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aus dem moabiter kriminalgericht


"Da schmeckt die ganze Suppe nicht!"


von Barbara Keller

3. Aug. 2005. Moabiter Kriminalgericht, 36. Große Strafkammer.
Am Mittwoch, dem 3. August, wurden mit Spannung die Stellungnahmen der Ex-Bankmanager der Berliner Bankgesellschaft zu den Vorwürfen der Untreue im Zusammenhang mit den AUBIS-Krediten erwartet. Den Angeklagten der Berliner Bankgesellschaft wirft die Staatsanwaltschaft vor, den unerfahrenen AUBIS-Chefs Klaus Wienhold und Christian Neuling unrechtmäßig zu hohe Darlehen gewährt zu haben.
Die Rechtsanwälte der Angeklagten jedoch drehten den Spieß jetzt einfach um: Sie bezweifeln die Unabhängigkeit des Gerichts, indem sie dessen Aufstellung als von der Staatsanwaltschaft beeinflusst kritisieren. Rechtsanwalt Stefan König (für Ex-Berlin-Hyp-Vorstand Gerd-Ulrich Blümel) beispielsweise fordert in seinen Beweisanträgen die Anhörung des Landgerichtspräsidenten und des Oberstaatsanwaltes, denen er die entscheidenden Fragen vorlegen will: "Wer, wann, mit wem, wo, warum?"

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Noch einmal der Sachverhalt im Schnelldurchlauf: Die ehemaligen CDU-Politiker Klaus Wienhold und Christian Neuling gründen Anfang der 90er die AUBIS-Gesellschaft mit dem Ziel, en masse Ost-Plattenbauten aufzukaufen, um sie nach Sanierung mit Gewinn zu veräußern. Die BerlinHyp, eine Tochter der Berliner Bankgesellschaft, deren Chef CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Landowsky ist, finanziert Mitte der 90er die Aufkäufe und Sanierungen zu 100%.

Dubiose Geschäfte und ein Todesfall

Das AUBIS-Geschäft jedoch gerät in die Krise, die BerlinHyp muss Millionen ihres Kreditengagements abschreiben. Die bar überreichte CDU-Spende der AUBIS-Manager Wienhold und Neuling über 40.000 Mark an Klaus Landowsky bringen 2001 den Berliner Bankenskandal ins Rollen.

Ende September 2001 wird der Informatiker Lars-Oliver Petroll, EDV-Cef der AUBIS, erhängt im Grunewald gefunden. Der Computerfreak, der offenbar hofft, aus dem hochbrisanten Material, das er heimlich sichert, Kapital zu schlagen, ist Kronzeuge der Ermittlungsbehörde. Bis heute firmiert der Tod des lebenslustigen jungen Mannes offiziell als Selbstmord. Dreizehn Angeklagte, 23 Rechtsanwälte. - Bereits der erste Beweisantrag, gestellt von der Anklagebank Manfred Bodin (Ex-Vorstandschef der NordLB), droht das Verfahren im Keim zu ersticken. Er betrifft die Rechtmäßigkeit des Gerichts, der 36. Großen Strafkammer, unter Vorsitz des Richters Josef Hoch.

Der Vorwurf und Verdacht: die Staatsanwaltschaft, sprich die Ermittlungsbehörde, hätte maßgeblich Einfluss auf das Zustandekommen des Gerichts genommen. Das aber verstoße gegen §22 der StPO als auch gegen das Grundgesetz.

Tatsächlich wäre die 19. Wirtschaftsstrafkammer turnusmäßig und in Abhängigkeit nach Anfangsbuchstaben der Namen der Angeklagten für das Verfahren zuständig gewesen. Das Landgericht jedoch hatte mit Überlastung der Kammer argumentiert und eigens für dieses Verfahren die 36. Kammer geschaffen.

Ungeliebte Strafkammern

Auch Rechtsanwalt Robert Unger, für Ex-Kreditabteilungsleiter Hans-Dieter K., argwöhnt Einflussnahme der Staatsanwaltschaft und wirft ein: "Es ist doch gerichtsbekannt, dass die Staatsanwaltschaft mit der 19. Strafkammer mehr als unglücklich ist!"

Tatsächlich hatte die 19. Strafkammer in einem ähnlich gelagerten Fall den früheren Chef der Berliner Volksbank Ulrich Misgeld freigesprochen (Urteil im Mai 2005 vom Bundesgerichtshof bestätigt). Nun fordern die Rechtsbeistände der Angeklagten zu prüfen, ob das Zustandekommen der 36. Strafkammer makelfrei ist.

"Wer, wann, mit wem, wo, warum?"

Rechtsanwalt Stefan König fordert hierzu Landgerichtspräsident Peter-Joachim von Drenkmann und Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher zu hören, die er mit den entscheidenden Fragen konfrontieren will: "Wer, wann, mit wem, wo, warum?"

Ob und wann diese Fragen auch einmal den Angeklagten gestellt werden kann, ist damit fraglich. Mit dem vorliegenden Antrag der Anklagebank ist jedenfalls erst einmal geschickt ein Revisionsgrund in spe vorbereitet. Denn wird der Vorsitzende Richter Josef Hoch am 12. August 05, dem nächsten Prozesstermin, die Zuständigkeit seiner Kammer bestätigen, wird das der Faden sein, an dem sich Revisionsanträge knüpfen lassen.

Mit diesem Prozessauftakt wird deutlich, dass mit einer schnellen Abwicklung des Verfahrens nicht zu rechnen ist. Entnervt und gern stimmt man deshalb schon jetzt Rechtsanwalt Stefan König zu, der, wenn auch in einem ganz anderen Sinn, erklärte: "Da stört nicht das Haar in der Suppe, sondern die ganze Suppe schmeckt nicht!"


12. August 2005
Erste Einlassung: Klaus-Rüdiger Landowsky

Auch dieser Prozesstag lebte vor allem in den Pausengesprächen. Noch immer monierten die Rechtsanwälte Stefan König und Robert Unger (für die Angeklagten Ex-BerlinHyp-Vorstand Gerd-Ulrich Blümel und Ex-Kreditabteilungsleiter Hans-Dieter K.) das Zustandekommen und die Zuständigkeit der 36. Großen Strafkammer. Die Mehrzahl der übrigen Verteidiger schloss sich deren Anträgen an.

Nachdem Richter Joseph Hoch die Besetzungsrügen zurückgewiesen hatte, pendelte das Verfahren mühsam zwischen Bedenkpausen und Beweisanträgen. Als schließlich als erwiesen galt, dass die eigentlich zuständige 19. Große Strafkammer im Juni 2003 tatsächlich ein Entlastungsersuchen gestellt hatte, verlegte sich die Verteidigung auf die Frage, warum die Zuständigkeit über die Buchstaben S und P nun auf die 36. und nicht, wie zu erwarten, auf die 5. oder 26. Strafkammer übergegangen sei.

Schließlich kam es doch - und nach einer weiteren Entscheidung des Gerichts über seine Zuständigkeit - zu einer ersten Einlassung. Klaus-Rüdiger Landowsky ließ durch seinen Anwalt Wolfgang Müllenbrock eine Erklärung verlesen, deren Grundtenor lautete: Die Anklage basiere auf einer haltlosen Tatsachenbewertung.

Pflichtverletzungen des BerlinHyp-Chefs Landowsky ließen sich nicht nachweisen. Die gegen Klaus-Rüdiger Landowsky abgeschmetterte Schadensersatzklage seitens der BerlinHyp sei Beleg genug dafür. Und dass die Angeklagten kollektiv gehandelt hätten, müsse erst einmal bewiesen werden. Es handele sich hier, so Wolfgang Müllenbrock, als ein politisch motivierter Versuch, seinen Mandanten wirtschaftlich zu ruinieren.

Ab dem nächsten Prozesstag - 24. August 05 – ist mit den Einlassungen der anderen Angeklagten zu rechnen. Nicht alle werden sich einer direkten Befragung stellen.

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Lesen Sie auch:
- "Berliner CDU akzeptiert 23 000 Euro Strafe für nicht verbuchte Spenden" (Die Welt, 21. 09.2005)
- "Rundum sorglos", (Tagesspiegel, 27.09.2005)



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Vorsitzender Richter Josef Hoch
Josef Hoch, Vorsitzender der 36. Strafkammer, wird am 12. August 05 die Entscheidung über die Zuständigkeit seiner Strafkammer verkünden.

Oberstaatsanwalt Thomas Gritscher
Oberstaatsanwalt Thomas Gritscher wies die Vorwürfe der Einflussnahme zurück und erklärte: "Ich will den Antrag nach Transparenz nicht blockieren und stelle die Entscheidung dem Gericht anheim."

Rechtsanwalt Stefan Knig
Verteidiger Stefan König (li.) (für Ex-Berlin-Hyp-Vorstand Gerd-Ulrich Blümel) sieht in der Aufstellung des Gerichts die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet.

Rechtsanwalt Robert Unger
Rechtsanwalt Robert Unger (re. sein Mandant Ex-Kreditabteilungs-
leiter Hans-Dieter K.): "Es ist gerichtsbekannt, dass die Staatsanwalt-
schaft mit der 19. Strafkammer mehr als unglücklich ist."


Die 36. Strafkammer
Die 36. Strafkammer des Landgerichts Berlin.

Klaus-Rdiger Landowsky mit RA Wolfgang Mllenbrock
Klaus-Rüdiger Landowsky ließ über seinen Rechtsanwalt eine Erklärung verlesen. Wolfgang Müllenbrock (li.):"Mein Mandant hält noch heute seine damaligen Kreditentschei-
dungen für richtig."


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