sitemap
Ukrainekrieg, was tun ... Kanzlei Hoenig
gitter
zur Startseite
Mitfahrgelegenheit, blablacar

aus dem moabiter kriminalgericht


Schicksalsschwerer Schlag


von Barbara Keller

08. April 2005. Amtsgericht Tiergarten. Abt. 247 - Strafrichter.
"Ich halte nichts davon, Exempel zu statuieren. Die Konsequenzen seines Verhaltens aber muss man tragen." - Das sagt der Hamburger Rechtsreferendar Franz W. (28), der im Kundencenter der BVG am Bahnhof Zoo am 25. April 2004 statt erbetenem Service eine Ohrfeige erhielt. Für den Austeiler, dem gebürtigen Hagenower, Wolfgang G. (54) heißen die Konsequenzen: Arbeitslosigkeit und Scheidung.


Die BVG pflegt ihr negatives Images mit Verve. Das bunte Karussell der Teuerungen eröffnete sie einst mit der Einführung von Tarifbereichen, der Gebührenpflicht für die Mitnahme von Fahrrädern, von Hunden, von Probierabteilen 1. Klasse, den Verkauf von Waggons als Werbemittel samt Kundschaft an Radiosender, bei stetig steigenden Preisen, Baustellenstau und wenig Kundenfreundlichkeit. – Der Fahrgast muss ja mit.

"Gehen Sie doch zum Verkehrssenator!"

Manchem Angestellten scheint das kleine bisschen Macht, das auch er hinter seinem Service-Schalter verkörpert, regelrecht zu Kopf zu steigen. Zum Beispiel dem in Schöneberg lebenden Ex-BVG-Angestellten Wolfgang G.
Mitte April 2004 verpasste er dem Kunden Franz W. (28) eine Ohrfeige, weil dieser ihm lästig wurde. Zuvor hatte er ihn noch mit dem süffisanten Hinweis bedacht: "Gehen Sie doch zum Verkehrssenator!" Um formvollendet nachzuschieben: "Sie müssen uns mit Ihrem Müll nicht auf die Nerven gehen!"

Heute sitzt Wolfgang G. auf dem Anklagestuhl des Amtsgerichts Tiergarten. Bluthochdruckroter Kopf, dezent Grau in Grün gekleidet. Ein störrischer, graumelierter, schlanker Herr, der alles verloren hat. Seinen Job, seine Familie, sein Altersruhekissen. Weil er die Beherrschung verlor und weil er sich in Dinge mischte, die ihn eigentlich nichts angingen.

"Ich unterschreibe nichts! "

Am Sonntag, dem 25. April, 2004 betritt der Hamburger Franz W. gegen 16:00 das Kundenbüro der BVG am Hardenbergplatz 1-7, am Bahnhof Zoo. Er ist umgezogen, trotz Angabe seiner neuen Adresse ist seine bestellte und bezahlte Jahreskarte noch nicht eingetroffen. Vier Wochen sind vergangen, seit er die 600 € überwies. Nun möchte er sich die Abgabe eines weiteren Schreibens an die BVG hier im Kundencenter quittieren lassen.

Das Büro ist an diesem Tag mit zwei Kollegen besetzt. Wolfgang G. und Klaus P. (43). Beide Angestellte im Kundendienst der BVG. Die Dienstzeit geht von 8:00 morgens bis 20:00 abends. Acht Stunden sind bereits herum, als der Hamburger an den Tresen von Klaus P. tritt. Er reicht ihm den Brief und fordert hierfür eine Quittung. Aber Klaus P. erklärt: "Ich unterschreibe nichts, wofür ich nachher gerade stehen muss." – Es kommt zu einem Disput, in den sich auch Wolfgang G. einmischt.

"Wolfgang, was soll das denn?!"

Franz W. beharrt auf seinem Begehr: "600 € sind schließlich kein Pappenstiel!" Nachdem er einige Frechheiten der Angestellten über sich ergehen ließ, verkündet er: "Mal sehen, ob Ihr Vorgesetzter das auch so sieht." Franz W. beugt sich über den Tresen von Wolfgang G., um die kühnen Äußerungen des Angestellten vom Kundendienst zu notieren, als dieser plötzlich aufspringt und ihm eine klingende Ohrfeige verpasst.

Kollege Klaus P., der gerade eine andere Kundin betreut, schaut erschrocken herüber: "Wolfgang, was soll das denn?!" Franz W. steht entgeistert da, Tränen in den Augen, die Brille in der Hand. Es ist der Kunde, "für den das Kundengespräch nicht zu seinen Gunsten ausfiel", wie Klaus P. sagt. – Jetzt ist der geschmähte Kunde allerdings nicht mehr zu halten: "Ich war einfach sauer." Er greift sich zwei Zeugen, ruft die Polizei und erstattet Anzeige.

Zu wenig Abfindung, zu hohe Geldstrafe

Trotz Zeugen räumt Wolfgang G. vor Gericht nur zum Teil die Ohrfeige ein. Er sieht sich als Opfer: "Ich habe Franz W. nur wegstoßen wollen." Und als er nach dem Plädoyer des Staatsanwaltes, der eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 30 € fordert, das letzte Wort erhält, erklärt er larmoyant: "Das ist ja mehr, als ich als Arbeitslosengeld bekomme." - Keine Entschuldigung, nichts.

Das Urteil des Gerichts folgt schließlich dem Antrag der Staatsanwaltschaft: 1.500 € Geldstrafe, dazu kommen die Kosten des Verfahrens. Wolfgang G. gilt zwar damit nicht als vorbestraft, aber er hat seinen Job verloren. Die BVG, die ihn fristlos entlassen wollte, verabschiedete ihren langjährigen Mitarbeiter, 20 Jahre dabei, in beiderseitigem Einvernehmen vor dem Arbeitsgericht mit einer Abfindungssumme von 21.500 €.

Den Unterhalt für seine beiden Kinder (18 und 20 Jahre alt) aus der jetzt geschiedenen Ehe, den Kredit, auch die Renovierung der neuen Wohnung kann er damit nicht bestreiten, klagt er. – Ein schicksalsschwerer Schlag von und für Wolfgang G., dem vielleicht erst jetzt auffallen wird, auf welchen Sorgloswiesen er weidete.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter



Wolfgang G. (54) ehemaliger Angestellter der BVG im Service-Center am Bahnhof Zoo. Schlug einen Kunden, weil er ihm auf die Nerven ging.


Der Hamburger Rechtsreferendar Franz W. (28) wartete vier Wochen auf seine bezahlte Jahreskarte, erbat eine Quittung für einen nachhakenden Brief und erhielt eine Ohrfeige.


Klaus P. (43), verweigerte Franz W. zwar die Quittung - aber nannte zumindest seine Dienstnummer. Er ließ den schwierigen Kunden einfach an sich abperlen.


Anzeige
Kanzlei Luft
In eigener Sache:
Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?
Kanzlei Hoenig Kanzlei Hoenig Ukraine Krieg, was tun ...