Das Ganze hätte sich nach Ansicht der Potsdamer Rechtsanwältin Dr. Heide Sandkuhl " auch auf "stillere Art regeln" lassen. Doch nun ist es passiert. Ihr Mandant Steffen Reiche hat dem Strafbefehl widersprochen und jetzt sitzt man hier mit einem ganzen Tross von Medienvertretern und dem seicht-fatalen, öffentlichen Interesse. Ein Imageschaden, so sagt Sandkuhl, sei bereits eingetreten.
Dabei ist, glaubt man Steffen Reiche (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages, eigentlich gar nichts passiert. Am 12. Januar 2007 flog die Fraktion, so seine Schilderung, nach einem mehrtägigen Aufenthalt und der Einweihung der Landesvertretung in Brüssel zurück nach Berlin.
In dem kleinen belgischen 'Cityhopper' der Brussels Airlines mit circa 150 Sitzplätzen erwartete die SPD-Politiker jedoch eine angeblich übellaunige Stewardess namens Natascha O. (37). Bereits beim Einchecken soll sie mehrere Fraktionsmitglieder auf Nachfrage nach deutschsprachigen Zeitungen mit wenig freundlichen Erwiderungen brüskiert haben.
Das bestätigen neben Steffen Reiche als Zeuginnen vor Gericht auch die Fraktionskolleginnen Dr. Margit Spielmann und Petra Bierwirth. Frau Dr. Spielmann setzte noch hinzu: "Vielleicht hatte sie nicht ihren besten Tag.", sowie: "Vielleicht sind wir auch anderes gewohnt." Steffen Reiche soll sich dann über die Zeitungsfrage mit Natascha O. einen nachhaltigen Schlagabtausch geliefert haben.
In der Business Class flog auch Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Deshalb gab es restriktivere Sicherheitsvorkehrungen und ein paar 'bessere Plätze' weniger. Möglicherweise kam Steffen Reiche, der zehn Jahre und bis 2004 als Brandenburger Minister figurierte, deshalb nur in der Economy Class zu sitzen.
Zwischen Steffen Reiche und der Flugbegleiterin kam es zu einer zweiten unerfreulichen Begegnung, als die junge Frau ihm aus Sicherheitsgründen die Nutzung der Toilette der Business Class, den Zutritt zu ihr überhaupt verwehrte. Da half auch kein Hinweis auf die 'Kollegen' und dass auch der Ex-Minister Steffen Reiche eigentlich auf die Business Class gebucht sei.
In der Folge und für den Rest des eineinhalb Stunden dauernden Fluges will Steffen Reiche sich mit Professor Ottmar Edenhofer (47), dem Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgen (PIK), über Klimafragen unterhalten haben. In der Economy Class, über den Flur hinweg. Die beiden Männer saßen auf zwei den Flur flankierende Plätze.
Möglicherweise die ideale Position, um Natascha O. zu schikanieren. Nach Aussage des niederländischen Stewards, Steven W. (34), soll Steffen Reiche über die gesamte Dauer des Fluges seine Kollegin geärgert, 'getriezt' und ihr zuletzt ein Bein gestellt haben.
Doch Steffen Reiche dementiert: "Ich hatte meine Beine für die gesamte Dauer des Fluges auf der dem Flur abgewandten Seite." Zudem hätte er kaum ein Wort mit der Frau gewechselt. Loyal erklärt auch sein Gesprächspartner Professor Edenhofer: "Herr Reiche hatte seine Beine da, wo sie hingehören: unter dem Vordersitz."
Doch Natascha O. meldet nach dem vermeintlichen Angriff des Abgeordneten Reiche auf ihre Person dem Flugkapitän den aggressiven Fluggast. Das erscheint ihr offenbar so wichtig, dass sie ihren Vorgesetzten in den Vorbereitungen zum Landeanflug stört. Am Flughafen in Berlin Tempelhof wird Steffen Reiche deshalb bereits von Beamten der Bundespolizei erwartet.
Da die Stewardess Natascha O. am Tag des Beginns der Hauptverhandlung an einer Zeugenaussage gehindert war, wird der Prozess am 26. Januar 2009, 9:00, Saal B 228 fortgesetzt. Richterin Dr. Karin Nissing: "Ohne die Zeugin O. macht die Verhandlung keinen Sinn."