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Nachruf auf die schwedische Kriminalschriftstellerin Maj Sjöwall (1935- 2020)

von Susanne Rüster



Dem schwedischen Autorenpaar Maj Sjöwall und Per Wahlöö verdanke ich meine Bekanntschaft mit Kriminalliteratur. Anfang der Achtziger las ich 'Die Tote im Götakanal'. Ich war gebannt von dem intelligent, logisch und solide gebauten Krimi um eine ermordete, unbekannte Frau, deren Leiche aus dem Schlamm eines Schleusenbeckens geborgen wird und deren Geschichte sich in akribischen Ermittlungen nach und nach erhellt.

'Die Tote im Götakanal' war der erste Roman einer Serie (Untertitel: 'Roman über ein Verbrechen') von insgesamt zehn, in den Jahren 1965 – 1975 erschienenen Polizeikrimis um den schwedischen Kommissar Martin Beck, die zu Welterfolgen wurden.

Maj Sjöwall und ihr Ehemann und Coautor Per Wahlöö gelten als 'Eltern' oder auch 'Paten' des modernen sozial- und gesellschaftskritischen skandinavischen Kriminalromans. Am Vorbild der Polizeikrimis des US-Amerikaners Ed McBain, teilweise von Maj Wahlöö ins Schwedische übersetzt, ließen die Autoren im Zyklus um Kommissar Martin Beck ihre kritische Sichtweise auf verschiedene Institutionen und Strukturen der schwedischen Gesellschaft erkennen.

Das war neu, denn damals dominierten in der europäischen Kriminalliteratur fiktive Rätselkrimis ohne Bezug zur Wirklichkeit. Die bekennenden Marxisten Sjöwall und Wahlöö brachen mit dieser Tradition, blickten genau hin, engagierten sich und schrieben über politische und soziale Ungerechtigkeiten und menschliche Abgründe mit kritischer Schärfe und großer Sprachkraft. Ihre spannenden Kriminalgeschichten mit den sehr individuellen, lebendigen Porträts von Menschen aller Schichten und in allen Lebenslagen wirken auch heute kaum gealtert.

Zwölf Jahre schrieb das Autorenpaar an den  zehn Krimis um Kommissar Martin Beck, bis Per Wahlöö 1975 im Alter von 49 Jahren an seiner Krebserkrankung verstarb. Maj Sjöwall führte die Tradition der Beck-Krimis nicht weiter fort; sie übersetzte bis ins hohe Alter Kriminalliteratur, z.B. von Anne Holt und von Robert B. Parker.

Sjöwall/Wahlöö haben weltweit bis heute zahlreiche Nachfolger*innen. So führte der weltbekannte Autor Henning Mankell mit seinem Polizisten aus Ystad Kurt Wallander die Tradition des sozialkritischen Polizeikrimis fort (Mankell über die Martin-Beck-Reihe: 'Eine der Serien, die mich am meisten inspiriert hat. (...) Sie verändert das Genre. Wer nach diesen Romanen Krimis schreibt, ist auf die eine oder andere Weise von ihnen inspiriert').

Die Bücher von Maj Sjöwall und Per Wahlöö wurden in viele Sprachen übersetzt, für Kino und Fernsehen verfilmt, als Hörspiele bearbeitet und gewannen zahlreiche Preise (u.a. den Edgar-Allan-Poe-Preis für 'Alarm in Sköldgatan'). Der Rowohlt-Verlag hat vor einigen Jahren alle zehn Bände der Beck-Reihe neu übersetzen lassen und mit Vorworten bekannter Autoren der Spannungsliteratur neu publiziert.

'Die Tote im Götakanal' habe ich nach etwa 35 Jahren nochmals gelesen. Auch wenn sich die Realität stark verändert hat (damals telefonierte man unterwegs aus Telefonzellen, es gab kaum Einwanderer und keine Flüchtlinge, bei der Ein- und Ausreise wurde der Ausweis verlangt) liest sich die sehr spannende Geschichte um die Aufklärung eines Mordes an einer Frau, die niemand vermisst, nach wie vor modern, leicht und flüssig und hat kein bisschen Staub angesetzt.

Für die packende Darstellung eines religiös motivierten Sexualmordes genügen den Autoren Maj Sjöwall und Per Wahlöö wenige Worte:  Der Anfang: Die Leiche wurde am 8. Juli herausgezogen, am Nachmittag kurz nach drei Uhr. Sie war einigermaßen unversehrt und konnte noch nicht lange im Wasser gelegen haben. Dass man sie überhaupt fand, war Zufall. Dass man sie so schnell fand, war Glück und hätte die polizeilichen Ermittlungen eigentlich begünstigen müssen.

Die ersten Ermittlungen: "Wir müssen eine Obduktion beantragen", sagte der Arzt.
"Wurde sie erwürgt?"
"Glaube schon."
"Vergewaltigt?"
"Glaube schon." Der Arzt machte eine Pause. Dann sagte er: "Und zwar ziemlich brutal."
Das war's. 'Viel Glück bei der Aufklärung', Kommissar Martin Beck, ''lycka till!'

Die zehn Krimis um Kommissar Martin Beck von Maj Sjöwall und Per Wahlöö:
(1965) Die Tote im Götakanal
(1966) Der Mann, der sich in Luft auflöste
(1967) Der Mann auf dem Balkon
(1968) Endstation für neun
(1969) Alarm in Sköldgatan
(1970) Und die Großen lässt man laufen
(1971) Das Ekel aus Säffle
(1972) Verschlossen und verriegelt
(1974) Der Polizistenmörder
(1975) Die Terroristen.


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