Am 14.12.2006 bleibt die Verhandlung bereits in den Startlöchern stecken: Thomas St. ist trotz Ladung vom 31.09.2006 nicht erschienen. An welchen sonnigen Stränden sich der Mann mit der mutmaßlich prima Geschäftsidee wohl ins Fäustchen lacht, wird unter den zahlreich erschienen Zuhörern kichernd gemutmaßt.
Rund eine dreiviertel Stunde später bleibt es dabei: die Verhandlung gegen Mike A. und Thomas S. wird ausgesetzt. Gegen Letzteren ergeht Haftbefehl. Dann, so der Richter, würde die Verhandlung fortgesetzt. Aus dem Publikum erwidert es keck: "Wenn er da ist." Worauf der Staatsanwalt zuversicht humorig entgegnet: "Er wird da sein!"
Wie auch immer. Während Mike A., der sein Verfahren noch vor sich hat und in Ausbildung steckt, sich verständlicher Weise mit Äußerungen im Vorab zurückhält, sprudelt es aus dem bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Günter B. nur so heraus.
Angeschmiert habe sie der abwesende Herr St., dessen Idee wohl der ganze krumme Coup war. Günter B., den auch ein Boss-Konsortium wegen angeblich 17.000 Euro nicht verkaufter Ware verklagte und der derzeit fleißig abzahlt, will seinerzeit von der Echtheit der Ware überzeugt gewesen sein.
Im Sommer 2004 soll sein alter Bekannter Thomas St. mit einigen Warenproben, alles Auflösungsgeschäfte, Reimporte, wie er behauptete, zu ihm gekommen sein und bat ihn, praktisch "seine Sekretärin" zu werden. Und so lief das dann schließlich auch. Thomas St. besorgte die Ware, sah zwei- bis dreimal die Woche vorbei, überließ seiner "Sekretärin Günter B.", besser wohl "Mädchen für Alles" den Schrift- sowie Versandkram und kassierte ab. "Da kann nichts schief gehen", stellte er das Projekt seinem Kompagnon in spe damals vor.
Das ging alles wie am Schnürchen. Die Schnäppchenjäger auf Ebay boten und kauften dankbar. Günter B. gehörte schon fast zum erlesenen Kreis der "Powerseller". Das bedeutet unter anderem neben einem sauberen Bewertungsprofil monatliche Einkünfte durch Ebay von circa 3.000 Euro während der letzten drei Monate. Aber dann gingen die ersten Beschwerden ein.
Käufer, die ein echtes Chanell durchaus von einem von polnischen Nachahmern zusammengeschütteltes zu unterscheiden wissen, gibt es. Beschwerden, Lieferengpässe, schließlich machte Ebay das Konto von Günter B. dicht. Zwar lebte das Geschäft unter einem anderen Kontoalias kurzzeitig noch einmal auf. Aber dann verlagerten sich die Schwerpunkte ja auch bereits in Richtung Amtsgericht.
Die Rolle von Ebay in dieser Sache kommentierte Günter B. vor laufender Kamera so: "Ebay, die machen nichts. Die stellen das Portal zur Verfügung. Der Rest ist denen egal." Deshalb hat Günter B. selbst auf Ebay nie Waren über einen Wert von 20 Euro gekauft. Die einzige Ausnahme: ein Computer, dessen Kauf er heute noch bereut. Jetzt steigert er nur noch bei Leuten, die ihm absolut vertrauenswürdig erscheinen und bei denen er hinfahren und, wie er sagt, "auf der Matte stehen kann".
Potenziellen Schnäppchenjägern von Markenparfüms gibt Günter B. den weihnachtlich wohlmeinenden Rat: "Finger weg von Ebay!"