Der 5. Mai 2009 ist ein schwarzer Tag für Dieter H., der noch immer die Vorwürfe der Anklage bestreitet. Nach tagelangen Aussagen der Hauptbelastungszeugin und leiblichen Tochter, und nach ebenfalls belastenden Aussagen zweier Freundinnen der Nebenklägerin, bestätigten auch ein Barmann und eine ehemalige ukrainische Geliebte den Tatvorwurf, Dieter H. habe seine Tochter regelmäßig in Swingerclubs mitgenommen und sie zu eigenem Vorteil auch als Prostituierte vermittelt.
Barmann Nuredin K. will die Ex-Rotlichtgröße, damals auch 'der Boss' genannt, aus den 80er Jahren aus dem 'Kempinski' kennen. Der Zeuge arbeitete, wie er sagt, zu der Zeit als Oberkellner in der Vorhalle des 'Mondial'. Das Viersternehotel war das erste behindertengerechte Gebäude seiner Art am Ort.
Ich dachte, das sei ein Scherz
Ob Nuredin K. damals Prostituierte an die Hotelgäste vermittelte, dazu will er sich nicht erklären. Aber natürlich, so bestätigt er dem vorsitzenden Richter Nötzel auf Nachfrage, habe er gewusst, dass Dieter H. einen "Club Regina", ein gutgehendes Bordell, betreibe.
Nur ungern berichtete der heute als Barmann beschäftigte Nuredin K. (57), wie Dieter H. an einem Tag Ende 2006, Anfang 2007 mit seiner Tochter erschien, um sie für Sex an Hotelgäste zu verdingen. Er, Nuredin K., hätte die Offerte strikt abgelehnt. Er sagt: "Ich dachte, das sei ein Scherz. Ich mache so etwas prinzipiell nicht."
Du kuppelst, solange du lebst!
Kurz darauf ging der Angeklagte Dieter H. aus dem Anzug. Er sprang auf und herrschte den Zeugen an: "Du kuppelst, solange du lebst, mein Lieber!" Allabendlich hätte Nuredin K. damals Prostituierte aus dem "Club Regina" übernommen. "Wir waren befreundet, willst du das bestreiten?!"
Doch Dieter H., der bislang auf totsterbenskrank mimte, wird augenblicklich vom Richter das Wort entzogen. Nun steht noch die Zeugenaussage seiner Geliebten im Raum. Wieder fällt der Angeklagte in seine larmoyante Art zurück. Sanitäter kommen, die Mittagspause verschiebt die für Dieter H. unerfreuliche Zeugenaussage weitere eineinhalb Stunden.
Als um 14:00 Elena W. (41) ihre Zeugenaussage macht, lauscht Dieter H. zunächst nachsichtig lächelnd, den Kopf schräg gelegt, den Erklärungen seiner einstigen Freundin. Die aus der Ukraine gebürtige, selbständige Kosmetikerin, mit der er eineinhalb Jahre zusammenlebte, verließ Dieter H., einen Tag nach dem mysteriösen, schweren Unfall seiner Tochter. Angeblich weil sie schon wieder vom Abnehmen sprach, obwohl Dieter H. Frauen mit Körpergewicht ab 90 Kilogramm aufwärts präferiert.
Irgendwie unangenehm
Elena W. findet die über ein Jahr anhaltenden, regelmäßigen Besuche von Swingerclubs gemeinsam mit der Tochter ihres Geliebten Dieter H. für normal. Irgendwie unangenehm sei es ihr schon gewesen, sagt sie. Aber es sei ja schließlich nicht ihre Tochter gewesen. Zudem wusste Elena W. nach eigenen Angaben zunächst nicht, dass Nora P.* erst 16 Jahre alt war.
Dieter H. hätte sich während der circa 100 Clubaufenthalte, damit begnügt, Elena W. oder seine Tochter bei den sexuellen Aktivitäten zu beobachten. Der Besuch im "Legere" im Sommer 2006 in Karlshorst muss wohl der erste Swingerclubbesuch des Pärchens mit Tochter gewesen sein. Denn Elena W. wundert sich noch darüber, dass sie sich auf einer vorgeblichen Party halb nackt ausziehen soll. Auch der heute angeklagte Dieter W. zieht sich, so erklärt sie, bis auf die Boxershorts aus.
Aus dem Keller vernimmt die Zeugin später die Stimmer von Nora P.* Sie geht nachsehen. Völlig schockiert ist sie, als sie sieht, wie zwei Männer zugleich Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen haben. Empört will sie sofort gehen. Sie schickt ihren Freund in den Keller, seine Tochter zu holen. Und Dieter H. entspricht an diesem Tag ihrem Wunsch.
Man gewöhnt sich
Später aber gewöhnte sich Elena W. an die Verhältnisse. Sie beobachtet auch, wie Nora P.* Geld bei ihrem Vater abrechnet und wie das Mädchen nach einem Stuttgart-Aufenthalt, dem wohl eine einschlägige Annonce voraufging, dem Vater 1.000 Euro zukommen lässt.
Auf der Fahrt zu einem gemeinsamen Besuch des in der Haftanstalt Bochum einsitzenden Bruders von Dieter H. hört die Zeugin auf einer Raststätte, wie sich ein Brummifahrer lautstark beschwerte, 'der Preis sei ihm eindeutig zu hoch'! Elena W., die anfangs noch versucht, Einfluss auf Dieter H. wegen Nora P.* zu üben, gibt schließlich auf. Der Angeklagte habe ihr die Worte im Mund umgedreht, erklärt sie vor Gericht.
Elena W. begnügte sich mit vor der eifersüchtigen Tochter verheimlichten, kleinen Geschenken des heute Angeklagten und Besuchen im Club "Zügellos". In dem es um einiges appetitlicher zugegangen sei als in den anderen Clubs. Zu dem Umgang von Vater und Tochter sagt Elena W.: "Der war völlig normal."
Schöne, dicke, fette Backen
Ja, Dieter H. schlug seiner Tochter wohl öfter auf den Po, zog ihr dabei auch gern die Hotpants hoch mit dem Bemerken, wie schön ihre 'dicken, fetten Backen' seien. Aber da sei kein Unterschied gewesen. "Das hat er bei mir ja auch gemacht."
Überhaupt scheint der Zeugin die Feststellung wichtiger, dass sie die 'Hauptperson' in diesem skurrilen Dreiecksverhältnis war. Wichtiger jedenfalls, als das Verwerfliche an dem Vater-Tochterverhältnis.
Mann mit Stil
Elena W. bestätigt im Übrigen auch, dass Dieter H. den Sexualkontakten seiner minderjährigen Tochter in den Swingerclubs in einem Sessel beizuwohnen pflegte. Ihr gegenüber rechtfertigte sich Dieter H., er wolle nur kontrollieren, dass seine Tochter unversehrt bleibe.
Von den angeblichen gesundheitlichen Schwierigkeiten des Angeklagten ist während der Zeugenaussage von Elena W. übrigens nichts mehr zu spüren. Aufmerksam lauscht er den Erklärungen der Zeugin und moniert plötzlich, neben seinem Rechtsanwalt, in nächster Nähe zur Zeugin, sitzen zu dürfen. Er sagt: "Ich höre ja kaum etwas."
Während der Befragung seiner ehemaligen Freundin durch den Staatsanwalt, zischt Dieter H. diesem wütend zu: "Sie machen mich nicht zum Kinderschänder!" Und schließlich bricht es vollends aus ihm heraus: "Man will mir hier eine kleine, miese Sexgeschichte unterschieben! Aber ich habe Stil! Ja, ich stehe dazu, ich mag dicke Frauen. Das 'Hühnchen' hat gelogen! Die sah doch aus wie ein Garderobenständer! Was soll ich denn mit so einer!? Ich lasse mich nicht zum Kinderschänder machen!"
Nach einem kurzen Schlagabtausch über den Begriff Stil zwischen dem Ankläger und Dieter H. bricht der vorsitzende Richter die Hauptverhandlung ab mit dem Bemerken: "Soll jeder nach seiner Fasson selig werden. Wir müssen aber weitermachen." - Das wird am 13. Mai 2009, 9:00, im Saal 701 der Fall sein.
*Name von der Redaktion geändert