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aus dem moabiter kriminalgericht
Schulpflicht
ignoriert
von Uta
Falck-Eisenhardt
22. Januar 2008. Amtsgericht
Tiergarten. Abt. 260.
Ein Verstoß gegen die Schulpflicht gilt als
Ordnungswidrigkeit. Doch wer seine Kinder nicht
regelmäßig zur Schule schickt, riskiert neben
einem Bußgeld auch eine Verurteilung wegen
Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. So
erging es der Deutsch-Polin Krystyna H., die mindestens
seit Dezember 2004 bei dreien ihrer fünf Kinder
nicht die Schulpflicht durchsetzte.
In diesen drei Jahren sammelte allein
ihr heute 14jähriger Sohn über 500 Fehltage.
Darum wurde die 33jährige gestern vom Amtsgericht
Tiergarten zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten
verurteilt. Drei Jahre lang muss sie die Auflagen des
Gerichts erkennbar erfüllen. Dazu gehört die
Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer und dem
Jugendamt, das ihr seit einem halben Jahr eine
Familienhelferin zur Seite stellt.
"Ich verspreche, dass ich jetzt meine Kinder jeden Tag zur
Schule schicke", versichert die kleine, füllige Frau
mit dem stumpfen Gesichtsausdruck. Ihre Beteuerung klingt
wie: "Bitte lassen Sie mich in Ruhe!" Das Wort
"Bewährung", das sie nach der Verurteilung dem Vater
ihrer Kinder zuruft, ähnelt einem Siegesschrei.
Wahrscheinlich hat die sechsmal vorbestrafte
Kleinkriminelle, die keinen Beruf erlernt hat und nach
eigenen Angaben nur schlecht deutsche Texte lesen kann,
nicht verstanden, dass sie in ihrem Leben dem
Gefängnis noch nie so nahe war.
Denn selbst als ihr vor sieben Monaten die Anklage
zugestellt wurde, änderte sich bis heute nichts an
ihrem Verhalten. Im Sommer des vergangenen Jahres endete
zwar für ihre älteste, siebzehnjährige
Tochter gerade die Schulpflicht, doch diese Lücke
füllte sofort der jüngste Sohn der Angeklagten:
Dieser Erstklässler schwänzte bis zum heutigen
Tage bereits an 38 Tagen die Schule, über ein Drittel
des Unterrichts. "Das war wie ein Dominoeffekt innerhalb
der Familie", schlussfolgerte Amtsrichter Volker Kaehne.
"Einer fängt an, die anderen machen mit." Die anderen
sind der 14jährige Juliano, die 7jährige Lorena
und jener Erstklässler, dessen Verstoß gegen
die Schulpflicht jedoch noch gar nicht von der Anklage
erfasst wurde.
"Meine Töchter und mein Sohn wollten nicht in die
Schule gehen", sagt die Angeklagte dem Richter. "Ich habe
sie geweckt und zur Schule geschickt, aber wohin sie
gegangen sind, weiß ich nicht." Das Schwänzen
habe sie erst bemerkt, als der Schuldirektor bei ihr
anrief. Die Kinder erschienen nämlich stets
pünktlich am Nachmittag zu Hause. Sie wolle schon,
dass die Kinder zur Schule gehen, damit sie etwas lernen,
sagt Krystyna H. Aber sie hätten nicht auf sie
gehört und sie habe nicht gewusst, dass es so etwas
wie eine Familienhelferin gibt.
Dies dementiert ein Mitarbeiter des Schulamtes als Zeuge
vor Gericht. Man habe der Angeklagten schon lange diverse
Hilfen angeboten, nachdem die Verhängung von
Bußgeldern nichts genutzt hätten. Doch erst als
man H. wegen der inzwischen 4000 Euro Bußgeld in
Erzwingungshaft setzen wollte, habe diese sich
gerührt. Man einigte sich mit ihr auf 20-Euro-Raten,
doch diese seien bislang nicht gezahlt worden. Weil die
drei Kinder auch in diesem Schuljahr nicht
regelmäßig zur Schule kamen, plant das Schulamt
nun den Gang ans Familiengericht. Dort kann man der
unfähigen Mutter auch das Sorgerecht entziehen.
Warum sie die Kinder nicht bis zur Schule begleitet habe,
will die Staatsanwältin wissen. Sie habe ein
zweijähriges Kind, antwortet die Angeklagte. "Bis zur
Schule ist es ein bisschen weit. Muss man mit der U-Bahn
fahren." Ihre Angaben klingen nach Gleichgültigkeit,
Bequemlichkeit, allgemeinem Desinteresse.
NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3

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Krystyna H., deren Kinder nototrische
Schulschwänzer sind, beteuert zum xten Mal: "Ich
verspreche, dass ich jetzt meine Kinder jeden Tag zur
Schule schicke"
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