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aus dem moabiter kriminalgericht


Drogenzombie auf Heimreise


von Barbara Keller

14. November 2008. Moabiter Kriminalgericht. 38. gr. Strafkammer.
Am 9. März 2008 überfällt der Chemnitzer Industriemechaniker Steve F. in Potsdam zwei Autofahrerinnen, darunter die Berliner Journalistin Kirstin B. (54). Er verschafft sich gewaltsam Zugang in deren Wagen und bedroht sie mit dem abgebrochenen Hals einer Bierflasche. Steve F., Vater eines zweijährigen Kindes und seit seiner Volljährigkeit fast ununterbrochen auf Droge, ist nach einem Raubüberfall in Chemnitz auf Drogentour in Berlin. Als er wieder Heim will, fehlen ihm Geld und ein fahrbarer Untersatz.


Kirstin B. ist Journalistin und arbeitet für eine Presseagentur. Jeden Tag berichtet sie darüber, was in dieser Stadt passiert. Dass sie selbst einmal Opfer einer Straftat werden könnte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen.

Der 9. März 2007 ist ein regnerischer Tag. Hinter Kirstin B. liegt ein harter Arbeitstag. Abends war sie noch bei guten Freunden in Potsdam. Nun will sie nur noch nach Hause in ihre Berliner Wohnung. Ihren Wagen hat die kleine, resolut wirkende Frau in einer dunklen Stichstraße geparkt.

Als sie ihren BMW 1er starten will, klopft jemand gegen das Fenster an der Beifahrerseite. Kirstin B. ist "wahnsinnig erschrocken", wie sie später vor Gericht sagt. Trotzdem sie ein ungutes Gefühl hat, lässt sie Steve F., der in die nächste Stadt mitgenommen werden will, zusteigen. "Stell dich nicht so an", ermahnt sich Kirstin B., die sich als "sozialer Mensch" definiert.

Sie schaut den ungebetenen Fahrgast nicht einmal richtig an. Während Kirstin B. auf der AVUS zügig auf Berlin zufährt, versucht sie ein Gespräch mit Steve F. Doch der antwortet nur einsilbig. Erst als Steve F. sie mit dem abgebrochenen Flaschenhals einer Bierflasche bedroht, bemerkt Kirstin B. den abgerissenen Zustand des Mannes.

Da ist es jedoch bereits zu spät. Unter Todesdrohungen zwingt Steve B. die Journalistin, den Wagen zu verlassen. In den Besitz der Handtasche von Kirstin B. gelangt er nicht, weil diese energischen Widerstand leistet. Der Grund: Kirstin B. verlor in kürzester Zeit zweimal die Papiere. Sie will sie nicht auch noch ein drittes Mal loswerden. Deshalb bietet sie dem Räuber ersatzweise Geld an.

Kurz darauf steht die so Überfallene heulend und schreiend in Dunkelheit und Regen am Rand der AVUS, während Steve B. vergeblich den Wagen zu starten sucht. Als dann ein Taxi mit drei männlichen Fahrgästen im Fond Kirstin B. zu Hilfe kommt und sich quer vor den BMW stellt, flüchtet der Räuber unverrichteter Dinge zu Fuß.

Acht Monate später erklärt die selbstbewusste Frau mit dem dunklen Lockenschopf: "Ich habe den Überfall im Ganzen gut verkraftet." Ein misslungener Anflug von einem Lächeln, dann bricht sie doch in Tränen aus.

Tatsächlich glaubte Kirstin B. zunächst über den Vorfall übergangslos hinwegkommen zu können. Schließlich musste sie doch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wegen der "eindeutigen Grenzüberschreitung", wie sie sagt.

Kirstin B. hat noch einmal Glück gehabt. Der Mann, der sie am 9. März 2007 überfällt, kann skrupellos gewalttätig werden. Der seit seinem 18. Lebensjahr praktisch so gut wie ununterbrochen auf Droge befindliche Steve F., ein gelernter, jetzt arbeitsloser Industriemechaniker, hat sich nach einem Raubüberfall in Chemnitz auf Drogentour nach Berlin begeben.

Dort setzt er Anfang März die rund 5.000,00 Euro Beute aus dem Chemnitzer Raub in Drogen um. Als die Taschen schließlich leer sind, hat Steve F. plötzlich wieder ein Ohr für seine Chemnitzer Freundin. Die Frau, mit der eine zweijährige Tochter hat, bittet ihn, Heim zu kommen. Doch Steve F. fehlen Geld als auch ein Fahrzeug. Woher nehmen, wenn nicht stehlen.

Am Tag des Überfalls pumpt sich Steve F., wie jetzt immer, mit Heroin und Kokain voll. Noch kurz vor der Attacke auf Kirstin B. nimmt er eine ordentliche Portion Kokain.

Als jedoch der Überfall auf Kirstin B. scheitert, verfügt der Drogenzombie noch immer über keinen fahrbaren Untersatz. Steve F. versucht es ein zweites Mal. An einer Potsdamer Ampelkreuzung dringt er gewaltsam in den Polo einer weiteren Fahrzeughalterin ein. Dieser gelingt es jedoch, ihren Wagen direkt neben einer Polizeistreife zum Halten zu bringen. Steve F.'s 'Amoklauf' hat ein Ende.

Ein DNA-Abgleich und der ähnliche Tatverlauf bringen die Berliner Ermittler auf die Spur von Steve F., der in Chemnitz am 31. März 2008 für den zweiten Überfall bereits unter Einbeziehung diverser anderer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden war.

Steve F., ein emotionsfrei ruhig wirkender, junger Mann, ist am Tag der Berliner Hauptverhandlung am 14. November 2008 voll geständig. Alle ein bis zwei Stunden habe er am Tattag Kokain genommen und sei den ganzen Tag "geflogen", sagt er. Nachmittags auf der Yorckstraße kam er auf die Idee, als 'Tramper' eine Autofahrerin zu überfallen, um mit deren Wagen zurück nach Chemnitz zu fahren.

Artig entschuldigt sich der Angeklagte bei seinem Opfer, Kirstin B. Doch die psychologische Gutachterin Ulrike Horn (65), der aufgegeben war, den Angeklagten in Hinblick auf seine Schuldfähigkeit zur Tatzeit zu untersuchen, zeichnet ein denkbar ungünstiges Bild von ihm.

Steve F., den eine narzisstische Persönlichkeitsstörung charakterisiere, sei leider auch nicht einsichtig in sein Drogenproblem. Der Untersuchte sei nicht nur bindungs- und beziehungsunfähig, sondern sei auch bar jeden Wunsches nach Bindung. Weitere Straftaten seien zu erwarten. Selten habe die Psychologin einen Menschen derart distanzlos erlebt wie Steve F. Steif und starr soll er sich jeder Exploration widersetzt und nur widerwillig kooperiert haben.

Die Verhandlung endete schließlich mit der Aussetzung des Verfahrens, weil Staatsanwältin Pamela Kaminski den Antrag stellte, Steve F. wegen einer, wie sie erklärte, im Raume stehenden Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung zu untersuchen.

Der Prozess wird wohl vor Anfang Februar keine Fortsetzung finden.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Der einschlägig vorbestrafte und drogenabhängige Chemnitzer Steve F. War auf Drogentour in Berlin, benötigte für die Heimreise einen fahrbaren Untersatz und überfiel auf der AVUS eine Journalistin.

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