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aus dem moabiter kriminalgericht


Erstes Urteil im Prozess gegen mutmaßliche Schutzgelderpresser der JVA Tegel


von Barbara Keller

07. Januar 2009. Moabiter Kriminalgericht. 4. Gr. Strafkammer.
Am 7. Januar 2009 verhängte die vierte Strafkammer des Berliner Landgerichts ein erstes Urteil im Verfahren gegen die vier mutmaßlichen, russischen Schutzgelderpresser der JVA Tegel. Verurteilt wurde, nach Abtrennung des Verfahrens, der mitangeklagte Gefangene Vaidas V. (34), der seinen Landsleuten in einem Fall als Dolmetscher helfend zur Seite gestanden haben soll. Die Zeugenaussagen des Sicherheitschefs der JVA Tegel und eines Mitarbeiters der AG Drogen am selben Tag zur Sache waren wenig erhellend und verfolgten offenbar die Strategie "mein Name ist Hase".

Beitrag vom 4. Juni '08

Bevor die Strafkammer am 7. Januar 2009 das Verfahren gegen den Angeklagten Vaidas V. abtrennte und erste Fakten in diesem seit einem halben Jahr andauernden Prozess schuf, hörte sie zwei Bedienstete der JVA Tegel als Zeugen. Neben dem Chef der Abteilung Sicherheit und Zentrale Aufgaben Bernd E. (57) auch Frank S. (43), einen Justizvollzugsbediensteter der AG Drogen.

Es frappierte, wie wenig Kenntnis die Zeugen angaben, von den Vorgängen in der JVA zu den vorliegenden Erpressungsfällen und die mutmaßliche, russische Erpressergruppe um Eduard K. ("Eddie") gehabt zu haben. Damals wie heute. Dabei hatten diesbezügliche Meldungen in der Presse neben dem Focus auch 'berlinkriminell.de' Einstweilige Verfügungen einer namhaften Kanzlei beschert.

Sie hätten auch 'Schulze' schreiben können

So erklärt beispielsweise Bernd E., er habe über die mutmaßlichen Umtriebe einer "Russenmafia" in der JVA Tegel erst über die Presse erfahren. In der, wie er sagt, "nur Lügen drinne standen". Einen Eduard K., im vorliegenden Verfahren der Hauptangeklagte, kenne er nicht. Zur Veranschaulichung seiner diesbezüglich redlichen Unwissenheit erklärt Bernd E. dem Richter: "Sie hätten auch Schulze schreiben können."

Sechs bis zehn Jahre ist Bernd E. Leiter der Abteilung Sicherheit in der JVA Tegel, zu deren Unterabteilung auch die AG Drogen gehört (siehe Organigramm der Justizvollzugsanstalt, pdf/752 kb). Dass die AG Drogen, wie von dem Nebenkläger und Häftling Daniel Sänger ausgesagt, mit Informanden zusammenarbeitet, schließt Bernd E. aus: "So etwas gibt es bei uns nicht." Und auf keinen Fall überlasse die Sicherheitsabteilung, wie von diesem erklärt, zum Zwecke der Zusammenarbeit einem Gefangenen ein Handy.

Ich weiß was - mehr nicht

Eine Kooperation mit sogenannten 'Hinweisgebern' räumt Bernd E. dann schließlich doch ein. Der Sicherheitschef der JVA meint: "Es kommt immer mal vor, dass ein Gefangener sagt 'ich weiß was'." Über diese 'Hinweisgeber' sei er als Chef natürlich informiert.

Und der "Kantinenfall", in dem über die Kantine "verbotene Gegenstände" eingeschleust und ein Mitarbeiter überführt wurden? An dem Tag, so Bernd E., war er nicht da. Ein Gespräch mit einem Hinweisgeber habe da nicht stattfinden können.

Dass es für diese Hinweise jedoch Vergünstigungen gibt, schließt Abteilungschef Bernd E. generell aus. "Die Mitarbeiter der Sicherheit kenne ich alle. Da auf keinen Fall." Immerhin 120 Kollegen. Kontrollstichproben gibt es nicht. "Ich weiß nicht, was sie meinen", erklärt Bernd E., "die Mitarbeiter haben einen Geschäftsverteilungsplan."

Ein rechtes Bild der verantwortlichen Tätigkeit des Sicherheitschefs der JVA Tegel mochte nicht entstehen. Unklar blieb auch während der Zeugenvernehmung von Bernd E., welche Meldungen der Gefangenen den Chef der Abteilung Sicherheit überhaupt erreichen. Einen Sammelordner, in dem diese Meldungen archiviert werden, gibt es nicht.

Ob demnach Bernd E. am 11. Juni 2007 über eine Meldung Kenntnis vom Übergriff der "Russen" auf den Gefangenen S. erhielt, ist fraglich. Bernd E. erklärt: "Ich weiß es nicht." Schließlich sehe er monatlich mehr als 100 Meldungen.

Erstes richtungsweisendes Urteil

So unbefriedigend die Zeugenaussagen der JVA-Bediensteten anmuten, gab es am 7. Januar 2009 doch ein erstes Urteil. Nach einem sogenannten "Deal" zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht, Angeklagtem, nachdem dem Angeklagten Vaidas V. gegen den Verzicht auf Rechtsmittel eine Haftstrafe nicht über zehn Monaten offeriert wurde, gab es eine erste Verurteilung.

Neun Monate Haft wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung verhängte die vierte große Strafkammer unter Vorsitz von Richters Schwengers gegen Vaidas V. Sie sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte am 21. Mai 2007 bei dem Versuch mitwirkte, den Gefangenen Christian T. um die Summe von 180,00 Euro zu erpressen.

Dabei handelte es sich um die sogenannte 'Erbschaft' einer angeblichen Schuld des am selben Tag entlassenen Mitgefangenen Oleksandr Z. Die Schuldnerschaft des Christian T. bestand angeblich darin, Oleksandr Z. ein Drogengeschäft verdorben zu haben.

Vaidas V., von Beruf Traktorist, der bislang auch in der Identität eines Moldawiers Ion B. oder eines Sergej T. figurierte und eine mehr als dreijährige Haftstrafe wegen Diebstahls verbüßt, übernahm dabei den 'freundlichen' Part des Übersetzers. Die Annahme eines 'minder schweren Falls' verwarf die Kammer, da Vaidas V. in Haft bereits straffällig wurde.

Der "Russen"-Prozess wird am Dienstag, dem 13. Januar 2009, 9:15 im Saal 700 fortgesetzt.




NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Vaidas V.
Zu neun Monaten Haft verurteilt: Häftling Vaidas V. stand im Mai 2007 in der JVA Tegel den russischen Landskollegen um Eduard K. ("Eddie") als Übersetzer Pate, als diese einen Mithäftling wegen angeblicher 'Schulden' abzuziehen suchten.

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