liegt nun ein Schreiben vor, dass Asli T. bereits seit langer Zeit mit ihrem Freund verlobt sei und deshalb jetzt die Aussage verweigern möchte. Dies überrascht Richter Groß, denn bei ihrer letzten Befragung hatte die junge Frau noch angegeben, nicht verwandt / verschwägert o.ä. mit dem Angeklagten zu sein. Asli T. wird kurzerhand vereidigt und wieder entlassen.

Eine Vereidigung - zur Erklärung gesagt - hat zur Folge, dass Falschaussagen als Meineid gelten und mit höheren Strafen bedroht sind als eine einfache Falschaussage vor Gericht.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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