"Ich wär ja auch schön blöd", hatte Tom S. noch im November 2010 selbstbewusst
getönt und einen Deal mit Staatsanwaltschaft und Gericht abgelehnt. Er sei unschuldig, er habe die Bilder für echt gehalten.
"Wer kämpft für das Recht, hat immer Recht", zitierte er das Lied der Partei
(Louis Fürnberg). Jetzt hat sich der gebürtige Dresdner umorientiert.
Bredouillien
Denn Tom S. hat sein Jurastudium, das er 2004 für seine damals einträglichen, darunter kriminellen Ebaygeschäfte hinschmiss, im Sommer 2010 in Halle an der Martin-Luther-Universität wieder aufgenommen. Er möchte jetzt Rechtsanwalt werden. Tom S.: "Halle war sehr unbürokratisch. Die sind froh über jeden Studenten, der da kommt." Aber eine Zulassung zum Referendariat, bzw. zweiten Staatsexamen wird mit einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr nicht zu machen sein.
"Bei einem Höchststrafmaß von einem Jahr auf Bewährung wäre mein Mandant bereit, ein Geständnis abzulegen," erklärt am 11. Juli 2011
Rechtsanwalt Roman von Alvensleben (Hameln) bei der Berufungsverhandlung. Richter Zwicker diktiert den zuvor vereinbarten 'Verständigungsvorschlag' zu Protokoll. Zu einem allseitigen Einverständnis aller Prozessbeteiligten kommt es jedoch nicht.
"Ich kann mich diesem Vorschlag nicht anschließen", entgegnet Staatsanwältin Hoffmann. Auch die Bitte des Verteidigers von Alvensleben, "dies in ihrem Herzen noch einmal zu bewegen", ändert nichts an ihrer Einstellung. Ein sprödes "Nein" bleibt die Antwort auf die Frage des Richters, ob sie ihre Erklärung 'modifizieren' wolle.
Gestohlenes Gemälde mit Nachgang
Das Gericht lud nun alle Zeugen ab, auch solche, die mit einem Fuß schon im Flieger standen, und begnügte sich mit der Aussage des damals leitenden Ermittlers in diesem Fall, Marcus Sch. (43). Noch einmal war zu hören, wie die Beamten auf Tom S. über ein gestohlenes Gemälde und dabei durch Zufall auf dessen Ebay-Betrügereien aufmerksam wurden. Von diversen gefakten, auch Schweizer Ebay-Accounts, verschiedenen SIM-Karten, dabei der Mobilfunkanschluss eines Verstorbenen.
Der Kriminalbeamte berichtete, wie Tom S. wertlose Bilder und Zeichnungen als Werke alter Meister ausgab, die mit gefälschten Nachlassstempeln aufgepeppt waren. "Ich war erst 22 Jahre alt. Ich habe es von einem anderen bekommen. Woher sollte ich denn das Fachwissen haben? Ich bin damals genauso gelinkt worden...", hatte Tom S. in der ersten Hauptverhandlung am 2. November vergangenen Jahres geklagt. Ross und Reiter nannte er nicht.
Von den Einnahmen der dubiosen Ebay-Geschäfte und von Haushaltsauflösungen ließ sich offenbar gut leben. Vom Flohmarkt auf dem Berliner 17. Juni, kannte Tom S. auch das Ehepaar Sigrid und Wilhelm De.
(Prozess Nussbaum-Fälschungen). Tom S.: "Ich kaufte von ihnen nur Bilder in guter Qualität." Von einer Wohnung im Wedding prosperierte es sich über eine Zehlendorfer Wohnung mit Lagerraum schließlich nach Schaumburg (Niedersachsen), wo Tom S. für seine Freundin und sich sowie den gemeinsamen Nachwuchs ein Haus auf Kredit kaufte.
Ebay ist nun mal ein Flohmarkt
Für seine gutgläubigen Ebay-Kunden hatte der sich heute als Opfer gerierende Angeklagte in der ersten Hauptverhandlung nur Hohn. "Ich lasse mich hier nicht als Ganoven und Kriminellen hinstellen", zeterte er. "Wir haben es mit Ebay zu tun, das ist nun mal ein Flohmarkt." Vor laufender Fernsehkamera ließ er im Februar 2009 wissen: "Mir tut niemand Leid, der einfach mal so einen fünfstelligen Betrag auf'n blauen Dunst hin aus der Tasche zieht."
Reue oder gar Einsicht in die eingeräumten Taten - davon war auch in der Berufungsverhandlung am 11. Juli nichts von Tom S. zu spüren oder zu hören. Dagegen wieder viel von Tom S. selbst und seinen eigenen Sorgen. Wie ihn die Staatsanwaltschaft Bückeburg (Niedersachsen) in den Ruin getrieben hätte. Von den Schulden, die ihm über den Kopf wüchsen, die Trennung von seiner Frau, die sich "verabschiedete, weil das Geld nicht mehr gestimmt hat." Und dass Tom S. sich das gemeinsame Sorgerecht für seine Kindern gerichtlich erstritt.
Lösung, mit der alle leben...
"Die Sache ist jetzt über sieben Jahre her. Ich würde mich freuen, wenn es zu einer Lösung käme, mit der alle leben können und die dann auch rechtskräftig wird", erklärte Tom S. in einem letzten Wort. Die für ein milderes Urteil nötigen Konzessionen erledigte dann freundlicherweise Rechtsanwalt Roman von Alvensleben für seinen Mandanten. Tom S. wolle "nicht auf der Strecke bleiben", sagte er, "und einen Schlussstrich ziehen."
Von Alvensleben warf der Staatsanwältin, die in ihrem Plädoyer eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren gefordert hatte, einen "überdehnten Verurteilungsdrang" vor. Tom S. hätte 2004 als Jurastudent doch nur den juristischen Bereich seiner Geschäftstätigkeit abchecken wollen. Nicht anders schließlich als der Süßwarenhersteller Ferrero, der die Kunden mit seiner Werbung für die Milchschnitte, dem preisgekrönten 'Goldenen Windbeutel', vorführe.
Das Gericht baute Tom S., der rasch noch zwei seiner geneppten Kunden entschädigte, in letzter Sekunde
seine Propaganda-Webseite vom Netz nahm, zuletzt eine ganz große, goldene Brücke. Es verurteilte den zur Tatzeit Unbestraften wegen gewerbsmäßigen Betrugs in neun Fällen und gewerbsmäßigen Fälschens von Urkunden zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, sowie zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
Das Gute im Menschen
Das Gericht unter Vorsitz von Richter Zwicker sah strafmildernde Gründe (
§46a StGB) zugunsten des Angeklagten, der nach seiner Beobachtung "Reue erkennen ließ". "Die Opfer handelten leichtsinnig", sagte Zwicker. "Es wurde ihm
(Tom S., d.A.) zumindest leicht gemacht." Und da Tom S. seine Gaben nun nutzen wolle, um ins bürgerliche Leben zurückzukehren, stehe das Gericht seinem Berufswunsch, ergo einer juristischen Laufbahn, nicht entgegen. Die Kosten für das Verfahren trägt bis auf die eigenen Auslagen des Angeklagten die Landeskasse.
Staatsanwältin Hoffmann äußerte sich im Anschluss der Verhandlung nicht zu einer möglichen Revision. Einer der beiden Schöffen bekannte sich später auf dem Flur erklärend zu dem Urteil: "Ich glaube an das Gute im Menschen."
Nachtrag:
Die Staatsanwaltschaft ging in Revision.