Das ging schnell. Am 3. September 2007 die Tat, ein halbes Jahr später schon der Prozess. Noch immer ist der Name des vor einem halben Jahr gewaltsam zu Tode gekommenen Lutz F. am Klingelbrett seines ehemaligen Wohnhauses am Paul-Lincke-Ufer zu lesen. Aus dem Briefkasten des Verstorbenen, im rechten Seitenflügel des Hinterhauses, quellen Post und Werbung.
Hier am Paul-Lincke-Ufer hat Lutz F., von dem es heißt, dass er von einer kleinen Erbschaft lebte, seit 1987 gewohnt. "Wunderlich aber liebenswürdig", so die Nachbarschaft, sei Lutz F. gewesen. Der alte Herr war eine Kiezerscheinung hier an der Flaniermeile für Müßiggänger, direkt vor den Toren Neuköllns. Entweder war der passionierte Sammler allerlei Krams mit seinem roten Peugeot-Motorroller oder seinem Rad samt Anhänger unterwegs.
Wie und wann Lutz F. die beiden serbisch gebürtigen Brüder Jozef und Nedeljko St. kennenlernte, ist bislang ungewiss. Fest steht, dass man am Montag, dem 3. September 2007 gemeinsam mit dem Auto unterwegs war. Lutz F. und die Brüder St., die hofften, ihr Auto an diesem sonnigen Herbsttag auf der
Kottbusser Brücke, einem illegalen Automarkt, losschlagen zu können.
Was am Abend dieses Tages geschah, ist derzeit Gegenstand eines Mordprozesses vor der 40. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Jozef und Nedeljko St. wie zuvor geplant Lutz F. an diesem Abend kaltblütig ermordeten, um ihn auszurauben.
Laut Anklage sollen die Brüder den Rentier angegriffen, einen heftigen Schlag auf den Kopf verpasst, mit einem Werkzeug Stichverletzungen an Kopf und Ohr beigebracht und auf den sich heftig wehrenden sowie lautstark um Hilfe rufenden Mann eingeschlagen haben. Schließlich, so die Anklage, hätte sich einer der Brüder auf Lutz F. gesetzt und ihn eiskalt erwürgt.
Acht Tage später wendet sich Carola R., die ehemalige Lebenspartnerin des Opfers, an die Polizei. Es kommt ihr komisch vor, dass Lutz F. sich nach einem Telefonat mit ihrer Tochter am 3. November 2007 nicht mehr meldet.
Am 11. November 2007 öffnet die Polizei wegen des Verdachts auf einen Unglücksfall die Wohnung von Lutz F. mit einer Geldkartenhülle. Sie findet Lutz F. tot in seinem Bett im Schlafzimmer. Verletzungen am Kopf des Toten und die am Boden verstreuten, leeren Schaukästen für Münzen und Geldkassetten lassen die Polizeibeamten auf ein Tötungsverbrechen schließen.
Indessen sind am Tatort weder DNA-Spuren des Täters noch irgendwie geartete Belege eines geselligen Zusammenseins mit Dritten auszumachen. Doch dann tauchen Gegenstände des Raubgutes auf, die Nedeljko St., wie er sagt, auf Geheiß seines Bruders verkauft.
Und nicht viel später erhält Nedeljko St. von seiner Tochter die niederschmetternde Nachricht: "Papa, die Polizei hat angerufen. Sie kommen in einer halben Stunde." Bei einer Hausdurchsuchung bei Jozef St. finden die Kriminalbeamten schließlich auch eine Vielzahl von Uhren, die Lutz F. gehörten.
Am Freitag, dem 7. März 2008, müssen sich Jozef und Nedeljko St. wegen Mordes vor Gericht verantworten. Jozef St. - ein eher kleiner, schlanker Mann mit kurzem, schwarzem Haar, Dreitagebart, modisch langen, dünnen Koteletten - trägt einen dunklen Anzug, sein schwarzes Hemd offen. Sein kleiner Bruder, Nedeljko St. dagegen - ebenfalls schlank, etwas größer - ist sportlich leger gekleidet, kahlgeschoren, trägt ein weißes Kapuzenshirt.
Glaubt man den Erklärungen und Aussagen der Angeklagten, waren Lutz F. und die beiden Brüder seit langem Freunde. Ob man sich nun in der Sirena Bar kennenlernte oder auf dem Trödel, am 3. November 2007 jedenfalls soll nur Jozef St., der ältere Bruder, mit dem späteren Opfer in dessen Wohnung gegangen sein. Man trank, tanzte und Lutz F. wurde schließlich, in ein Kleid gewandet, aufdringlich. Sagt der Ältere der Brüder Joszef St., der sich, wie er erklärt, an mehr nicht erinnern kann.
Als sein kleiner Bruder Nedeljko St. am Tag der Hauptverhandlung schildert, wie er Stunden später dazukam und entsetzt ausrief: "Mein Gott, was hast du gemacht?!", bricht Jozef St. in Tränen aus. "Irgendwie anders" sei sein Bruder gewesen, mit dem man eigentlich nie reden konnte, weil er immer laute Musik hörte, Tabletten nahm und "so weißes Zeugs" trank. Und dann hätte Nedeljko St. auch Angst vor seinem großen Bruder verspürt, der ihm unheimlich erschien.
In Klartext entwerfen die Brüder Jozef und Nedeljko St. eine Variante des
Totschlags mit einer Komponente der verminderten Schuldfähigkeit. Die klingt in Anbetracht zahlreicher Widersprüche, mit Verlaub, bislang etwas fadenscheinig. - Weiteres wird die Beweisaufnahme bringen.