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Gerichtsreportagen


Wenn das Telefon klingelt...


von von Barbara Keller

Sie wären sich besser nie begegnet. Der tadellose Rolf W. (70) aus Magdeburg und die rigorose Berlinerin Regina Sch. (72). Über eine Erbschaftssache geriet man vor acht Jahren über Kreuz. Ersterer verdächtigte die ehemalige Reiseunternehmerin und Verlegerin, seinen angeheirateten, hochbetagten Schwiegervater systematisch zur Ader gelassen, schließlich blank gemacht zu haben. Seit Sommer 2008 musste sich Rolf W. wegen Bedrohung vor dem Berliner Gericht verantworten...
berlinkriminell.de berichtete...

Regina Sch. konterte mit Schnellschüssen aus der Hüfte: Sie warf dem Ex-Chef des Roten Kreuzes, Magdeburg, vor, die Fondsgeschäfte des eigenwilligen, zuletzt 103-jährigen Herren nicht korrekt geführt zu haben. Rolf W. sei ein ehemaliger Stasimitarbeiter, pflege noch immer dubiose Seilschaften.

Dies wäre besser nicht geschehen. Der bislang unbescholtene Mann, dessen Kinder es in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts als Staatsanwalt und Richterin zu etwas gebracht haben und der heute als Finanzdienstleister arbeitet, legte in Sachen Regina Sch. fortan den Finger auf jede Wunde, die sich ihm bot.

Gegenseitige Anzeigen wegen falscher Behauptungen, übler Nachrede folgten und beschäftigen nun seit Jahren die Magdeburger und auch Berliner Gerichte. Seit Sommer 2008 ist Rolf W. vor dem Kriminalgericht Moabit angeklagt, Regina Sch. mit Drohanrufen bedrängt zu haben. Anfangs war sogar von Morddrohungen die Rede. Zuletzt ging es nur noch um drei Anrufe.

"Du wirst sterben! Ich bringe dich um!", soll es in einem Telefonat vor vier Jahren geheißen haben, in dem im Hintergrund vorgeblich auch ein Lachsack tönte. In einem anderen Anruf, vierzehn Tage später: "Ich bringe dich um!" "Du bist fällig!" Rolf W. widersprach den Tatvorwürfen. 2008 befand eine Berliner Strafkammer Rolf W. für schuldig. Jetzt hat sich das Blatt für den erzürnten Magdeburger, der wiederholt Rechtsmittel einlegte, gewendet.

Denn die Beweisführung für die in Rede stehenden drei Telefonate ist problematisch. Die Zeugin gibt an, unverzüglich aufgelegt zu haben, sobald sie den Angeklagten auf der Leitung wähnte. "Woher wissen Sie denn, dass Herr Wagner jedes Mal am Telefon war?" fragte der Vorsitzende Richter die Zeugin Regina Sch. in der Verhandlung am 30. August 2011. "Herr Richter", antwortete diese entnervt, "wenn Sie jahrelang gestalkt werden, dann legen Sie einfach nur noch auf!" Der Richter insistierte: "Es geht doch darum, ob das wirklich so passiert ist." "Warum sollte ich lügen?" erklärte darauf Regina Sch., Der Richter erwidert: "Genauso könnte man fragen, warum sollte der Angeklagte lügen?"

Grund zum Zweifel an den Einlassungen der einzigen Zeugin des Tages gibt ihre strafrechtliche Vorbelastung. Regina Sch. wurde bereits mehrfach wegen Eigentumsdelikten verurteilt. Seit dem 9. Juli 2003 ist eine mehrjährige Haftstrafe wegen Betruges gegen die Zeugin rechtskräftig. Seit acht Jahren arbeitet Regina Sch. an einer Begnadigung gegen die Vollstreckung des Urteils.

Von einer Einsicht in ihre Schuld ist Regina Sch. weit entfernt. "Sind denn die Vorwürfe richtig?" fragt der Vorsitzende Richter. "Nein", erwidert die Zeugin und beginnt mit einer eigenwilligen Interpretation der Tatsachen. Auch eine Beleidigungsklage aus 2009 ist in der Zwischenzeit gegen Regina Sch. rechtskräftig. Aber auch die relativiert sie rhetorisch und erkennt sie im Geiste nicht an.

Nach einer kurzen Beratungspause gibt der Richter zu Protokoll, Gericht und Staatsanwaltschaft seien zu der Auffassung gelangt, dass ein Tatnachweis voraussichtlich nicht zu führen sei. Dann ist der Prozess schnell zu Ende. "Nicht immer wenn's klingelt, ist Rolf W. dran", erklärt Rechtsanwalt Dieter-J. Schulze sichtlich erleichtert in seinem Plädoyer. Im August 2008 hatte der Rechtsanwalt noch befürchtet: "Ich sehe meinen Mandanten, Herrn W., bereits im Gefängnis." Der Verteidiger beantragte einen Freispruch und die Aufhebung des Aktenzeichens. Die Staatsanwaltschaft, die Regina Sch. als Zeugin nicht für überzeugend hielt, beantragte einen Freispruch, dem der Richter schließlich folgte.

"Das ist ja unglaublich!" ließ sich Regina Sch. aus dem Zuschauerraum vernehmen. Während der Richter erklärte: "Sie haben noch nicht verinnerlicht, worum es hier geht." Dann richtete der Vorsitzende noch ein kritisches Wort an Rolf W.: "Was Ihnen vorgeworfen wird, ist 'denkbar'. Wir sind jedenfalls überzeugt, dass Sie Frau Sch. das Leben schwer machen." Denkbar sei auch, dass Rolf W., wenn er so weiter macht, die Grenze des Erlaubten überschreitet. "Sprechen Sie mit Ihrem Anwalt über Ihre weitere Lebensgestaltung", empfiehlt er dem Magdeburger.

Während Rolf W. nach Prozessende auf dem Flur des Gerichts sichtlich den Freispruch, drei Jahre nach Klageerhebung, genießt, schimpft Regina Sch. laut vor sich hin: "Jetzt kommt er wieder davon!" Rechtsmittel kann sie gegen das Urteil jedoch nicht mehr einlegen, da sie in diesem Verfahren als Nebenklägerin vom Gericht abgelehnt wurde. Wenn Regina Sch. Pech hat, kommt jetzt eine Klage wegen falscher uneidlicher Aussage auf sie zu.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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