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aus dem moabiter kriminalgericht


Ein bisschen wie im "Schweigen der Lämmer"


von Barbara Keller

23. August 2006, Amtsgericht Tiergarten, Abt. 274 - Strafrichter
Am 22. April 2004 kommt es wie immer unter den vorwiegend männlichen Freunden des Freiluftsuffs im Park vor dem Spandauer Rathaus zu "Kabbeleien". Hart aber herzlich. Als am Abend dieses Tages Manfred Sch. (49), 2,15 Promille im Blut, seine Verlobte Ilona K. (40) schlägt und beleidigt, regt sich in einigen der anwesenden Herren, 25 Personen, verteilt auf mehrere Bänke um den Brunnen, der Ritter. Günther D. (64) büßt seine Einmischung mit dem Verlust eines Großteils seines rechten Ohres. Thomas R., der von den Blumenrabatten zu Hilfe geeilt ist, und dem Manfred Sch. zynisch droht, auch noch die Zunge abzubeißen, muss sich sein Ohr in der Klinik wieder annähen lassen. So jedenfalls der Vorwurf der Anklage.

zum Urteil!

Manfred Sch. sag: "Ich bin ein Mensch, der das Leben liebt." Er sei als Verkäufer der Obdachlosenzeitung in der Weddinger Marktstraße bekannt und beliebt. Er leugnet ja gar nicht, den Kumpels an die Ohren gegangen zu sein. Und er sei auch ein bisschen über sich selbst erschrocken. Aber schließlich habe ihn Thomas R. so gereizt, dass er ihm – der ihn provozierte: "Tu es doch, tu es doch!" - "den Gefallen tat" und zubiss.

Manfred Sch., der bis auf einen steifen Gang sowie eine leichte Alkoholfahne gesund und kräftig wirkt, fürchtet sich vor einer Haftstrafe. 18 Jahre hat der gelernte Orthopädietechniker bereits hinter Gittern verbracht. Wegen Gewalt mit Waffen, sagt er, weil er praktisch seine "Rente auf einmal abhob". Und nun soll er, so der an Lungenkrebs erkrankte Manfred Sch. resigniert, wegen so einer "Eierei einfahren".

Seine Verlobte schlug er keineswegs, sagt Manfred Sch. Er sei, als er aus dem bereits dunklen Park habe gehen wollen, von Günther D. hinterrücks angegriffen und in den Schwitzkasten genommen worden. Dann schlug ein ominöser Dritter - ein allen unbekannter Türke, der danach wie vom Erdboden verschluckt verschwand - mit einer Holzbohle auf ihn ein. Mit der angeblichen Wirkung, dass Manfred Sch. eine Gehirnerschütterung erlitt, deren Folgen er am nächsten Tag auf einer "Tanke" erst einmal mit Weinbrand wegspülen musste.

Das Interesse aller Beteiligten an einer juristischen Aufarbeitung des Vorfalls ist mäßig. Die Anzeige kam auch nicht von den Geschädigten, sondern der Polizei, die am besagten Tag neben dem Rettungswagen der Feuerwehr im Einsatz war. Das Verfahren am 23. August 2006 ist bereits der zweite Anlauf. Und auch dieses Mal fehlt wieder ein wichtiger Zeuge: der Geschädigte Thomas R.

Aber wenigstens Günther D., dem sichtlich größere Teile seines rechten Ohres abhanden kamen, ist dieses Mal erschienen. Der jetzt in Hamburg Lebende posiert charmant vor der Kamera der SAT1-Kollegen und hat auch für die Printmedien ein offenes Wort: "Da gibt's nicht viel zu erzählen. Ich habe mich nach dem Bier in meinem Rucksack gebückt. Plötzlich sprang er mich von hinten an und biss mir ins Ohr."

Auch der 64-jährige Hartz IV Empfänger Günther D. "war früher" schon "im Knast wegen so was". Aber seit 1974 will er sich aus derlei Sachen herausgehalten haben. Nein, nein, nein, dass Manfred Sch. seine Verlobte schlug, hat er nicht gesehen. Aber es gab doch so was wie eine Kabbelei, während der Günther D. äußerte: "Mach das woanders. Aber nicht solange ich da bin!"

Praktisch der ganze Rand seines Ohres sei bei dem martialischen Biss von der Muschel gerissen worden. Den kläglichen Rest hat Günther D., der im Krankenhaus flüchtete und sich lieber selbst kurierte, mit einem Pflaster festgeheftet.

Auch Ilona K. erscheint übrigens als Zeugin. Sie ist mit dem Angeklagten seit August 2001 verlobt. Ilona K.: "Die Heirat zieht sich noch ein bisschen hin." Aber das Recht auf Verweigerung der Aussage als Verlobte, möchte sie schon mal wahrnehmen. Nur soviel sagt sie: "Ich habe damals etwas anderes ausgesagt, weil ich sauer war."

Nach den Zeugenaussagen von drei Polizeibeamten und einer Kriminalbeamtin werden am 30. 08. 06 nun noch die erhellenden Erklärungen von Thomas R. erwartet. - Wenn er denn kommt. Und wenn da was kommt.

das Urteil:
Ein Jahr Haft; noch nicht rechtskräftig (7.09.06)


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NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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angeklagt: Manfred. Sch.
2,15 Promille hatte Manfred Sch. im Blut, als er seine Verlobte Ilona K. (li.) geschlagen haben soll und Günther D. sowie Thomas R. ein Ohr ganz, bzw. fast abbiss, weil sie angeblich helfend eingesprungen waren. "Mir ist einfach die Sicherung durchgebrannt", sagt Manfred Sch. über seine Tat.

Zeuge Günther D.
Günther D. büßte den Rand seiner Ohrmuschel ein, weil er sich für Ilona K. verwendete.

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