11.07.2014, 30. Strafkammer, Saal 500
Als die Ermittlungsbehörden 2012/2013 den stadtbekannten
Intensivtäter Nidal R. observieren und dessen Telefon überwachen, machen sie einen interessanten Beifang. Die Protokolle der Telefonüberwachung des Nidal R. und weiterer Personen aus seinem Dunstkreis bieten eine denkbare Rekonstruktion der Tatnacht des 16. März 2013. Also potentielles Beweismaterial für das vorliegende Verfahren.
In einem Antrag auf Beiziehung der Auswertung der Telefonüberwachung trug Nebenklagevertreterin Barbara Petersen jetzt die Protokolle der Observation komplett vor. Sie kritisierte, dass die Strafkammer bei Eröffnung der Verhandlung lediglich auf 'schwere Körperverletzung' erkannte. Da das Delikt 'schwere Körperverletzung' nicht zu den 'Katalogdelikten' zählt, widerspricht die Verteidigung damit zu Recht der Verwertung der Handyüberwachung.
Allein durch das Video, das die Tat in dem Café dokumentiert, hätte der Betrachter, so die Rechtsanwältin, den 'bedingten Tötungsvorsatz' erkennen und einen 'versuchten Totschlag' in Betracht ziehen müssen. Wahllos stach der Täter auf die Oberschenkel des am Boden liegenden, stark blutenden Khalil Y. ein und nahm damit eine tödliche Verletzung des Opfers billigend in Kauf, erklärte Rechtsanwältin Petersen.
Doch die 30. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Gregor Herb entschied anders. Sie erteilte den Angeklagten keinen 'rechtlichen Hinweis', dass nunmehr auch eine Verurteilung nach § 212 StGB, ein 'versuchter Totschlag, in Frage käme. Was dem Gericht die Möglichkeit gegeben hätte, die Abhörprotokolle als Beweismittel einzuführen. Richter Herb ging auch nicht auf den von Rechtsanwältin Petersen zur Disposition gestellten Tatvorwurf ein.
Stattdessen erklärte Richter Herb den bekannten Fakt, die Protokolle unterlägen dem Verwertungsverbot, da die angeklagte Tat keine Katalogstraftat wäre. Richter Herb: "Wir sind uns da sicher."
Die Verteidigung hielt sich, trotz aller Empörung gegen das Vorgehen der Nebenklage, in ihren Stellungnahmen zurück. Rechtsanwalt Axel Weimann, der dem abwesenden Kollegen Hansgeorg Birkhof, wie er sagte, das 'Vergnügen nicht nehmen' wollte, kündigte dessen große Abwatsche schon einmal an.
Neben diesem Ereignis werden am nächsten Termin des Verfahrens die ersten Plädoyers zu hören sein.