Mit diesem Urteil blieb Richterin Karin Miller unter den von Staatsanwalt Karlheinz Dalheimer geforderten 10.500 Euro. Sie begründete ihre Entscheidung damit, Bestrafen durch Aufstocken sei nicht ihr Stil. Den Tatbestand der Beleidigung hielt sie jedoch für gegeben. Egal, ob der Kläger Hansjürgen Karge einen schlechten Ruf genieße, egal, in wieweit Karges Haltung während der Ermittlungen im "Komplex Michel Friedman" eventuell zu kritisieren seien. Karin Miller verwies auf rhetorische Möglichkeiten jenseits unerlaubter Schmähkritik.
Mit diesem Urteilsspruch will sich Michael Naumann keinesfalls zufrieden geben. Mit seinen Rechtsanwälten Nikolas Becker und Johann Schwenn beschwor er in seidenen Redeschlaufen die bundesdeutsche Meinungsfreiheit: "Es geht um Demut gegenüber der Verfassung, um den Schutz der Meinungsfreiheit," war zu hören. In einem letzten Wort verstieg sich Naumann dann zu der Behauptung, "durchgeknallt" gehöre zum allgemeinen Wortgebrauch; wäre demzufolge keine Beleidigung. Naumanns Rechtsanwälte insistierten: "Was allgemeiner Wortgebrauch ist, bestimmt das Volk und nicht die Staatsanwaltschaft."
Polemik, Winkeladvokaterei, allerlei Dreistigkeiten gegenüber der Richterin und dem Staatsanwalt waren von Seiten der Anklagebank auch während der Schlussplädoyers zu hören. Rechtsanwalt Johann Schwenn beispielsweise zu Staatsanwalt Dalheimer, dessen "Wissensstand" zum Thema Indiskretionen während der Ermittlungen Friedman betreffend: "Sie holen sich Ihre Informationen auch aus der Kantine ...". Die Richterin Karin Miller pöbelte Rechtsanwalt Becker mit den Worten an: "Sie behandeln das hier wie Ihren eigenen Laden."
Immer wieder brillierte die Verteidigung mit Klischee-Spotteinlagen zum Thema Preußen und seine vermeintliche Beamtenwirtschaft. Konträr dazu - wie es gefällt - auch feuchte Seelenappelle (z. B. Nikolas Becker): "Wir Berliner schämen uns für so einen Generalstaatsanwalt ... "
In seinem Plädoyer gab Staatsanwalt Karlheinz Dalheimer seiner Enttäuschung Ausdruck, die deutschen Eliten entzögen sich zunehmend ihrer Verantwortung. Michael Naumann bilde enttäuschender Weise - als
Herausgeber einer seriösen, liberalen Zeitung - hierin leider keine Ausnahme.
03.09.2004: Das Berliner Kammergericht (4. Strafsenat) bestätigte mit Beschluss vom 3. September 2004 das Urteil des Amtsgerichts ohne erneute öffentliche Verhandlung. Es verwarf die Revision des früheren Kulturstaatsministers Dr. Michael Naumann als "offensichtlich unbegründet".
12.05.2009: Im Januar 2004 verhandelte eine Strafkammer des Berliner Landgerichts gegen den ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann wegen Beleidigung. Es ging darum, dass der damalige ZEIT-Herausgeber den Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgens Karge in einer Live-Show mehrmals als DURCHGEKNALLT bezeichnete.
Michael Naumann wurde zu einer Geldstrafe von 9.000,-- Euro verurteilt, das Urteil vom Kammergericht bestätigt.
('berlinkriminell.de' berichtete...)
Naumann reichte Verfassungsbeschwerde ein und war damit fünf Jahre später erfolgreich. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen ihn
inzwischen aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zurückgezogen und die Gerichtskosten übernommen...
(dazu die Basler Zeitung, 26.9.2009)