"Frau N., was wollen Sie! Sie können mir das eh' nicht beweisen." So soll Oberfeldwebel Carsten G. wiederholt die Soldatin verspottet und entmutigt haben, wenn er sie wieder einmal diffamierte oder auch körperlich attackierte. Entmutigt, sich weiter über diese Behandlung zu beschweren; entmutigt aber auch, dagegen etwas zu unternehmen.
Beispielsweise soll der 35-Jährige, die ihm unterstellte Hauptgefreite im Beisein eines weiteren Soldaten im Winter 2006 aus Daffke unvermittelt gefragt haben: "Frau N., nehmen Sie eigentlich die Pille?" Und ob die junge Frau denn während ihrer freien Tage "an der Stange tanzen würde".
Ist ja gut, Uschi!
Ein anderes Mal, im März 2007, nach einer Schießübung, wies ein Vorgesetzter die 15 anwesenden Soldaten, darunter Janice N., dazu an, in Reih und Glied anzutreten. Was den Obergefreiten zu der Bemerkung inspiriert haben soll: "Tja, Frau N., da haben Sie Pech gehabt. Sie haben ja keinen." - Was zu Hohngelächter bei allen Anwesenden geführt haben soll.
Als Janice N. an einem Tag im Sommer 2007 auf dem Sprung in den Feierabend zwei in ihrem Geschäftsraum anwesende Herren bat, den Raum zu verlassen, um sich umziehen zu können, soll Carsten G. erwidert haben: "Warum? Ich habe gedacht, Sie strippen jetzt mal für uns!"
Neben der herablassenden Bemerkung "Uschi, gehen wir eine rauchen?" und als Reaktion auf den Protest "Ist ja gut, Uschi." gab es, laut Aussage der Hauptgefreiten Janice N., im Mai und Juni 2007 auch grundlos Schläge auf den Hinterkopf, Schläge mit einem Lineal auf das Handgelenk und einen Tritt mit dem Kampfstiefel gegen das Schienbein.
Strippen, blasen, an der Stange tanzen
Laut Anklage soll der jetzt Angeklagte Carsten G. schließlich auch
Oberfeldwebel Dirk S., der sich für Janice N. verwendete, anlässlich einer Truppenübung in "Bonnland" im Beisein von Zeugen wiederholt aufgefordert haben, ihm einen zu blasen.
Doch Carsten G., ein jungenhaft wirkender, sportlich leger gekleideter Mann mittleren Alters, wies am Tag der Hauptverhandlung am 20. Februar 2009 alle Vorwürfe weit von sich. Ganz im Gegenteil, der Oberfeldwebel will ein freundschaftliches, vertrauensvolles Verhältnis zu der damals 19-Jährigen unterhalten haben. Die junge Frau, so erklärt er, wäre ja auch mit privaten Problemen zu ihm gekommen. Außerdem, sagt Carsten G., erfreut sich die Luftwaffe ohnehin eines lockeren, hierarchiefreien Umgangs.
Janice N. soll gern zurückgemotzt und sich nie beschwert haben. Die ihm vorgehaltenen Äußerungen seien völlig aus dem Zusammenhang, aus gänzlich normalen Gesprächen gegriffen. "Habe ich definitiv nicht gesagt", "habe ich niemals gesagt", "stimmt nicht", "stimmt so nicht", argumentiert Carsten G. deshalb wiederholt.
Stimmt nicht, nie gesagt
Ja, der Fußtritt und den blauen Fleck, den gab es wohl, bestätigt der Obergefreite dann. Jedoch nur aus einem Versehen heraus, für das eine Entschuldigung bereits den Mund des Verursachers verlassen und bei Janice N. Gnade gefunden hat.
Der Fußtritt soll laut Janice N. dann das Fass im Sommer 2007 zum Überlaufen gebracht haben. "Draußen passiert mir doch so etwas auch nicht", sagte sich die 19-Jährige. Und ihre Mutter setzte, als sie von den Übergriffen erfuhr, der jungen Soldatin eine Frist von vier Wochen, etwas dagegen zu unternehmen. "Sonst unternehme ich etwas", drohte sie.
Janice N. erzählt vor Gericht eine gänzlich andere Geschichte als der Angeklagte. Während Carsten G. behauptet, die Hauptgefreite habe "sehr, sehr, sehr oft" bei ihm im Büro gesessen, frei von jeder dienstlichen Aufgabe, berichtet Hauptgefreite Janice N. von einem rein dienstlichen Kontakt.
Luftwaffe: hierarchiefrei, locker
Janice N. hatte laut aktueller Arbeitsbeschreibung in ihrem Geschäftsraum Verpflegungsmeldungen zu bearbeiten und die Post fertig zu machen. Da der Zugführer meist aushäusig war, holte sich Janice N. die benötigten Unterschriften bei dem ihr vorgesetzten Oberfeldwebel Carsten G. Das geschah relativ oft. Zu privaten Gesprächen kam es dabei allerdings nicht.
Die Scherzchen, die Carsten G. wiederholt platzierte, fand Janice N. anders als von Carsten G. behauptet nicht lustig. Sie fühlte sich als einzige Frau am Platz blamiert und schloss sich zum Weinen ins WC ein. "Es war eine Tortur für mich, dorthin zu gehen", sagt Janice N. und weint auch während ihrer Aussage vor Gericht.
Anstatt sich jedoch jemandem anzuvertrauen, fraß die junge Soldatin ihren Kummer in sich hinein und wurde krank. Sie sagt: "Ich hatte Angst, dass Oberfeldwebel G. mich fertig macht." Später offenbarte sie sich dann doch zwei Kollegen. Gemeinsam mit einem hilfsbereiten Oberfeldwebel aus ihrer Einheit schrieb sie eine Eingabe. Oberfeldwebel Dirk S., der seit März letzten Jahrs ihr Freund ist, hatte mit dem heute Angeklagten selbst ein Hühnchen zu rupfen.
Das Verfahren zog sich am Freitag, dem 20. Februar 2009, unerfreulich in die Länge. Die geladenen elf Zeugen, darunter ein Bundeswehrangehöriger aus München, wurden nach Hause geschickt. Sie sollen am 13. März 2009, ab 9:15 im Saal 517 ihre Aussagen machen. Erst dann werden die Prozessbeteiligten sich wohl ein Bild vom Wahrheitsgehalt um die Anklagevorwürfe machen können.
Update:
Carsten G. wurde freigesprochen. Die ihn belastende Soldatin wurde wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt.