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aus dem moabiter kriminalgericht


Urteil im Mordfall Lieschied


von Uta Falck-Eisenhardt

20.02.2007. Moabiter Kriminalgericht, 32. Große Strafkammer.
Am Dienstag, dem 20. Februar 2007, wurde im Schwurgerichtssaal des Moabiter Kriminalgerichts unter großer Anteilnahme von Verwandten und Kollegen des Opfers das Urteil gegen den Mörder des Polizeifahnders Uwe Lieschied verkündet. In dreißig Minuten begründete der Vorsitzende Richter Hans Luther, warum die 32. Große Strafkammer Yusuf K. (31) wegen schweren Raubes zu fünf Jahren Haft und Mehmet E. (40) wegen des gleichen Deliktes und Verdeckungsmord in Tateinheit mit Widerstand gegen die Staatsgewalt und Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte.


Eine Haft verlängernde, besondere Schwere der Schuld, wie sie Staatsanwalt Ralph Knispel in seinem Plädoyer gefordert hatte, mochte das Gericht aber nicht feststellen: "Der Augenblick des Tatentschlusses war sehr kurz. Ein bis zwei Sekunden blieben Mehmet E., um sich für ein fast irrationales Nach-vorn-Preschen oder für eine Festnahme wegen unerlaubtem Waffenbesitz zu entscheiden", so Richter Luther. "Zu unserem Bedauern hat E. den falschen Weg gewählt."

Der 31jährige Türke Yusuf K. und der 40jährige Kurde Mehmet E. kannten sich seit dem Jahre 2001: Der kleine, jetzt glatzköpfige K. arbeitete damals bei Wertheim am Kurfürstendamm. Der schnauzbärtige, hagere E. in einem benachbarten Imbiss. Als E. Anfang 2006 in die Neuköllner Sonnenallee zog, sahen sich die beiden öfter. K. wusste auch, dass Mehmet E. eine halbautomatische Waffe besaß, denn sie hatten sich am 17. März 2006 zum gemeinsamen Überfall auf eine Prostituierte verabredet. Diese hatte sich unkluger Weise in einem Lokal in Gegenwart der beiden mit dem Besitz eines höheren Geldbetrages gebrüstet.

Gegen 21.20 Uhr verfolgten die Angeklagten die Frau bis in ihr Wohnhaus in der Neuköllner Flughafenstraße, wo sie man sie beraubte. Die Geschädigte wehrte sich heftig - nicht wegen der in der Handtasche befindlichen 50 Euro, sondern weil die Migrantin den Verlust ihres Reisepasses befürchtete. Yusuf K. sicherte an der Haustür den Tatort, dann flüchteten die beiden in Richtung Hasenheide, wo ihnen eine Zivilstreife entgegen fuhr.

Beim Anblick der beiden Flüchtenden schöpfte Polizeihauptkommissar Uwe Lieschied Verdacht und beschloss, sie zu kontrollieren. Bekleidet mit schusssicheren Westen liefen Lieschied und sein Kollege Sven B. den beiden Tätern entgegen. Lieschied rief den beiden Flüchtenden zu: "Jungs, bleibt mal stehen, Polizei!", erinnerte sich Sven B.

Fünf Meter trennten den Fahnder noch von Mehmet E. Dann feuerte der Kurde aus seiner  Česká acht Schüsse in Richtung des Polizisten. Ein Schuss durchdrang die Fensterscheibe einer Wohnung, blieb dort in einem Schrank stecken. Sven B. rettete sich hinter einen parkenden VW-Bus, Uwe Lieschied wurde von einem Schuss über dem linken Ohr getroffen. Vier Tage später starb der 42jährige Familienvater, der seit 14 Jahren als Fahnder im Rollbergkiez arbeitete. Zwei Tage nach seinem Tod nahmen rund 8.000 Menschen an einem Gedenkmarsch vom Tempelhofer Damm zum Rollbergkiez teil.

Kurz nach der Tat werden die geraubte Handtasche, ein Elektroschocker, Pfefferspray und ein Paar Handschuhe mit Schmauchspuren gefunden. Die DNA-Spuren an der Tasche und den Handschuhen weisen auf Mehmet E., die vom Elektroschocker und der Spraydose auf Yusuf K. Acht Tage nach der Tat verhaftet ein SEK-Kommando aufgrund eines anonymen Hinweises aus der Szene die beiden Verdächtigen im Wedding. Mehmet E. legt ein Geständnis ab, in dem er Details berichtet, die nur der Täter wissen kann. Darin belastet er auch seinen Komplizen Yusuf K.: Der habe sich am Tattag bei ihm nach der Waffe erkundigt. Später führt E. die Beamten noch zum Versteck der Waffe, die er in Wannsee vergraben hatte, berichtet der Staatsanwalt.

Am 23. November 2006 begann der Prozess, der sich vor allem mit den Indizien beschäftigte, denn Yusuf K. bestritt die Tat und Mehmet E., der von zwei jungen, profilierungfreudigen Anwälten vertreten wurde, widerrief sein Geständnis nicht nur, sondern erhob schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Er behauptete, man habe ihn geschlagen und ihm sein Geständnis unter Zwang abgepresst. Durch die überraschende Festnahme am 25. März 2007 habe er sich geistig so beeinträchtigt gefühlt, dass seine Angaben nicht als Beweis verwertet werden könnten. Auch habe er als Kurde den türkischen Dolmetscher nicht gut verstehen können. Das Gericht befand, dass Mehmet E. des Türkischen durchaus mächtig sein dürfte, da Kurden in der Türkei nicht so autonom lebten, dass sie ohne türkische Sprachkenntnisse auskämen.

Das Verteidigungsgebaren des Todesschützen war für die Nebenkläger, Lieschieds Witwe und seinen Sohn, unerträglich, wie deren Rechtsbeistand in seinem Plädoyer ausführte. Und auch das Gericht rügte diese Strategie.

Auch der zweite Angeklagte, Yusuf K., suchte sich zu Prozessbeginn über seinen Verteidiger Michael Böcker von der Tat zu distanzieren. Er hätte kurz nach 21 Uhr in der Flughafenstraße zufällig Mehmet E. getroffen. Der habe ihn zu sich herangerufen. Mehmet E. sei dann in ein Haus gegangen, bald darauf mit neuer Kleidung herausgekommen und dann schnellen Schrittes Richtung Hasenheide gelaufen. Yusuf K. sei ihm einfach nur gefolgt. Den Elektroschocker und das Pfefferspray habe er bei sich getragen, um sich vor gewalttätigen Arabern zu schützen, so Anwalt Böcker für seinen Mandanten Yusuf K.

Gleich am ersten Verhandlungstag wurden auch die beiden Kollegen des erschossenen Beamten als Zeugen gehört, die sichtlich aufgewühlt die Ereignisse jener kalten Märznacht schilderten. Beide beschrieben übereinstimmend einen kleinen, untersetzten und einen großen hageren Täter.

Dennoch zweifelten insbesondere die Verteidiger von Mehmet E. jedes Beweismittel an und forderten am Schluss sogar den Freispruch ihres Mandanten. Die von der Nebenklage vielleicht erhoffte Reue der Angeklagten blieb aus.

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Update, 16.11.2019:
Zwei Straßen in Neukölln sollen nach den im Dienst getöteten Berliner Polizisten Roland Krüger und Uwe Lieschied benannt werden.
-> "Neukölln will Straßen nach getöteten Berliner Polizisten benennen", Tagesspiegel 8.5.2019
-> "Zwei Straßen werden nach getöteten Polizisten benannt", berlin.de, 7.11.2019



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Der unglückselige Todesschütze Mehmet E.


Am 17.03.06 raubte Yusuf K. gemeinsam mit Kompagnon Mehmet E. eine Prostituierte aus. Auf der Flucht begegneten sie Polizeifahnder Uwe Lieschied.


Uwe Lieschied. Seinen Ruf, "Jungs, bleibt mal stehen, Polizei!", beantwortete der flüchtende Mehmet E. mit tödlichen Schüssen.


Bodenlose Trauer: Ehefrau Heike Lieschied.

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