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Pressemitteilung

Pressestelle der Berliner Strafgerichte, Nr. 43/ 2008
von



Landgericht Berlin: Urteil gegen Leistungsbetrüger
Die 11. große Strafkammer des Landgerichts Berlin hat heute den Angeklagten Wolfgang St. wegen gewerbsmäßigen Betrugs in drei Fällen unter Einbeziehung früherer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich ordnete die Kammer an, dass sechs Monate der erkannten Strafe als verbüßt zu gelten hätten. Grund hierfür sei die lange Verfahrensdauer bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 14. Januar dieses Jahres aus Gründen, die nicht der Sphäre des Angeklagten zuzurechnen seien.

Die Kammer sah es nach der durchgeführten Beweisaufnahme am heutigen 29. Verhandlungstag als erwiesen an, dass der 55 Jahre alte Angeklagte - der die ihm vorgeworfenen Taten bis zuletzt bestritt- in der Zeit von Juli 1991 bis November 2003 in schwerwiegender Weise sowohl die LVA als auch das Bezirksamt Charlottenburg- Wilmersdorf und die AOK betrogen habe, indem er vorgetäuscht habe, aufgrund einer Rückenverletzung bewegungsunfähig und an den Rollstuhl gefesselt zu sein.

Durch die Simulation schwerer Krankheit sei es ihm gelungen, von der LVA Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit zu erschwindeln, obwohl er im Tatzeitraum arbeitsfähig gewesen sei. Der Angeklagte habe sich dabei auch den "Wechsel vom Ostrentenrecht auf das Westrentenrecht" zunutze gemacht. Leistungen seien auf Grundlage von Begutachtungen gewährt worden, bei denen "nicht nachgehakt" worden sei, obwohl in den Gutachten selbst teilweise die ergänzende sachverständige Beurteilung gefordert worden sei.

Das Bezirksamt Charlottenburg- Wilmersdorf habe ihm in der Zeit von Dezember 2001 bis Februar 2003 aufgrund falscher Angaben und Simulation zusätzliche Hilfen zum Lebensunterhalt gewährt; von der AOK Berlin habe er auf gleiche Weise Geld für Pflegeleistungen nach Pflegestufe III erhalten. Der Gesamtschaden betrage alles in allem rund 230.000 Euro.
"Es wurde Ihnen in gewisser Weise leicht gemacht", stellte der Vorsitzende Richter im Rahmen seiner mündlichen Urteilsbegründung fest. Vor allen Dingen aber besitze der Angeklagte eine manipulative und kriminelle Persönlichkeit. So habe er sich beispiels-weise stets eine bestimmte "Sorte von Lebenspartnerinnen" ausgesucht: Ältere, tüchtige Frauen, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Bei diesen hab er sich wie ein "Hochstapler eingenistet, sie umgarnt, dann aber sein wahres Gesicht offenbart". Er habe die Frauen in seine Straftaten "verstrickt". Diese hätten ihm schließlich bei den Begutachtungen geholfen und falsche Angaben gemacht.

Im Rahmen der Beweisaufnahme wurden u.a. ehemalige Ehefrauen und Lebenspartne-rinnen als Zeuginnen gehört, Fotos und Videofilme in Augenschein genommen.

Am Ende stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte bereits frühzei-tig in der ehemaligen DDR begonnen hatte, Krankheitssymptome zu simulieren und durch absichtlich herbeigeführte Betriebsunfälle fast dauerhaft Krankschreibungen zu erreichen. Hilfsmittel wie Rollstühle habe er nur benutzt, um offizielle Stellen zu täuschen. Der Angeklagte habe sich frei bewegen können und sei sogar Eigner zweier Segelboote gewesen, die er im Oktober 2002 gemeinsam mit der damaligen Lebensgefährtin über die Ostsee nach Berlin überführt habe.

Der Angeklagte war zudem im Juni 1995 als professioneller Schuldeneintreiber tätig und ist in diesem Zusammenhang wegen Nötigung rechtskräftig durch das Landgericht Berlin verurteilt worden. Zudem verbüßt er derzeit Strafhaft u.a. wegen erheblicher Straftaten wie Vergewaltigung und Körperverletzung zum Nachteil ehemaliger Lebensgefährtinnen. Es sei schlichtweg ausgeschlossen, dass Taten dieser Art und Güte von bewegungsunfähigen Menschen der Pflegestufe III begangen würden. Auch vor Gericht habe "der Angeklagte den Kranken simuliert", erklärte der Vorsitzende. Der nur eingeschränkt Verhandlungsfähige, der stets im Rollstuhl vorgeführt wurde, habe ausweislich sachverständiger Beurteilung Heilmaßnahmen "torpediert" und bewusst gegen Anweisungen behandelnder Ärzte gehandelt.

Besonders verwerflich sei, dass der Angeklagte Organisationen betrogen habe, deren Leistungen auf dem Solidarprinzip und dem sog. Generationenvertrag beruhten, befand die Kammer. Insgesamt seien Höhe des Schadens, Dauer der Tathandlungen und die Intensität der begangenen Rechtsverstöße außerordentlich und zum Nachteil des Angeklagten zu werten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.
Presseberichterstattung vom 6. November 2007 bis zum 19. Juli 2008
Iris Berger
Pressesprecherin


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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