So soll Stephanie T. ihrem Ehemann im Winter 2005 100 Euro gestohlen haben. Sie drohte ihm, so die Anklage, wenn er ihr kein Geld gäbe, würde sie mit ihren drei Brüdern kommen. Mehrmals gab Otto T. nach. Von seiner Schwiegermutter erfuhr er jedoch, dass seine Frau gar keine Brüder hat. Ihre Lüge kränkte ihn mehr als die Drohungen.
Am 1. Dezember 2005 schließlich schlug Stephanie T., laut Anklage, ihren Mann, der sich weigerte, ihr sein Taschengeld auszuhändigen. Sie traf ihn im Gesicht und versetzte ihm einen Hieb in den Rücken. Er fiel hin und brach sich den Oberschenkelhalsknochen. Die anschließende Operation überstand er, aber seitdem ist Otto T. auf den Rollstuhl angewiesen.
Noch im Krankenhaus erstattete der geschundene Ehemann Anzeige gegen seine Frau. Doch vor Gericht bestritt der leicht beeinflussbare Mann alle Vorwürfe. "Das stimmt nicht. Wir hatten nie eine Auseinandersetzung." Auf Nachfrage der Richterin antwortet der Rentner: "Das ist Schnee von gestern." Seine Frau wäre manchmal etwas ungehalten, das ergäbe sich aus ihrem Temperament. Aber sie wäre deshalb kein schlechter Mensch.
Susanne G. (42), die die Vermögensbetreuerin des geschädigten Gatten Otto T. ist und das ungleiche Paar seit seiner Trauung kennt, entwirft, als Zeugin vor Gericht befragt, das klassische Bild einer Zweckehe:
2003 starb Otto T.'s langjährige Ehefrau, die eine treue Kundin der Friseurladenbesitzerin Stephanie T. war. Doch deren zwei Friseurläden inklusive Solarium gingen Konkurs. Den vermögenden Otto T. seinerseits plagte die Angst vor der Einsamkeit. Beide heirateten. Doch die frischgebackene Gattin wollte nicht zu ihrem Ehemann ziehen. Das passte Otto T. nicht. Statt Einsicht erntete er von der alkoholkranken Neuen nur üble Beschimpfungen.
Noch heute bezahlt Otto T. sämtliche Schulden seiner Frau und gibt ihr Geld zum Lebensunterhalt. Er kommt für Strom, Gas, Miete auf, kaufte Stephanie T. ein neues Auto, finanziert die Benzinkosten samt Reparaturen, legt monatlich etwa 800 bis 1.000 Euro für sie auf den Tisch und kommt auch für die während der Untersuchungshaft angefallenen Gefängnisgebühren seiner Frau auf. Vor Gericht betont der Mann, das seien alles freiwillige Zahlungen: "Ich kann mir das leisten."
Doch das Vermögen von Otto T. schrumpft, trotz aller Bemühungen seiner Vermögensbetreuerin Susanne G. Die riet dem wegen seiner Ehe depressiv gewordenen Mann auch zur Scheidung. Doch Otto T. lehnte aus moralischen Gründen ab: denn wer einmal "Ja" gesagt hat, bleibt dabei.
Eine schweigende Angeklagte, ein widerrufender Hauptbelastungszeuge, jede Menge Zweifel. Das Gericht plant in diesem Indizienprozess eine längere Beweisaufnahme.
Das Urteil: Freispruch. Zur Begründung des Schöffengerichts: Der Vorwurf ließ sich nicht nachweisen. Unter anderem, weil der Geschädigte seine früheren Anschuldigungen nicht aufrecht erhielt.