"Keine Sorge, den sehen wir hier wieder", sucht Staatsanwalt Bernhard Gierse sichtlich betreten die ehemalige Frau des Angeklagten zu trösten.
Gerade hat er in seinem Schlussvortrag 'in dubio pro reo' einen Freispruch fordern müssen. Renate W. reißt erschrocken die verweinten Augen auf: "Ja, dann gibt es aber mich nicht mehr!"
Die Befürchtungen von Renate W. scheinen nicht unbegründet. Bereits vor acht Jahren suchte Gerd W., seine Frau wiederholt aus dem Weg zu räumen. Der Betreiber zweier Männerpensionen fühlte sich von seiner Frau unterdrückt und gedemütigt. Zwei aus dem Libanon gebürtige Mieter seiner Herberge sollten seinen Plan in die Tat umsetzen. Doch die jungen Männer aus dem nahen Osten drehten den Spieß um und erpressten ihrerseits Gerd W.
Gedankenspiele
Im November 2004 ein zweiter Anlauf. Dieses Mal soll Mario H., der als Hausmeister bei Gerd W. beschäftigt ist, Renate W. töten. Doch der lässt den Termin platzen und meldet sich krank. Als Gerd W. weiter auf ihn eindringt, wendet sich Mario H. an die Polizei. Zum Schein geht der wegen Körperverletzung vorbestrafte Mann nun in Absprache mit den Berliner Ermittlern auf das Anerbieten seines ehemaligen Chefs ein.
Gerd. W. läuft wie geplant ins offene Messer. Am 10. März 2005 nehmen ihn die Ermittler in flagranti fest. Gerd W. ist geständig. Später vor Gericht ruderte er jedoch zurück. Er klagt larmoyant über seine angeblich dominante Frau. Zuletzt behauptet er, von Mario H. angestiftet worden zu sein. Gerd W. sagt: "Es war nur 'ein Gedankenspiel'."
Ein knappes Jahr danach verurteilt die 35. große Strafkammer Gerd W. wegen des Mordauftrags an seiner Gattin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. "Freuen Sie sich, dass Sie heute nur fünf Jahre Haft bekommen haben und dass Ihre Noch-Ehefrau noch unter uns weilt!", erklärt der vorsitzende Richter Ralph Ehestädt.
Fataler Irrtum
Damit schien der Fall erledigt zu sein. Gerd W., dessen Haft ausgesetzt wird, meldet sich im Herbst desselben Jahres in der Haftanstalt Hakenfelde. Er hofft, seine Strafe im offenen Vollzug absitzen zu dürfen. Doch es kommt anders. Die ungünstig ausgefallene Exploration durch eine Psychologin ist der Grund, dass Gerd W. in den geschlossenen Vollzug kommt. Ausgerechnet am Neujahrstag 2007.
Durch ein Versehen landet 'Erstverbüßer' Gerd W. in der Teilanstalt III der JVA Tegel, wo die Hartgesottenen, die 'Lebenslänglichen', sitzen. Hier lernt er Helmut Sch. kennen (siehe Mordfall Nicole B.). Auch Helmut Sch., 'Helle' genannt, ist aus Mecklenburg Vorpommern gebürtig. Und er sitzt wie Gerd W. wegen Anstiftung zu einem Mord. Doch der Ex-Zuhälter ist von anderem Schrot und Korn als Gerd W., den Helmut Sch. 'Gerdchen' nennt.
Im April 2007 kommt es zwischen den Beiden zu Gesprächen über ein mögliches, gewaltsames Ableben von Renate W. Eineinhalb Jahre darauf muss sich Gerd W. erneut vor einer Berliner Schwurgerichtskammer wegen Anstiftung zum Mord verantworten. Laut Anklage soll Gerd W. den Mithäftling 'Helle' mit dem Mord an seiner ehemaligen Frau beauftragt haben. Doch Helmut Sch. kooperierte mit der Abteilung Sicherheit der JVA.
Kalter Hass
Dieses Mal erklärt Gerd W. bereits vorab: "Ich habe weder Helmut Sch. noch einer anderen Person einen Auftrag zum Mord an meiner Frau erteilt. Das ist die reine Wahrheit." Doch die 40. große Strafkammer verurteilt Gerd W. am 13. Februar 2009 wegen der Annahme des Anerbietens einer Straftat (§ 30 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. "Kalter Hass", so die vorsitzende Richterin Gabriele Strobel, soll Gerd W. zu dieser Wiederholungstat motiviert haben.
Als Beleg für die Schuld des Angeklagten gelten die Zeugenaussagen von Helmut Sch. ("die Alte wegmachen...") und die des verdeckt ermittelnden Polizeibeamten Sven H. ("Kennst du diese Kopfbewegung?"). Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hob auf Revision des Angeklagten das Urteil mit Beschluss vom 18. Mai 2010 komplett auf. Darin heißt es, der Verdeckte Ermittler sei nicht befugt gewesen, den Beschuldigten in diesem Rahmen zu selbstbelastenden Äußerungen zu drängen. (Info..., pdf, 17,3 kb)
Zwischen Wahrheit und Lampenbau
Am 26. August 2010 saß man deshalb erneut zu Gericht. Dieses Mal wurde vor der 32. großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Matthias Schertz verhandelt. Es war ein kurzer Prozess. Gerd W., dieses Mal vertreten durch Rechtsanwalt Hansgeorg Birkhoff, gab sich entsprechend optimistisch.
Weinerliches Klagen über seine ehemalige Ehefrau unterblieb. Gerd W. ließ durch seinen Verteidiger lediglich erklären: "Die Vorwürfe treffen nicht zu." Nachdem das Beweisverwertungsverbot der Zeugenaussage des Verdeckten Ermittlers festgestellt war, blieb nur noch die Zeugenaussage des Häftlings Helmut Sch.
Doch der von der 40. großen Strafkammer als 'Lampenbauer' und Anstifter enttarnte Helmut Sch. mochte sich am 26. August 2010 nicht mehr zur Sache äußern. Beraten von Rechtsanwalt Eckart Fleischmann zog sich der Zeuge auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO zurück. Der gelernte KFZ-Mechaniker erklärte: "Ik mach keene Angaben, nee." Nachdem das geklärt war, verabschiedete sich der Hauptbelastungszeuge mit einem flotten "Tschüssi!"und ließ sich abführen.
'In dubio pro reo'. Die 32. große Strafkammer sprach Gerd W. zuletzt vom Tatvorwurf 'aus tatsächlichen Gründen' auf Kosten der Landeskasse frei. Da die Vollzugssituation des Angeklagten, dessen Haftende auf den 5. Mai 2011 datiert, wegen des vorliegenden Verfahrens bislang stagniert, soll, so Richter Schertz, hier schnellstmöglich Abhilfe geschaffen werden. Gerd W. dürfte ergo bald auf freiem Fuß angetroffen werden.
Renate W., die allen Kontakt zu ihrem geschiedenen Mann abbrach und aus innerem Sicherheitsbedürfnis bereits zweimal umgezogen ist, sieht das Urteil mit gemischten Gefühlen an. Sie sagt: "Wissen Sie, wie das ist, wenn Sie bei jedem fremden Mann denken müssen: den hat vielleicht mein Mann geschickt?"