Mit den nach erstem Widerstand der Strafkammer durch die Verteidigung eingeführten Zeugen Martin Klockzin und Hans-Dieter Borchers trat vergangene Woche das Verfahren erneut in die Beweisaufnahme ein. Martin Klockzin (47) Leiter der Rechtsabteilung der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB), die 42 Prozent ihrer 9.500 zu privatisierenden Wohnungen an die AUBIS-Gruppe veräußerte, machte sich Mitte der 90er als Pionier des mit dem Bundesbauministerium entwickelten Zwischenerwerbermodells einen Namen.
Hans-Dieter Borchers (57), als Sachverständiger Zeuge von Rechtsanwältin Barbara Lammert-Bäsel (für Ex-Aufsichtsrat Carsten Reckzeh) eingeführt, war als Baudiplomingenieur und Leiter der Abteilung Sonderbau 1996/97 mit Plattenbausanierung auch in den neuen Bundesländern befasst.
Von beiden Zeugen erhoffte sich die Verteidigung ihre Angaben bestätigende Aussagen zu den damals üblichen Verkaufspreisen von Plattenbauten, zu deren Sanierungs-, Modernisierungskosten und Restnutzungsdauer. - Die Staatsanwaltschaft wirft den angeklagten Bankmanagern vor, der unvermögenden AUBIS-Gruppe überhöhte Kredite gewährt, die Modernisierungskosten zu niedrig, die Restnutzungsdauer hingegen zu hoch angesetzt zu haben. Alles zum Wohle der seinerzeit als Großkreditnehmer auftretenden AUBIS-Chefs Klaus-Hermann Wienhold und Christian Neuling und zum Nachteil der BerlinHyp (Tochterbank der landeseigenen Berliner Bankgesellschaft).
Der gebürtiger Hesse Martin Klockzin verdeutlichte als Zeuge noch einmal die prekäre Lage der Wohnungsbaugesellschaften in den neuen Bundesländern Mitte der 90er Jahre. Wie das von der Regierung oktroyierte Altschuldenhilfegesetz die Wohnungsbaugesellschaften gegen eine teilweise Entschuldung zum Verkauf von 15 % ihres Bestandes an die Mieter zwang. Und als die so erzwungene Privatisierung nicht fasste mit dem eigenst entwickelten Zwischenerwerbermodell das großen Verramschen begann.
Interessant war die Platte, deren Verkaufspreis politisch an 2.100 DM/qm Oberkante gebunden war, laut Klockzin vor allem für Mittelständler. Unter diesen ragten, so der Zeuge, die AUBIS-Unternehmer Wienhold und Neuling heraus, die für diesen Zwischenerwerberdeal bestens vorbereitet und durch eine von diesem Modell überzeugte Bank (die BerlinHyp) finanziert wurde. 1994 gingen die Verkäufe los. "AUBIS waren wohl die Ersten", sagt Klockzin. Die erste verkaufende Wohnungsbaugesellschaft war auch die LWB, die sich hierin mit dem Bundesbauministerium und der Kreditanstalt für Wiederaufbau abstimmte.
Da Klaus-Rüdiger Landowsky (ehemals Vorstandschef der BerlinHyp) im Untersuchungsausschuss Bankenskandal einräumte, das Zwischenerwerbermodell gemeinsam mit den Parteifreunden Wienhold und Neuling entwickelt zu haben und Manfred Klockzin im Oktober 1996 erklärte, "... deshalb haben wir gemeinsam mit Bonn das Zwischenerwerbermodell entwickelt", darf hier wohl ein Gemeinschaftprojekt vermutet werden.
Elf Verträge schloss die LWG 1995/96 ab und erzielte dabei 324 Millionen DM Gewinn. "Wie die Mücken kamen die Investoren aus Westdeutschland", so der ehemalige LWG-Privatisierungschef Klockzin. Manchmal habe man Verträge mitten in der Nacht geschlossen. - Öffentliche Ausschreibungen gab es jedoch nicht.
Die Verkaufspreise für die Objekte hätten sich in der Nähe des Zerschlagungswertes bewegt, das Zehnfache der Jahresnettokaltmiete, sagt Martin Klockzin. Es sei ein Einheitspreis für alle gewesen. Und trotzdem er selbst den damaligen Wert der ausgewählten Platten viel höher schätzte, nämlich auf das 14-Fache der Jahresnettokaltmiete, gingen sie unter dem politisch verordneten Preis weg.
Mehr hätte man für die 5 bis 6-geschossigen Platten, allesamt Perlen der LWG, gar nicht nehmen dürfen, sagt der Privatisierer. Nach Martin Klockzin wären die Objekte übrigens besser unsaniert geblieben, da die Mieter zum Teil ihre Wohnungen selbst hochwertig modernisiert hatten und größtenteils zu ihrer unsanierten Platte hielten: "Ich hätte die Platten unsaniert gelassen. Und heute wäre ich ein reicher Mann."
Die jetzt kritisierte Vollfinanzierung der AUBIS, sagte Klockzin zudem aus, war damals kein Einzelfall. Auch andere Bewerber wären mit 100% und mehr Finanzierung bei ihnen aufgeschlagen. Das 1998/99 eintretende Desaster, nach der die Altbausanierung mittels Sonderabschreibungen der Platte den Rang ablief, habe man 1996/97 nicht absehen können. Der dies prophezeienden Pestelstudie von 1996 schenkte "in der heißblütigen Zeit" laut Klockzin niemand Glauben. - Allerdings waren dann später gerade deshalb alle Investoren der LWG insolvent.
Zu guter Letzt bestätigt Zeuge Martin Klockzin, damit den Verlustvorwurf der Staatsanwaltschaft in Frage stellend, auch noch einmal: Immobilien sind langfristige Investitionen. Heute würden mit den Plattenbauten Preise bis zum 18-fachen der Jahresnettokaltmiete erzielt. Obwohl, anders als Mitte der 90er, derzeit gerade kein Mietsteigerungspotenzial in Aussicht stehe, sei beispielsweise der gesamte Dresdner Wohnungsbaubestand für das 15-fache an US-amerikanische Investorengruppe Fortress über den Tisch gegangen.
Wie Klockzin bestätigt auch der Hamburger Diplomingenieur Hans-Dieter Borchers (Firma Wayss & Freytag; AUBIS-fern; Mitglied der SPD) die Restnutzungsdauer der Plattenbauten von 40 bis 60 Jahren. Der Plattenbausanierer: "Sie werden noch in 100 Jahren Schwierigkeiten haben, den Beton kaputt zu kriegen."
Für Verschönerungs- und durch Anfang der 90er relevant gewordene Wärmedämmungsmaßnahmen veranschlagt Borchers konform den Angaben der Angeklagten 350 bis 400 DM/qm. Und bringt hierfür auch ein Beispiel: 50 Rostocker Wohneinheiten am Südring, deren Außenfassade, Dach, Balkone, Klingelanlage, Wärmedämmung und mehr auch noch auf die Mieter habe umgelegt werden können.
Für einige Beunruhigung unter der Verteidigung sorgte nicht nur die Erklärung der Staatsanwaltschaft durch Oberstaatsanwalt Thomas Gritscher (44), zu Korrekturen ihrer Anträge sähe sie keinen Anlass, sondern auch die süffisante Nachfrage der beisitzenden Richterin Dr. Schlosser an den Zeugen Martin Klockzin nach seiner gemeinsamen Mitgliedschaft in einem Leipziger Fußballclub mit einem der AUBIS-Chefs.
Tatsächlich bestätigte der Zeuge die späte Mitgliedschaft. Da Dr. Schlosser als Richterin auch im Betrugs-Verfahren gegen die AUBIS-Chefs Wienhold und Neuling involviert ist, befürchten die Verteidiger nun einen für sie nicht nachvollziehbaren "Wissensvorsprung" der Kammer. - Vielleicht aber auch eine für ihre Mandanten ungünstige Stimmung.
So sind wohl auch die weiteren Anträge zur Ladung von Zeugen zu verstehen, darunter die der damaligen Geschäftsführer der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft.