Die dju. (ver.di), bei der die Autorin eigentlich Rechtsschutz genießen sollte, schätzte den Erfolg eines etwaigen Verfahrens auf fifty-fifty, das Verfahren selbst als langwierig und kostspielig und lehnte eine Vertretung ab. Darüber hinaus beriet sie die Autorin durch einen in Berlin nicht zugelassenen Rechtsanwalt falsch und verschuldete eine Fristverschleifung.
Vor die Wahl gestellt, sich wegen eines eingeforderten Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro zu verschulden oder zehn Tage in Haft zu verbringen - sie hatte bereits einige Hundert Euro an die Kanzlei Eisenberg berappt - entschied sich die Autorin für die Zivilhaft. Einerseits neugierig auf die Verhältnisse hinter 'schwedischen Gardinen', andererseits auch nicht ohne mulmiges Gefühl stellte sie sich am 23. Januar in der Lichtenberger JVA für Frauen. Einem alten 'Stasiknast', Baujahr 1906, in dem der KGB in den 50er Jahren missliebige Bürger auch hinrichten ließ.
Der Autorin war bewusst, dass sie ohne Röntgenbild ihres Thorax und ohne positiven ärztlichen Befund hierüber die Hälfte der Haftzeit unter Verschluss verbringen würde. Als potentielle gesundheitliche Gefahr für die Anstalt. Deshalb brachte sie die erforderlichen Unterlagen gleich mit und informierte per Fax die zuständige Behörde.
Nachdem die Autorin die Eingangsschleuse jedoch durchschritten hatte, geriet sie in ein sehr eigenes System von Tagesgeschäft der JVA. Einer Melange aus Ignoranz, Willkür, latenter Desinformation. Entstanden wohl aus chronischer Überarbeitung, teils aus Spaß einzelner Beamten am Schuhriegeln. Beamten, denen die Autorin, als "Herren und Damen der Schlüssel" ja nun völlig ausgeliefert war.
So verbrachte die Autorin, die sich dem Hafttermin selbst stellte, erst einmal drei Stunden in einem gekachelten Raum. Als einzige Ablenkung eine russische Drogenabhängige, zu der sich später eine Spandauer Schuldnerin gesellte. Beide waren zu ihrem Haftantritt zwangsweise von der Polizei zugeführt worden. Beide wurden von der Anstaltsärztin untersucht. Zu der Autorin erklärte die Medizinerin, die kurz ihren Kopf in den Raum steckte, nur schroff: "Und Sie will ich noch nicht sehen!" Damit verschwand sie in den Feierabend und ins Wochenende.
Die Autorin verblieb deshalb, trotz mitgebrachter Unterlagen und Vorabinformation, von Freitag bis Montagmittag unter Verschluss. Das heißt in einer sechs Quadratmeter großen Zelle mit Doppelbett, Lauffläche drei Quadratmeter. Morgens und abends Lebendkontrolle. Tür auf, Tür zu.
Mittags ein paar Minuten Zeit, das Essen für die nächsten 24 Stunden zu holen. Essen, das die Autorin, die ansonsten als (fast) Allesesserin gelten darf, in der Regel dem WC überantwortete. Begrüßt wurde sie kulinarisch mit einer Schüssel kalter Kartoffeln und einer Soße, die aussah wie Dillsoße aber nach einer Beimengung von geschredderten Socken roch.
Ansonsten durfte sie sich mit 4-5 Scheiben Brot, Margarine, einer Tagesportion Käse oder Wurst sowie einer Wochenration Schwarztee, Blümchenkaffee und einem kleinen Schälchen Marmelade den Hunger vertreiben. Obst sah die Autorin während ihrer Inhaftierung so gut wie nicht. Das Brot aß sie trocken, weil sie Margarine ekelt. - Selbst Schuld.
Drei Tage schob die Autorin dauernd Kohldampf. Zum Glück hatte sie einen Wasserkocher auf der Zelle. Auf diese Weise konnte sie dem knurrenden Magen wenigstens Ersatzkaffe zuführen. Als die Autorin beim ersten Mal des 'Essenfassens' ihre Schüssel aus Unkenntnis des Procedere nicht mitnahm und schnell noch einmal die Zelle betrat, um dies nachzuholen, flog hinter ihr auch schon die Tür wieder ins Schloss. Chance vertan, Pech gehabt. Zu ihrem Glück beobachtete eine andere Gefangene die Misslichkeit und stoppte den Beamten hastig: "Die Frau hat noch gar kein Essen holen können!"
Um nicht 23 Stunden die Wand anstarren zu müssen, gestattete man der Autorin, Bücher aus einem 'Bibliothek' genannten, auf dem Flur stehenden Regal mit durchschnittlich uninteressantem Bücherallerlei greifen zu dürfen. (Mitgebrachte Bücher wurden trotz Vorabinfo nicht ausgehändigt.) Das musste schnell gehen. Denn die Beamten, die wohl unter chronischer Unterbesetzung des Personals leiden und deren Hauptaufgabe im Auf- und Zuschließen der Zellen zu bestehen scheint, geben sich in der Regel eilig, wortkarg, abweisend. Die Autorin las während der drei Tage "Ediths Tagebuch" von Patricia Highsmith, das dem ohnehin traurigen Ambiente eine weitere deprimierende Note hinzufügte.
Einmal am Tag durfte die Autorin den Hof für eine Stunde besuchen und sich die Beine vertreten. Die dabei zustande gekommenen Gespräche mit Mitgefangenen waren wenig ergiebig, da die Mitinsassinnen in der Mehrzahl sehr jung und von Drogen abhängig waren. Erfreulich schien, dass es, anders als später in der JVA Pankow, trotz der großen Einschränkungen, einige Angebote der Beschäftigung für länger Einsitzende gab.
Ihre Sachen erhielt die Autorin zunächst nicht ausgehändigt. Um den Umstand, sich bis auf die zwar gewaschene, aber gebrauchte Unterwäsche in sackähnliche, farblose Anstaltskleidung gewanden zu müssen, kam sie nur herum, weil keine Hose in ihrer Größe vorrätig war.
Auch die mitgebrachten, verschlossenen Kosmetika, wie Seife, Zahnpasta und Creme verblieben bei der Habe. Während Zahnpasta, Handseife und Duschcreme von der JVA portioniert gestellt wurde, musste die Autorin trockene Haut jedoch in Kauf nehmen. Denn das Eincremen der Haut gilt in der Haftanstalt offenbar als Luxusbetätigung. Als nach zwei Tagen ihre Haut bereits einen bedenklichen Zustand anzunehmen drohte, bestellte die Autorin bei der Krankenschwester Creme und erhielt ein Döschen namenlosen Inhalts. Wiederum einen Tag später.
Nach drei auf diese Weise trostlos verbrachten Tagen, durfte die Autorin zunächst mit einer Ärztin und anschließend mit einer Sozialarbeiterin sprechen. Die bei den Gefangenen beliebte Anstaltsärztin E. war zum Glück am selben Tag von einer Krankheit genesen. Eine resolute, verständnis- und humorvolle, kleine Frau, die ihren Dienst anstaltsuntypisch mit gleichbleibender Akkuratesse versah. Sie schaltete die Autorin sofort medizinisch frei und erkundigte sich erstaunt, warum das nicht bereits vor drei Tagen geschehen sei.
Der anschließende Besuch bei der Sozialarbeiterin gestaltete sich weniger ergiebig, da offene Fragen nach Versicherungsverhältnissen während der Dauer des Haftaufenthaltes nicht beantwortet werden konnten und eine offensichtliche Fehlberatung hinsichtlich der Möglichkeit des Telefonierens nach draußen stattfand. Die Sozialarbeiterin riet der Autorin zum Beantragen einer Teliokarte, obwohl anstaltsintern bekannt ist, dass die Bearbeitungsdauer derselben in der Regel zwei Wochen dauert.
Als die Autorin die Sozialarbeiterin über den Grund ihres Haftaufenthaltes informierte, wurde ihr jedoch ein hilfreiches Angebot gemacht: die Verlegung in die Haftanstalt für Frauen nach Pankow. Ein schnelles Telefonat. Ja, es kommt doch noch eine Gefangene morgen mit auf Transport, fertig.
Trotzdem die Autorin noch nicht wusste, wie sie ihre Angehörigen über diesen Umstand informieren sollte und Probleme mit dem Verbleib ihrer Habe befürchtete, stimmte sie dem freudig zu. Es konnte ja nur besser werden...
(Teil zwei des Berichts in einer Woche als Extra!)