Das Erstaunen von Susanne B. ist jedoch noch größer, als sie in der Lichtbildervorzeigedatei der Kripo am Tempelhofer Damm ihre Kollegin Sybille P. wieder erkennt. Denn woran die gescheiterte Diebin nicht dachte: ihre Versuche, Geld abzuheben wurden in den Filialen der Sparkasse und der Dresdener Bank mitgeschnitten.
Susanne B. sagt, sie habe sich immer gut mit ihrer Kollegin verstanden, die eine freundliche, nette Person sei. Umso erschütterter ist sie, dass Sybille P. ausgerechnet bei ihr lange Finger macht: "Ich fand es gemein, dass sie jemand Bekanntes bestiehlt. Sie weiß, ich bin allein mit meiner Tochter. Das ist nicht so einfach."
Am 6. Oktober 2006 muss sich Sybille P. im Amtsgericht Tiergarten wegen Diebstahl und versuchtem Computerbetrug verantworten. Eine reuige Sünderin erwartet man an diesem Tag jedoch vergeblich. Die irgendwie verhuscht wirkende, mager zähe Friedrichshainerin lässt bereits bei der Feststellung ihrer Personalien einen Wortschwall an Rechtfertigungen und vermeintlichen Richtigstellungen vom Stapel.
Die 37-jährige Sybille P., die noch immer an ihrer Magisterarbeit bastelt, derzeit jedoch von Arbeitslosengeld II lebt und mit dem Eineurojob bei adm dazuverdient, fühlt sich falsch verstanden. So hat sie dem Gericht schon im Vorab einen Brief geschrieben, in dem sie blumenreich erklärt, ihre Kollegin habe nur deshalb Anzeige erstattet, "um ihre perversen Gelüste, in einer Gerichtssoap die Hauptrolle zu spielen, ausleben zu können".
Ja, sie bereue und entschuldige sich, natürlich. Aber schließlich sei ja niemand zu Schaden gekommen. Vor Gericht laviert sich Sybille P. rechthaberisch in nicht mehr anzuhörende Widersprüche. Mal hat die EC-Karte so auf der Erde, mal auf dem Schreibtisch gelegen. Als der Richter Sybille P. diese und ältere anders lautende Aussagen vorhält, begehrt sie getroffen auf: "Sie müssen meine Antworten schon auch ertragen!"
Schließlich ist es doch um die Langmut des Vorsitzenden Richters geschehen. Und als er Sybille P. entnervt vorhält: "Sie haben ein gestörtes Unrechtsbewusstsein!", reckt Sybille P. das Kinn vor und erwidert störrisch: "Ganz im Gegenteil!"
Doch der uneinsichtigen Angeklagten, die in einer seltsam ichbezogenen Welt lebt, nützen alle Ausflüchte nichts. Der versuchte Computerbetrug ist nachweislich, der Diebstahl offensichtlich. Der Strafrahmen bewegt sich demzufolge zwischen einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und einer Geldstrafe. Schließlich bleibt es, Sybille P. ist nicht vorbestraft, bei einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15,-- €, zahlbar in monatlichen Raten von 250,-- €. – Die Verurteilte zieht, nicht anders zu erwarten, unzufrieden von dannen.