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aus dem moabiter kriminalgericht


Schwerer Raub -
Geständnis gegen Bewährungsstrafe


von Barbara Keller

31. Oktober 2008. Moabiter Kriminalgericht. 10. gr. Strafkammer
Am 8. April 2008 locken vier Kreuzberger einen Bekannten und Freund in eine Wohnung, um ihn auszurauben. Sie bringen ihn mit einem Genickschlag zu Fall, stülpen ihm eine Stofftasche über den Kopf, fesseln ihn mit Kabelbinder, drohen ihm mit Gewalt und räumen unter anderem dessen Safe mit einer bedeutenden Erbschaft leer. Das Geld ist weg, der vierte Komplize bleibt unbekannt. Das Gericht erkennt bei diesem schweren Raub auf einen minder schweren Fall und entlässt die Angeklagten mit Bewährungsstrafen von zwei Jahren.


David St. (25) ist außer sich. Er versteht das nicht. Dass seine Peiniger, die ihn am 8. April dieses Jahres überfielen, ausraubten und um seine Erbschaft von 38.000,00 Euro brachten, auf freiem Fuß sind, erscheint ihm unerträglich.

Laut schimpfend geht er auf den vor dem Gerichtssaal wartenden David J. (25) los, bewirft ihn mit einer Handvoll Kleingeld und schreit: "Hier, das kannst du auch noch haben!". Nur mit Mühe wird der aufgebrachte, junge Mann von einem Justizvollzugsbeamten vor weiteren Attacken zurückgehalten.

Leichte Beute

Am Dienstag, dem 8. April 2008 überfallen Christian B. (39), Andreas K. (26) und David J. gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mann arabischer Herkunft David. St. in der Kreuzberger Wohnung eines Bekannten.

David St. ist mit Christian B. befreundet und Andreas K. kennt er als den Schwager seiner Ex-Freundin, mit der zusammen er ein Kind hat. Am besagten Tag bittet ihn Christian B. telefonisch in die Kreuzberger Wohnung eines Freundes an der Hasenheide.

Christian B. gibt vor, mit David St. ein Gespräch über Nachbesserungen an der Sicherheitsanlage führen zu wollen, die er in dessen Kreuzberger Wohnung einbaute. Tatsächlich will er ihn jedoch in eine Falle locken. Denn die vierköpfige Bande glaubt, David St. verfüge über ein beträchtliches Vermögen aus kriminellen Aktivitäten, an dem sie gern teilhaben würden.

Großmutters Erbschaft

Aus diesem Grund befürchten die Verschwörer auch keine Anzeige. Was sie jedoch nicht wissen: die 38.000 Euro, die der als Tischler arbeitende David St. besitzt, sind der legale Rest der Erbschaft einer Hamburger Großmutter aus dem Jahr 2004 und zum Verbrauch für sein Kind bestimmt.

Arglos erscheint David St. abends gegen 19:00 zum Termin. Doch statt Christian B. empfängt ihn ein anderer gemeinsamer Bekannter an der Tür. "Hallo David, wie geht's?", begrüßt ihn Andreas K. Dann stürzen auch schon David J. und der unbekannte Araber auf ihn los.

David St. wird mit einem Genickschlag zu Boden gebracht. Die Angreifer ziehen ihm einen Stoffbeutel über den Kopf, fesseln ihn mit Kabelbinder und drohen ihm mit Faustschlägen, sollte er sich bewegen.

Sie leeren die Taschen des so wehrlos Gemachten. Und während zwei der Männer David St. bewachen, räumen Christian B. und der unbekannte Vierte den Safe und die Neuköllner Wohnung ihres Opfers aus. Die Beute: 400 Euro Bargeld, eine DDR-Münzsammlung und die Hamburger Erbschaft über 38.000 Euro.

Niedergeschlagen, gefesselt, ausgeraubt

David St. bleibt schließlich gefesselt in der Kreuzberger Wohnung zurück, kann sich hüpfend aus dieser heraus auf die Straße bewegen und erhält dort Hilfe durch zwei freundliche, junge Frauen, die sofort die Polizei alarmieren.

Noch am selben Tag werden Andreas K. und Christian B. verhaftet, vierzehn Tage später auch David J. Doch keiner der Drei sitzt länger als einen Tag in Haft. Sie sind geständig, bis auf Christian B. in festen Partnerschaften mit Kind und bislang nur unbedeutend vorbestraft.

Am Tag der Hauptverhandlung sechs Monate später tun sie das, was man von ihnen erwarten darf: Sie räumen die Tat umfänglich ein und entschuldigen sich bei David St. Im Gegenzug winkt ihnen ein Entgegenkommen der Strafkammer im Strafmaß.

Als sich die Angeklagten artig bei ihrem Opfer entschuldigen, mustert der die treulosen Bekannten mit Verachtung. David St. fragt Andreas K., dessen Anteil an der Beute übrigens bei 7.000 Euro gelegen haben soll: "Warum hast du das gemacht?!" Der lässt zunächst seinen Rechtsanwalt rhetorisch Kunstblumen winden, bevor er selbst eröffnet: "Ich habe nicht nachgedacht." Auch Alkohol sei da im Spiel gewesen.

Kein böser Mensch

Nur von Christian B. nimmt David St. schließlich die Entschuldigung an. Er erklärt, nachdem er ihn eindringlich fixiert hat: "Von dir bin ich am meisten enttäuscht. Von dir nehme ich die Entschuldigung an, weil ich denke, dass du kein böser Mensch bist."

In seinem Plädoyer findet der Staatsanwalt deutliche Worte zum vorab avisierten Kompromiss zwischen Gericht und Verteidigung für den Geständnisfall: "Ich halte es für unerträglich, diese Tat mit einer Bewährungsstrafe wegkommen zu lassen!"

Er forderte für den vorliegenden schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung eine Mindeststrafe von drei Jahren für David J. und Andreas K. Für Christian B. hingegen, der sein Vertrauensverhältnis zu David St. 'besonders schändlich missbrauchte', beantragte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Bewährungsstrafe unerträglich

Anders als vom Ankläger gefordert, verhängte die 10. Strafkammer schließlich gegen alle drei Angeklagten eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung, 200 Stunden gemeinnützige Arbeit, sowie ein Schuldanerkenntnis von jeweils 1.000 Euro gegenüber dem Geschädigten.

Die Kammer unter Vorsitz von Richter Wolke hielt den Angeklagten, doch übrigens auch nur 'mit Bedenken', einen 'minder schweren Fall' zugute, der dieses milde Urteil erst ermöglichte. Sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, die Androhung von Strafvollzug möge weiteren Wiederholungstaten entgegenstehen.

Was aus der 38.000 Euro schweren Erbschaft des David St. geworden ist, darf gemutmaßt werden. David J. jedenfalls will das Geld in Neuanschaffungen für die Wohnung gesteckt haben. Alle drei Verurteilten leben derzeit von Arbeitslosengeld II. Ob und wann David St. wieder in den finanziellen Stand vor der Tat gestellt sein wird, wie die Verteidiger wortreich verhießen, bleibt dahingestellt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob die Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil Revision einlegen wird, blieb offen.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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David St. versteht die Welt nicht mehr. Er wird Opfer eines schweren Raubes, verliert sein Vermögen und die Täter bleiben auf freiem Fuß.


Christian B. (li.), der David St. als 'leichte Beute' in die Falle lockte. Ganz rechts Andreas K ., der Ex-Schwager des Opfers und Mittäter.


David J. überwältigte gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter David St. an der Wohnungstür.


Die 10. große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Wolke glaubte, jedoch nicht ohne Bedenken, mit einer Bewährungsstrafe auskommen zu können.


Die Staatsanwaltschaft beantragte Haftstrafen in Höhe von bis zu dreieinhalb Jahren und hielt eine Bewährungsstrafe für 'unerträglich'.

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