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Sobo Swobodnik
"Oktoberfest"
DTV September 2005
ISBN: 3-423-24476-3
14,00 €

Das wird schon

von Barbara Keller


Gerade noch saß Paul Plotek, beschäftigungsloser Schauspieler a. D., in seiner Lieblingskneipe "Froh und Munter" und beobachtete zufrieden den knisternden Bierschaum in seinem Glas. Nun zieht er, von der hübschen Bedienung Thea überredet, als Kellner auf der Münchener 'Wiesn' zu arbeiten, hinter den leeren Hähnchen-Pappkartons im Lager eine der dahinter liegenden vier kalten Händen hervor. Wäre er bloß zu Hause geblieben.

Das kann zwar nicht verlangt aber schon erwartet werden: dass ein weltweit berühmt berüchtigtes, deutsches Volksfest auch in einem anderen Bundesland zumindest einmal zu Ohren gekommen ist. Während aber die Münchener "Wiesn", ein Oktoberfest, angeblich jährlich Bierfreunde der ganzen Welt in Scharen anlockt, fragt zum Beispiel der Berliner: "Hä? 'Wiesn'? Was ist denn das?".

Zum Glück hat Sobo Swobodnik jetzt eine Art Anti-Wiesnführer für den Krimifreund verfasst. Vielleicht wollte der ortskundige Autor, der in der Zwischenzeit in Berlin lebt und arbeitet, alle Unwissenden schon einmal vorwarnen: 'Die Wiesn, um Gottes Willen! Tut euch das nicht an!' Und wegen der Nachhaltigkeit platzierte Swobodnik gleich mal ein paar Leichen auf die Wiesn. Direkt neben die unvermeidlichen Bierlachen, den Müll und die dem völlig entfesselten Volksfest entfallenden menschlichen Exkremente aller Couleur.

Aber Biertrinker kann man, abgesehen von einem Wiesn-Bierpreis von sieben Euro den halben Liter, ja von nichts abhalten. Auch den dickschädeligen Paul Plotek nicht, dessen minimalistischer Daseinsstil praktisch um ein Maß Weißbier und die Stammkneipe "Froh und Munter" kreist. Und auch der Leser von "Oktoberfest" öffnet sich in aller Gemütsruhe erst einmal ein "Berliner Pilsner", bevor er teils betroffen, teils amüsiert weiterliest.

Auf Plotek, ein hypochondrischer Mann in mittleren Jahren, ungepflegt, mit fettigen Haaren, Bierbauch, kommen die Dinge in der Regel zu. Der Ex-Schauspieler sitzt da, vor seiner Molle Bier, und dann passiert etwas - oder auch nicht. Eine Frau spricht ihn (seltsamerweise) an oder ein Job wird ihm angetragen.

Da Plotek ökonomisch und emotional gerade ein Tief durchleidet, nimmt er zumindest letzteren auch an, den Job als Kellner auf der Wiesn. Unerwartet wohl fühlt er sich im Team mit Konny, Schorsch und besonders mit der schönen Thea aus Estland. Doch dann findet Plotek hinter den leeren Hühnchen-Pappkartons im Lager ein totes Rentnerpärchen. Beide mit einer russischen Uhr am Handgelenk und einem Lebkuchenherz mit der Aufschrift "Glückliches Ende" um den Hals.

Am anderen Tag ist von den Leichen, aber auch von Thea, keine Spur. Die Wiesn werden für Plotek nicht nur in den nun folgenden Nächten zu einem einzigartigen Albtraum. Einem Albtraum, in dem er sich wiederholt als totes Brathähnchen, mumifizierter Lenin oder Stalin am Spieß drehen muss. Wider Willen gerät der genügsame Weißbiertrinker in eine ominöse Mord- und Betrugsgeschichte und schließlich für die Kripo zum Hauptverdächtigen.

Amüsanter Münchener Milieuthriller mit einigem Berliner Retroschick.


"Sobo Swobodnik, geboren 1966 auf der Schwäbischen Alb, arbeitete bis 2000 als Rundfunkredakteur bei verschiedenen Hörfunkanstalten und als Theaterregisseur. Er ist Autor zahlreicher Kinder- und Jugendromane, hat außerdem Erzählungen veröffentlicht sowie zwei Romane, darunter 2002 den ersten Paul-Plotek-Roman, ›Altötting‹, der bereits 1999 mit dem Pfefferbeißer-Literaturpreis des Theaters im Schlachthof, München, ausgezeichnet und 2002 für den Friedrich-Glauser-Preis für das beste Krimidebüt nominiert wurde. Er lebt und arbeitet in Berlin. (... sagt der DTV Verlag)



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