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Gerichtsreportagen


Er kam um die Ecke und lächelte


von von Barbara Keller

2.12.2011, Moabiter Kriminalgericht, 40. Große Strafkammer
Im Mordprozess um die im April dieses Jahres getötete Pilar Valadié ist die Beweisaufnahme so gut wie abgeschlossen. Die Indizien sprechen gegen den Angeklagten, der Tathergang und die Motivlage bleiben spekulativ. Der aus dem Senegal gebürtige Oumar G. (29), der sich angeblich von seiner Stiefmutter verhext sieht und seinen Lebensunterhalt als Drogendealer an der Skalitzer Straße (Kreuzberg) bestritt, schweigt bislang zu den Tatvorwürfen. Der Prozess könnte nach einem weiteren Termin mit vielen offenen Fragen zu Ende gehen.
Prozessauftakt 22.11.201 / Hauptseite...


Oumar G., soviel darf den Zeugenaussagen entnommen werden, führte in den wenigen Monaten seines Berliner Aufenthaltes ein recht buntes Dasein. In den Nächten dealte der Angeklagte in den Seitenstraßen zwischen Kottbusser Tor und Schlesischem Tor mit Marihuana und Speed, vielleicht auch mit Kokain. Meist fand man Oumar G. an einem türkischen Spätkauf am Schlesischen Tor an einer Flasche Bier.

Eine eigene Bettstatt hielt sich Oumar G., trotz guter Einkunftslage, nicht. Meist genügte ein kleines Blitzen aus seinen dunklen Augen, die Andeutung eines Lächelns des als bescheiden und charismatisch beschriebenes Mannes aus dem Senegal, um sich in die Herzen einsamer Seelen und deren Wohnung zu beamen.

Ich wollte ihn retten

So 'verfiel' auch die Kreuzberger 'Lebenskünstlerin' Nadja W. (29) Ende des Sommers 2010 ad hoc Oumar G. "Ich wollte ihn retten", erklärte sie vor Gericht. Die sich offen zu ihrer Marihuana-Sucht bekennende, schwierige, hagere Blondine wohnte ganze zwei Wochen mit dem Angeklagten zusammen. Nach einem Monat Honeymoon schmiss sie Oumar G. wieder raus. Er kam aus dem Bett kaum noch heraus und dröhnte sich mit Speed voll, so die Zeugin,.

"Ich bin emotional behindert", stellte sich Nadja W. dem Gericht vor. Was man ihr erzählt, das glaube sie auch. Sie habe keinen Zweifel daran, dass Oumar G. seinen Lebensunterhalt mit Dealen verdiente. 'Wahnsinnig viel Geld', 700 bis 800 Euro pro Nacht. Das Geld soll Oumar G. zwischen den Händen zerronnen sein. Drogen, Alkohol, Freigebigkeit. Einen Großteil habe der Angeklagte auch in Spielotheken gelassen.

Nadja W. schwärmt noch immer für den Angeklagten. Der studiert erst betreten den Fußbodenbelag des Gerichtssaals, dann wendet er seine feuchten Augen der schweren Kassettendecke zu. Sie sagt: "Er hatte eine sehr fröhliche Aura." Sie spricht dem jungen Senegalesen rundweg die Fähigkeit ab, einen Mord zu begehen. Drei Monate vor der zur Rede stehenden Tat sei es zwischen der Zeugin und Oumar G. zu einer tätliche Auseinandersetzung gekommen. Man habe sich gegenseitig die Kante gegeben. Nadja W. erklärt:"Er hatte mich ja an der Kehle." Aber wehtun, nein, das wollte er ihr nicht.

Blitzbekanntschaft im Schlesischen Busch

Auch Johannes T. (50), Straßenbahnfahrer der Berliner Verkehrsbetriebe, ist so eine Blitzbekanntschaft des heute Angeklagten. Ende März, zwei Wochen vor dem mutmaßlichen Mord an Pilar Valadié, lernt der Zeuge Oumar G. im Schlesischen Busch, auf dem ehemaligen Grenzstreifen gegenüber der Lohmühleninsel, kennen. "Er kam um die Ecke, hat gelächelt. So kamen wir ins Gespräch", erzählt Johannes T. Vielleicht kam der Zeuge mit dem Angeklagten, der sich über eine Website als Homosexueller prostituiert haben soll, zuvor aber auch schon über das Internet in Kontakt.

Jedenfalls nimmt der 'gut angetrunkene' Johannes T. den attraktiven Senegalesen mit nach Hause. Die Bekanntschaft mündet in einen One-Night-Stand. Auch in Johannes T. klingen fürsorgliche Instinkte an. "Er steckte offenbar in Schwierigkeiten", berichtet der Zeuge dem Gericht. 200 Euro gab er dem Angeklagten, die dieser angeblich zum Begleichen offener Mietschulden benötigte.

Fünf Mal trafen sich Oumar G. und Johannes T., den der Angeklagte als 'Hubert' in seinem Handy abspeicherte. Sie unternahmen eine Radtour, trafen sich in einem Lokal am Landwehrkanal, saßen bei einem Fußball-Bier und auch am Stamm-Spätkauf des Senegalesen am Schlesischen Tor. Die Rechnungen beglich ausnahmslos Johannes T.

Liebesnest in der Mordwohnung

Peter St. ist einigermaßen angefressen, als er am 25. April 2011 von seinem Osterausflug nach Berlin zurückkehrt. Er hat Oumar G. seine Wohnung in der Taborstraße 3 für eine Woche, zehn Euro die Nacht, überlassen. Oumar G. hat gesagt: "Wenn du zurückkommst, habe ich die Wäsche gewaschen." Ausgemacht war, dass Oumar G. bereits am Sonntag die Wohnung verlässt.

Jetzt ist es Montag Nacht. Peter St. trifft Oumar G. am Spätkauf am Schlesischen Tor. Der steht stotternd vor ihm. Die Peinlichkeit ist groß. Oumar G. hat eine Frau in seiner Wohnung. Für Peter St. ist deutlich eine Grenze überschritten. Er beginnt, an dem Angeklagten, den er eigentlich für vertrauenswürdig hält, zu zweifeln. Er sagt über ihn: "Ich hatte den Eindruck, dass er eigentlich ein sehr fröhlicher Mensch ist."

"Das war nicht vereinbart", wirft Peter St. dem Senegalesen in jener Nacht vor. Er begleitet ihn zu seiner Wohnung in die Taborstraße und wartet etwa zehn Minuten. Dann entlässt er das Paar in die Nacht. In seiner Wohnung, in der eine Woche zuvor Pilar Valadié verzweifelt um ihr Leben kämpfte, sind alle Spuren verwischt. Peter St. erklärt: "Es roch stark nach Parfüm."

Darauf möchte ich nicht antworten

Nimmt man alle Indizien zusammen, spricht bislang vieles gegen Oumar G. So zum Beispiel zahlreiche DNA- und Faserspuren. DNA-Spuren des Angeklagten an dem Spannbettlaken, in das Pilar Valadié gehüllt und zum Landwehrkanal geschleift wurde. Blutspuren der Getöteten an seiner Cordhose. Auch das Nokia Handy des Opfers, das Oumar G. mit seiner SIM-Card betrieb und die Faserspuren an der Leichenverpackung der bereits genannten Cordhose. Ein Zeuge, der einen 'Schwarzafrikaner' beim beschwerlichen Transport eines verdächtigen Sackes zum Landwehrkanal beobachtete ebenso wie die Geldnöte, in denen sich der Angeklagte zur Tatzeit offenbar befand.

Last but not Least auch die plötzliche Zurückhaltung des älteren Bruders des Angeklagten, befragt nach dessen Schuld. Der erschütterte Mann hatte am zweiten Prozesstag eine flammende Rede für Oumar G. gehalten. "Gehen Sie davon aus, dass Oumar die Tat begangen hat?" fragt ihn der Vorsitzende Richter. "Das überlasse ich dem Gericht. Das weiß nur das Opfer", antwortet Saliou G. Er ergänzt: "Wir haben darüber geredet." Der Richter hakt nach: "Hat er Ihnen gesagt, ob er die Tat begangen hat?" "Darauf möchte ich nicht antworten", zieht sich darauf Saliou G. zurück. Was soll, fragt sich, den ansonsten beredten Zeugen davon zurückgehalten haben, die Unschuld des ihm nahe sehr stehenden Bruders zu beteuern?

Der Prozess wird am Freitag, dem 9. Dezember 2011, 9:15, im Saal 704 fortgesetzt. Vorgesehen ist die Aussage der psychiatrischen Sachverständigen. Oumar G. soll zuvor noch einmal die Gelegenheit zu einer Einlassung gegeben werden. Die Plädoyers werden für den darauf folgenden Termin erwartet.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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