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aus dem moabiter kriminalgericht


Wer bekam das "ganz große Geld"?


von Barbara Keller

30. Juni 2005. Moabiter Kriminalgericht, 16. Große Strafkammer.
Die Masche ist einfach und wirkungsvoll. Man nehme drei hochpreisige, heruntergekommene Wagen, inszeniere mit ihnen einen Unfall und kassiere die Versicherungen ab. A kollidiere mit B, B ramme C. Die minderwertige Reparatur geschehe in einer eigenen Werkstatt. - Am 30. Juni 2005 stehen fünf Männer im Alter von 28 bis 43 Jahren vor Gericht. Zwei Deutsche, drei Libanesen. Sie sollen diese Art Betrügerei zwei Jahre lang gewerbsmäßig und als Teil einer bundesweit agierenden Bande begangen haben. Die Anklage lautet: gewerbsmäßiger Betrug. Er kann im "besonders schweren Fall" mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden.


Sie wollen alle nur Befehlsempfänger gewesen sein. Moussa B. (43), Türsteher einer Diskothek und Kontakteur - jetzt selbständig mit einem Handyshop. KFZ-Schlosser Jamal N. (34), Automechaniker Hassan A. R. (35), der Maurer Rene B. (33) und der arbeitslose Dreher Michael M. (43). 50 Betrugsfälle werden ihnen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft nennt eine Schadenssumme von mindestens 200.000 €.

Die Fünf sollen zwischen April 1998 und April 2000 in diversen Berliner Stadtbezirken, darunter wiederholt in der Brunnenstraße, Bulgarischen Straße, Ostseestraße, Sonnenallee und am Nordufer "bestellte" Unfälle inszeniert haben, um Versicherungssummen bis zu 53.000 DM abzukassieren. Dabei erhielten der Vermittler 500 DM und die Fahrer der Unfallwagen 1.500 DM Provision.

Jahrelang, so Staatsanwalt Dieter Horstmann, habe die Polizei in dieser Sache ermittelt. Als sie im September 2000 in einer bundesweiten Aktion 48 Hausdurchsuchungen vornimmt, kann sie von 72 Beschuldigten einige dingfest machen und später verurteilen. Auch die fünf Angeklagten gehen den Ermittlern in jenem Herbst ins Netz. Wer jedoch der Kopf der Bande ist, wer "das große Geld" kassierte, ist bisher offen.

Richter Hans Boß hofft am 30. Juni 2005 vergeblich auf einen kurzen Prozessverlauf. Die Angeklagten spekulieren auf eine Bewährungsstrafe und verweigern die Aussage. Wo, wie der vorsitzende Richter Hans Boß wiederholt fragt, "das große Geld" geblieben ist, will keiner der Angeklagten wissen. Denn nicht nur den Rädelsführern drohen hohe Freiheitsstrafen. Lediglich Moussa B., der den Kontakt zu den "Kunden" herstellte, ist geständig und zu einer Aussage bereit.

Deshalb vertagt Richter Boß die Verhandlung auf den 4. Juli und trennt Moussa B. vom Verfahren ab. Der kommt innerhalb kürzester Zeit mit einem milden Urteil davon: ein Jahr und sechs Monate, ausgesetzt auf eine Bewährung von drei Jahren. Das Gericht ist sich klar, so Richter Boß, dass Moussa B. 'mauert', aber mehr als fünf Betrugsfälle sind ihm nicht nachzuweisen. Von seiner Erklärung, die beiden anderen Libanesen und der in Untersuchungshaft sitzende Rene B. seien die Köpfe des zweifelhaften Geschäfts, rückt er ab.

Am Montag, dem 4. Juli, wird eine Erklärung von Rene B. erwartet. Ohne die Mitwirkung der Angeklagten, das ist jetzt schon klar, wird sich der Prozess endlos in die Länge ziehen.

Urteil:
Aufgrund der schlechten Beweislage und der Tatsache, dass alle Angeklagten bisher ohne Vorstrafen sind, erhalten alle Beschuldigten - bis auf Rene Be. - lediglich eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Rene Be. muss jedoch, unter Einbeziehung einer weiteren Straftat, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verbüßen.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Handyshopchef Moussa B. (43) aquirierte als Türsteher einer Diskothek die Kunden für die 'Bestellunfälle'. - Verurteilt zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung.


Automechaniker Hassan A. R. (35) mit seinem Rechtsbeistand: schweigt zu den Vorwürfen.


Auch der arbeitslose Dreher Michael M. (43) möchte sich zu den Vorwürfen der Staatsanwalt-
schaft nicht äußern.


Staatsanwalt Dieter Horstmann: "Es wurde jahrelang ermittelt."


Der vorsitzende Richter Hans Boß: "Es ist fraglich, ob wir aufklären können, wer das 'ganz große Geld' bekam."



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