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aus dem moabiter kriminalgericht
Ohrfeige für den Richter
von Barbara Keller
08. Oktober 2004. Kriminalgericht Moabit. 38. Gr. Strafkammer.
Anfang dieses Jahres steht Walid El.-A. (36) vor Gericht. Wegen Vergewaltigung. Da der gebürtige Libanese bereits einschlägig vorbestraft ist, liegt das Urteil nicht im gewöhnlichen Lapidarbereich. Acht Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verkündet das Gericht. Was bedeutet, dass Walid El.-A. unter Umständen nie wieder die Luft des freien Bürgers atmet. Das Urteil ist (vergleichsweise) ungewöhnlich hoch. Walid El.-A., der sich ungerecht behandelt fühlt, bezichtigt das Gericht des Rassismus und schlägt bei Gelegenheit den Richter auf die Wange.
Während der Verhandlung versucht Walid El.-A., der eine Vergewaltigung abstreitet, Beweise für seine Unschuld zu erbringen. So habe er das spätere Opfer im XS-Club kennen gelernt. Einem einschlägigen Sado-Maso-Etablissement. Der Sex sei einvernehmlich zustande gekommen. Angeblich lässt das Hohe Gericht offensichtliche Falschaussagen eines Polizeibeamten ohne Beanstandung passieren. Walid El.-A. dringt mit seinen Beweisanträgen nicht durch. Auch mit seinem Befangenheitsantrag gegen das Gericht. Der Adrenalinspiegel des Angeklagten steigt, er fühlt sich ohnmächtig, hilflos ausgeliefert.
Schließlich schimpft Walid El.-A., der die richterliche Haltung für rassistisch motiviert hält: „Das Einzige, was diesem Gericht fehlt, ist die Hakenkreuzfahne über ihren Köpfen!“ Ein anderes Mal droht er einem Polizeibeamten (Kriminaloberkommissar), den er der Falschaussage zeiht: „Ich reiße dir den Kopf ab!“ Als das Gericht trotz gegenteiliger Aussage des Gutachters zu dem Schluss kommt, der Angeklagte sei als gefährlich für seine Mitmenschen einzustufen und damit die Sicherheitsverwahrung heraufbeschwört, schlägt Walid El.-A., als er die Gelegenheit dazu bekommt, Richter B. auf die Wange.
Nicht ungestraft. Ein halbes Jahr später kommt vor dem Berliner Landgericht nicht nur das Revisionsverfahren des Walid El.-A., sondern auch eine Klage wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung zur Verhandlung.
Tatsächlich scheint das gegen Walid El.-A. ausgesprochene Strafmaß ungewöhnlich hoch. Verglichen mit den üblichen, gängigen Urteilen. Merkwürdig ist zudem, dass sich das Gericht über das Gutachten des Sachverständigen hinwegsetzte. Der hatte den Angeklagten für nicht gefährlich eingestuft. Und räumte ein leicht gesteigertes Gefahrenpotenzial im Zusammenhang mit Konsum von Drogen ein.
Aber diese Dinge sind nicht Gegenstand der Verhandlung am 8. Oktober 2004. Eine Kategorie der „Rechtmäßigkeit“ für Beleidigung, Bedrohung oder Körperverletzung gibt es nicht. Deshalb beginnt und endet das Verfahren gegen Walid El.-A. am ersten Tag der Verhandlung mit einer Erklärung, einem Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten und dessen Gewährung. Rechtsanwalt Richard Radke für Walid El.-A.: „Mein Mandant kann sich kaum erinnern, was sich am Richtertisch ereignete. Er war zu sehr aufgebracht.“ Walid El.-A. soll keine Chance gesehen haben, seine Unschuld zu beweisen. Hatte Herzrasen, Kopfschmerzen. Nun soll ein psychiatrisches Gutachten beweisen, dass Walid El.-A. in hochgradig affektivem Zustand handelte. Rechtsanwalt Richard Radke: „Auch eine Sicherheitsverwahrung kommt nicht in Frage.“
NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3
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Richard Radke, Rechtsbeistand des Walid El.-A., der Richter B. ins Gesicht schlug:"Mein Mandant fühlte sich ohmächtig, war außer sich. Er wusste nicht, was er tat."
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