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krimirezensionen ab 2003
Regina Stürickow
"Berlin - Kriminalfälle 1914-1933" Militzke 2004 ISBN 3-86189-708-3
14,80 €
Tatort Berlin
von Barbara Keller
Die sprichwörtlichen Berliner Zwanziger
Jahre. Regina Stürickow hat sie unter die Lupe genommen unter dem Gesichtspunkt
der Rechtspflege, dem Thema Mord. Mindestens 20 Mordfälle recherchierte die
Autorin, deren Details sie den Original-Ermittlungsakten, heute im Landesarchiv,
entnahm. Den zeitlichen Rahmen setzte die Reichsstatistik für Kriminalität
der Jahre 1914 bis 1927 - ergänzt um die privaten Rechercheergebnisse (gesammelte
Zeitungsartikel) des Kriminalschriftstellers Hans Hyan.
Nach "Berlin
- Kriminalfälle 1914-1933" kam 1930 mindestens jeden zweiten Tag ein
Berliner durch die Hand eines Mörders zu Tode. Tendenz steigend. 1927 gab
es 64 zum Tode verurteilte Mörder. Und das bei einer Stadt mit circa 4 Mio.
Einwohnern und einer Arbeitslosenquote von 440.000 im Jahre 1930. Ein Vergleich
zu heute: Im Jahr 2001 gibt die Berliner Kriminalstatistik gerade einmal 58 Morde
her (davon 50 aufgeklärt). Das wiederum in einer Metropole von 3,4 Mio. Einwohnern
und einer Arbeitslosenzahl von 307.347 (März 2004). Das heißt, bei
gleicher Arbeitslosenrate passiert heute gerade mal an jedem sechsten Tag ein
Mord. - Mord definiert heute nach dem strengen Paragraph 211. - Denn gewaltsam
zu Tode kommt in Berlin derzeit (die fahrlässigen und vorsätzlichen
Tötungen eingerechnet) immerhin jeden zweiten Tag ein Mensch. Aber Schluss
mit der Zahlenspielerei. Denn was sagt das schon? Regina Stürickow jedenfalls
gibt mit ihrem Buch neben einer spannenden Topografie des Verbrechens die historischen
Beispiele, die das kriminelle Ambiente des Berlins der Zwanziger Jahre plastisch
machen. Sie beschreibt neben den "chronischen" Tatorten rund um
Alexanderplatz, Stettiner Bahnhof, Schlesischen Bahnhof und Bülowbogen auch
das "gehobene" kriminelle Milieu am Kurfürstendamm. Zu den Mordopfern
zählen in der Regel Prostituierte, Frauen und Kinder. Lust- ,Serien- und
Muttermord gibt es ebenso wie einen bestellten Rachemord an einem betrügerischen
Schwarzhändler. Nicht alle von Regina Stürickow erzählten Morde
werden aufgeklärt. Und manch Tatverdächtiger scheint zu Unrecht verurteilt.
Spannend ist die Arbeitsweise der Kriminalkommissare, darunter die des bekannten
Kommissars Dr. Ludwig Werneburg und die des zur Legende gewordenen Ermittlers
Ernst Gennat. Interessant sind auch die unter seinerzeit geltendem Recht gesprochenen
Urteile und die Voraussetzungen, die eine Verfahrensaufnahme seitens der Staatsanwaltschaft
bedingten. Ernst Gennat war es übrigens, der im Juni 1926 von der Breslauer
Staatsanwaltschaft angefordert wird, weil ein Doppelmord die dortigen Behörden
überfordert. - Der entsetzliche Mord an den Geschwistern Fehse, der das Volksgemüt
erschüttert. Als Gennat allerdings in Breslau auftaucht, ist die Spur schon
kalt. Und dem Kriminalkommissar fehlen die ortsüblichen Kontakte zum Milieu,
wie er sie in Berlin pflegt. Dennoch gibt es einige Tatverdächtige. Regina
Stürickows Buch kann auch als Führer durch die genannten Berliner Lokalplätze
gelesen werden, die als kriminelles Milieu schon in den Zwanziger Jahren legendär
waren. Das beigebrachte Bildmaterial - ebenfalls aus dem Landesarchiv - trägt
einiges zur Visualisierung der Tatorte bei. Regina Stürickow,
Dr. phil. Geboren in Berlin. Studium der Slawistik und Osteuropäische Geschichte
an der Freien Universität Berlin sowie Französisch als Fremdsprache
in Paris. Arbeit beim Sender Freies Berlin. Veröffentlichungen: "Der
Insulaner verliert die Ruhe nicht" (1993), "Der Kommissar vom Alexanderplatz"
(1998), "Paris mörderisch". - Ein kriminalhistorischer Führer
mit Straße und Hausnummer (1999) und "Habgier", ein historischer
Kriminalroman (2003). Regina Stürickow lebt als freie Autorin in Berlin und
Paris.
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