Aus einem "Bauchgefühl" heraus, wie er später vor Gericht sagt, ruft Ralf P. bei der Fahrschule W. an. Und richtig. Dieter W. (60) fällt aus allen Wolken. Die Schüler, die ihm der Dekra-Sachverständige nennt, sind ihm alle nicht bekannt. Der Fahrlehrer aus dem Prenzlauer Berg lässt sich die Namen der Prüflinge faxen und bestätigt noch einmal: nein, die Bescheinigungen, die die Männer bei der Dekra vorlegten, sind gefälscht.
Die Dekra erstattet daraufhin Meldung bei der Senatsstelle und Dieter W. Anzeige gegen Hasan D. Denn Juanito C. (30), Mohamed C. (33) und ein weiterer Fahrschüler bestätigen übereinstimmend, die bislang geleisteten Trainingsstunden in einer der drei Berliner Dependancen der Fahrschule Mobil des Hasan D., der selbst aber keine Zulassung als Fahrlehrer besitzt, abgelegt zu haben.
Falsche Stempel, falsche Unterschrift
Weil die bei der Dekra vorgelegten Bescheinigungen betrügerisch den Stempel der Fahrschule W. trugen und die attestierten Übungsstunden nicht annähernd den tatsächlich angeleisteten Stunden entsprachen, muss sich Hasan D. zwei Jahre später wegen versuchter Urkundenfälschung vor dem Amtsgericht verantworten.
Am Tag der Hauptverhandlung, am 17. April 2009, sitzen Täter, Opfer und Beteiligte einträglich im Flur vor dem Gerichtssaal nebeneinander. Henrik R. (59), der bei Hasan D. als Fahrlehrer beschäftigt war, von dem krummen Ding nichts mitbekam und als Geschäftsbeteiligter der Fahrschule Mobil nach Insolvenz mit schweren Verlusten kämpft. Hasan D. und rechts neben ihm der Sachverständige der Dekra, Ralf P.
Das klären wir im Gerichtssaal
Als gegenüber der Ermittlerin des Berliner LKA auch Dieter W. in den orangen Plastikschalenstühlen Platz nimmt, trifft ihn ein erregter Wortschwall des Angeklagten. Dieter W. entgegnet darauf kühl: "Das klären wir im Gerichtssaal!"
Hasan D., der Ende 2006 noch drei Filialen der Fahrschule Mobil führte, in Kreuzberg, Tiergarten und Neukölln, ist heute arbeitslos. Das Ehepaar D., dessen vier erwachsene Kinder bereits aus dem Haus sind, hat Arbeitslosengeld II beantragt. Sie wohnen am Oranienplatz in Kreuzberg und leben, so Hasan D., von der Unterstützung der Schwiegereltern.
Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hält Hasan D. einen Schwall an Ausreden bereit. Mit den Stempeln, nein, mit denen habe er nichts zu tun. Und Fahrlehrer W. sei in die illegalen Transaktionen einbezogen gewesen. "Das machen mehrere Fahrschulen so. Für Provision.", haspelt er in gebrochenem Deutsch. Er, Hasan D., habe die Fahrschüler des Fahrlehrers W. samt Blankobescheinigung erhalten und dann das Übrige getan.
Das machen viele so
Als Zeugen sind die betrogenen Fahrschüler, Juanito C., Mohamed C. zu hören, die statt der abgeleisteten vier Doppelstunden 14 bescheinigt erhielten. Aber am Ende nichts davon hatten. Angeblich waren ihnen die Unstimmigkeiten in den Schriftstücken nicht aufgefallen.
Neben dem Herrn von der Dekra und einer Ermittlerin vom LKA macht auch Dieter W. seine Aussage. Zuletzt sind sich Staatsanwaltschaft und Gericht sich einig: die Geschichte, die Hasan D. hier auftischt, ist völlig widersinnig. Denn wie sollte Dieter W. von einem solchen 'Geschäft' profitieren? Und welchen Sinn sollte es für den Fahrlehrer aus dem Prenzlauer Berg machen, sich solchen Risiken auszusetzen?
Hasan D. ist bislang nur mit einer Geldstrafe vorbestraft. Und zwar im Zusammenhang mit der Insolvenz seines Unternehmens am Beginn dieses Jahres wegen Vorenthalten von Arbeitsentgelten, Insolvenzverschleppung und Betrug. Das Gericht verurteilt den uneinsichtigen falschen Fahrlehrer deshalb wegen
Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen von 20 Euro.
Als der Richter den Angeklagten fragt: "Nehmen Sie dieses Urteil an?", schüttelt Hasan D. heftig mit dem Kopf. Es wird also noch ein Nachspiel in Form einer Berufung geben. Das hatte sich auch bereits im letzten Wort des betrügerischen Fahrlehrers abgezeichnet, in dem es hieß: "Ich bin ein ehrlicher Mensch! Dieter W. hat anderen Leuten Provision gegeben. Mir brachte er mindestens 600 Schüler."