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aus dem moabiter kriminalgericht
"Geräuschlose Lösungen": Bankenskandal
von Barbara Keller
26. Mai 2004. - 26. große Strafkammer.
Seit Anfang 2001 beschäftigt sich eine 18köpfige Sonderermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft mit der Berliner Bankgesellschaft. Die hat nicht gedeckte Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe, gehört zu 81% dem Land Berlin und soll bis 2007 laut EU-Kommission veräußert sein. Jetzt wird einzelnen verantwortlichen Topmanager, die das Desaster nicht nur verursacht, sondern sich auch persönlich bereichert haben sollen, der Prozess gemacht. Zu ihnen gehören die LBB-Vorstände Ulf Decken, Jochem Zeelen als auch der Sparkassen-Manager Willi-Helmut Burger, deren Prozess am 26. Mai 2004 anlief.
(2. Beitrag vom 18. Juli 2005)
Im Überblick Seit Anfang 2001 wird in dem "Komplex Bankgesellschaft"
ermittelt. Im Volksmund auch als "Berliner Bankenskandal" bekannt. Topmanager
des Berliner Bankenkonzerns setzten Milliarden in den Sand und sollen dabei sich,
Nahe- und noch näher Stehende bereichert haben. Im Februar 2003 liefen 71
Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, geführt von einer "Sonderermittlungsgruppe
Bankgesellschaft". Mit elf Staatsanwälten und sieben Wirtschaftsreferenten
die größte Sonderermittlungsgruppe, die es je in der Bundesrepublik
gab. Darunter laufen allein 13 Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang Rupf, ehemaliger
Chef der Bankgesellschaft sowie drei Verfahren gegen Klaus Landowsky, Ex-Chef
der BerlinHyp, früherer CDU-Fraktionschef. Die Ermittlungen gehen zumeist
auf den Vorwurf der Untreue hinaus. Der Nachweis ist allerdings schwer zu führen.
Denn zur Bankgesellschaft gehören 600 Gesellschaften, die alle eigene Vorstände
und Geschäftsführer haben. Darunter sind die Verantwortlichen nicht
leicht auszumachen. Einige der Hauptvorwürfe sind allerdings bereits
verjährt, liegen mehr als fünf Jahre zurück. Darunter der Vorwurf,
dass etliche Bank-Manager ihre Villen auf Kosten des Unternehmens aufwändig
sanieren ließen. - Darunter der ehemalige Vorstandschef des Konzerns Wolfgang
Rupf.
Verluste Anstoß und Öffentlichkeit
gaben dem "Komplex Bankgesellschaft" wiederholt die Initiative Berliner
Bankenskandal. Sie veröffentlichte die Namen von 150 Zeichnern der "Sorgloskredite",
die dem Berliner Steuerzahler jetzt schwer auf der Tasche liegen. Und sie initiierte
einen öffentlichkeitswirksamen "Spaziergang" durch Grunewald -
vorbei an den Villen der verantwortlichen Banken-Mitarbeiter. Auch der angebliche
Selbstmord des 32-jährigen Lars-Oliver Petroll, Aubis-Mitarbeiter, als Techniker
verantwortlich für die gesamte EDV der Aubis-Gruppe, kam im April dieses
Jahres wieder in die Schlagzeilen. Der Computerfachmann war zentraler Zeuge bei
der Aufklärung der Bankenaffäre um die umstrittenen, desaströsen
Kredite an die Plattenbaugruppe Aubis. - Ermittlungsschiene Klaus Landowsky.
Ende September 2002 fand man den jungen Mann tot im Grunewald. Selbstmord, so
die Staatsanwaltschaft, die keine Ermittlungen wegen Mordverdacht aufnehmen wollte.
Der Untersuchungsausschuss Bankenskandal des Abgeordnetenhauses entdeckte jedoch
Ermittlungsfehler und gab jetzt seine Erkenntnisse - aus vier Vernehmungen von
bisher nicht gehörten Zeugen aus dem Umfeld des Aubis-Mannes - mit Bitte
um Bearbeitung an die Staatsanwaltschaft weiter.
Der LBB
"Promifonds" Viel Rauch also bisher. Seit Anfang Mai 2004 allerdings
stehen erstmals frühere Vorstandsmitglieder der Landesbank vor Gericht. Ulf-Wilhelm
Decken (59), Ex-LBB Vorstandsvorsitzender, und Jochem Zeelen (63), Ex-LBB Vorstand.
Angeklagt der Bilanzfälschung. Am 26. Mai 2004 begann ein weiterer Prozess
gegen sie wegen gemeinschaftlicher Untreue im Zusammenhang mit der Rückabwicklung
des geschlossenen Immobilienfonds GEHAG 12. Im Volksmund als "Promifonds"
bekannt. Mitangeklagt ist auch Sparkassen-Manager Willi-Helmut Burger, dessen
Verfahren jedoch abgetrennt wurde, da er sich bis auf weiteres für nicht
verhandlungsfähig erklärt.
"Geräuschlose
Lösungen" Worum geht es in diesem Untreue-Prozess? Ende 1999
legt die LBB ein Schnellschussprojekt, einen geschlossenen Immobilienfond, den
so genannten GEHAG-Fonds 12 auf. Er wird nur wenigen ausgewählten Anlegern
unter der Hand angeboten. Neben hochrangigen Vertretern anderer Banken auch Führungskräften
des Konzerns Bankgesellschaft Berlin. Darunter: Konzern-Aufsichtsratsmitglied
Manfred Bodin (NordLB) und Klaus Landowsky. Einen Hochglanzprospekt gibt es deshalb
nicht. Die Konditionen sind traumhaft. Hohe steuerliche Vorteile, die über
dem von den Fonds-Eignern eingezahlten Kapital liegen. Als der Fonds jedoch
im November 2000 mit 5,5 Mio. € in der Kreide steht - wegen "konzeptioneller
Mängel" - zeichnet sich sein Scheitern ab. Da der Fonds als GbR aufgelegt
ist, stehen die Anleger nun in der Pflicht, die Vermögendeckung auszugleichen.
Das zu einem Zeitpunkt, als der Fonds durch steuerliche Vorteile bereits den doppelten
Gewinn abgeworfen hat. Aber die konzernfremden Anleger weigern sich das geschäftsübliche
Risiko zu tragen. Schon rollen sie schwere anwaltliche Geschütze auf.
Obwohl juristisch nicht dazu verpflichtet, strebt der LBB-Vorstand eine "geräuschlose
Lösung" (U. W. Decken) an: Er bietet den Anlegern den Rückkauf
ihrer Anteile zu 75% des Nominalwertes. Angeblich, um einen Imageschaden von der
Bank abzuwenden. Die LBB-Vorstände Decken und Zeelen, die ihrerseits 100.000
DM in den Fonds gaben, treten - wie sie beteuern - in den entscheidenden LBB-Vorstandssitzungen
natürlich nur als Privatpersonen auf. Dennoch empfiehlt LBB-Vorstand Zeelen
nach Unterredung mit Anleger-Freund Simon als "Stimmungsmittler" die
Rücknahme der Fonds unter Zahlung der 75%. Die Empfehlung wird in einer "Konsenslösung"
schließlich umgesetzt. Zwar ließ sich die Rücknahme der konzerneigenen
Fondsanteile kaum mit einem befürchteten Imageschaden begründen. Aber
auch die Herren aus den Reihen der LBB wollen auf ihre Gewinne nicht verzichten.
Um Diskussionen mit Aufsichtsratsgremien zu umgehen, verkaufen namhafte Vorstands-
und Aufsichtsratsmitglieder der LBB ihre nunmehr wertlosen Fondsanteile an die
vermögenslose, unbekannte Tristan Immobilien Verwaltungs- GmbH. Insgesamt
soll laut Anklage der LBB durch diese so genannte "Konsenslösung"
ein Schaden von 1.827.513,19 DM entstanden sein.
Pogromstimmung
mit Ehrverletzung Die Ex-LBB Vorstände Decken und Zeelen bestreiten
die Vorwürfe. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe seien
falsch und ehrverletzend. In der Öffentlichkeit würde vorverurteilt
und eine Pogromstimmung erzeugt. Der zum Jahresende 1993 aufgelegte Fonds GEHAG
12 musste offenbar wegen der günstigen Steuerabschreibungen schnell unter
die Leute. Was lag da näher, als bekannte Personen anzusprechen. Zeelen:
"Der Verkauf der Anteile wäre auf dem normalen Vertriebsweg nicht möglich
gewesen." Die Auswahl war davon bestimmt, dass man die Anleger kannte und
die Abwicklung daher problemlos schien.
Nach eigenen Angaben kam übrigens
U. W. Decken zu seinem Fondsanteil wie die Jungfrau zum Kind. 1993 sprach ihn
Kollege K. an: "Sie haben doch auch eine Steuerquote von 50%. Mit diesem
Fond können Sie nichts verkehrt machen." In der Tat. - Er zeichnete,
wie Zeelen, einen Fondsanteil für 100.000 DM. Ex-LBB Vorstandsvorsitzender
Decken: "Bis zu diesem Zeitpunkt war mir der Begriff 'geschlossener Immobilienfonds'
völlig unbekannt." Die Unter-der Hand-Geschäfte innerhalb des
Hauses begründet Decken übrigens damit, es hätte einmal eine Weisung
gegeben, Geldgeschichten innerhalb des Hauses abzuwickeln. Um die finanziellen
Verhältnisse der Mitarbeiter im Blick zu behalten. Decken: "Es gab da
mal einen leitenden Mitarbeitern mit Geldproblemen." Der Untreuevorwurf,
so der sich denn begründen lässt, kann den Angeklagten eine Haftstrafe
von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe einbringen.
Urteil im parallel gelaufenen "Bilanzfälschungsverfahren":
Nach einer neun Monate dauernden Beweisaufnahme hat das Gericht festgestellt, dass die Angeklagten für unrichtige bzw. unvollständige Angaben in den Jahresabschlüssen der LBB für die Jahre 1997, 1998 und 1999 verantwortlich sind.
Das Strafmaß:
Ulf-Wilhelm D. erhielt eine Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 300,00 Euro (90.000 Euro), Jochem Z. eine Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 220,00 Euro (59.400 Euro).
Die offizielle Presseerklärung vom 15. März 2005: download
Dieses Urteil ist rechtskrÄftig; der Bundesgerichtshof wies die Revision der Angeklagten als unbegründet zurück.
NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3
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Im Gerichtssaal.
Ulf Wilhelm Decken, Ex LBB Vorstandsvor-sitzender
Jochem Zeelen (Ex LBB Vorstand)
Vorsitzende Richterin Dr. Karin Garz-Holzmann
Beisitzender Richter: Heymann
Beisitzender Richter: Weiser
Deckens Rechtsanwältin Müller-Jacobsen
Zeelens Rechtsanwalt Köberer
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