aus dem moabiter kriminalgericht
Flash-Over statt Mord?
von Barbara Keller
3. August
2004. Landgericht, 22. Gr. Strafkammer.
Trotz Verlängerung des Prozesses über die Sommerpause hin bleibt Monika de M. auch weiterhin in Haft. Grund: andauernder Tatverdacht und Fluchtgefahr. Nachdem die Verteidigung den Verdacht zunächst auf den Lebensgefährten Karsten Sch. lenkte, versucht sie nun, den explosionsartigen Hergang des Brandes mit natürlichen Phänomenen zu erklären. "Auch ein Backdraft oder ein Flash-Over können die Ursache einer schnellen Brandausbreitung sein", so Rechtsanwalt Lutz Körner. zur Hauptseite (alle Beiträge zum Verfahren)
zur brisanten Gutachterproblematik:
die Webseite von R. Jursic + Marion de M.
(Schwester/Schwager der Freigesprochenen Monika de M.)
... "Die Berliner Gefahr"
Mit einer Änderung der Haftverhältnisse für Monika de M. ist vorerst nicht zu rechnen. Das machte Richter Peter Faust am sechsten Prozesstag klar: "Die Anschuldigungen gegen die Angeklagte Frau Monika de M. konnten nicht entkräftet werden. Im Gegenteil ..."
Dabei hatte Verteidiger Lutz Körner gehofft, seine Mandantin in Kürze auf freien Fuß zu wissen. Jetzt, wo sich der Prozess wider Erwarten in die Länge zieht. Aber der Vorsitzende des Gerichts bleibt hart.
Noch immer gibt es jedoch keinen Beweis für die Schuld der Angeklagten. Im Gegenteil. Ihr Leumund ist tadellos, das Habsuchtsmotiv entkräftet. Dagegen träfen dieselben Verdachtsmomente auch auf Karsten Sch., den ehemaligen Lebensgefährten Monika de. M.s zu, der sich in der betreffenden Nacht ebenfalls im Unglückshaus befand.
So war Letzterer als Sozialhilfeempfänger mit 20.000 € verschuldet. Ein Hüne von Mann, 120 kg Lebendgewicht, schwerwiegenden Trinkgewohnheiten, aufbrausendem Charakter und einem Vorstrafenregister, das in der Summe sechs Jahre zumeist wegen Körperverletzung ausmacht.
Während Monika de M. ohnehin Erbin ihres Vaters war - eines schwer krebskranken Mannes, dem die behandelnde Ärztin noch zwei Monate Lebensdauer gab - hing Karsten Sch. praktisch am Tropf seiner Liebsten. Zwei Wochen vor dem Brandunglück soll das Brandopfer Theo de M. den Wunsch geäußert haben, dass Paar möge aus seinem Haus ausziehen. Karsten Sch. kannte seither nach Zeugenberichten kein anderes Thema mehr als dieses. Zankte sich mit Monika de M.
Frank D., Ermittlungsleiter im Fall Theo de M., schloss jedoch die Täterschaft Karsten Sch. von vornherein aus. Warum? "Weil Karsten Sch. aus dem Fenster sprang." Er hätte sich selbst gefährdet mit einer Brandlegung. - Ob damit der brachiale Charakter des Genannten, damals schwer Betrunkenen, richtig gewürdigt ist, bleibt fraglich. Zudem liegt das Fenster, aus dem Karsten Sch. sprang, in nicht erheblicher Höhe.
Alles Augenmerk richtet sich jetzt auf das Gutachten der Brandexperten. Angeblich soll Spiritus als so genannter "Brandbeschleuniger" benutzt worden sein. Belastend für Monika de M.: angeblich fand sich Spiritus nur auf ihrer Seite des Bettes und auf ihrem Bett.
Lutz Körner, Rechtsanwalt der Angeklagten: "Unsinn! Es gibt keine Beweise für das Vorhandensein von Spiritus." Er will eigene Sachverständige vor Gericht einführen. Für die schnelle, explosionsartige Ausbreitung des Brandes hat Rechtsanwalt Körner auch eine Antwort parat: "Das Feuer kann sich durch das Phänomen des Backdraft oder des Flash-Over auch ohne das Zutun von Brandmitteln mit schneller Geschwindigkeit verbreitet haben."
Allerdings ist zumindest für den Backdraft ein vorangehender Schwelbrand unter Sauerstoffmangel kennzeichnend. Im Zimmer von Theo de M. war jedoch das Fenster zumindest angeklappt.
Richter Peter Faust will gegen die Gutachten der Sachverständigenparteien (Verteidigung contra Staatsanwaltschaft) ein weiteres Obergutachten setzen. Brandsachverständige aber sind in der Sommerpause schwer zu finden. Auch bundesweit. Der Terminierung des Prozesses reicht deshalb schon heute bis zum 22. Oktober 2004.
NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3
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