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aus dem moabiter kriminalgericht
Ein nackter Kaiser, schmutzige Puppenlappen
& eine Ehre, die leidet
von Barbara Keller
19. Januar 2004. Kriminalgericht Moabit.
(1. Verhandlungstag.)
"Es gibt niemanden, der Achtung vor diesem Mann hat! Michael Naumann sprach nur aus, was alle denken: 'Der Kaiser ist nackt!'", sagt Rechtsanwalt Nikolas Becker und meint mit dem "Kaiser" Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge (62). Den bezeichnete der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann (63) in einer Live-Talkshow mehrmals als "durchgeknallten Staatsanwalt". Das soll den jetzigen "Zeit"-Herausgeber 9.000 Euro wegen Beleidigung kosten.
(Zum Bericht/2. Verhandlungstag.)
22. Juni 2003. Live-Talkshow (n-tv) mit den Gästen Hans-Ulrich Jörges (stellvertretender Chefredakteur "Stern"), Bischof Wolfgang Huber (Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland) und Michael Naumann zum Thema "Friedman - Die Öffentlichkeit und die Moral". Die Gerüchteküche um Michel Friedman im Zusammenhang mit ukrainischem Menschenhandel, erzwungener Prostitution und Kokainkonsum brodelt in den bunten Blättern. Noch hat sich der damals als arroganter Moralpapst figurierende Friedman zu diesbezüglichen Vorwürfen nicht geäußert. Die Gäste der Talkshow kritisieren - bis auf Jörges, der aus wohlinformierten Kreisen besser unterrichtet sein will - die Vorverurteilung Michel Friedmans in den Medien.
Michael Naumann aber geht über diese Kritik hinaus. Er bezichtigt den Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge der Indiskretion, Informationen vorab an die Medien weitergegeben zu haben und bezeichnet ihn mehrmals als "durchgeknallten Staatsanwalt".
Hansjürgen Karge lässt diesen Affront nicht auf sich sitzen und klagt wegen Beleidigung. Das Amtsgericht Tiergarten stellt daraufhin einen Strafbefehl über 9000 Euro aus. Begründung: Naumann habe Karge "ohne sachlichen Anknüpfungspunkt herabgesetzt". Naumann widerspricht. Es kommt zu einer öffentlichen Hauptverhandlung am 19. Januar 04.
In der Zwischenzeit haben sich die schlimmsten Befürchtungen gegenüber Michel Friedman bewahrheitet. Tatsächlich war der Ex -Vizepräsident des Zentralrats der Juden Kokain-Konsument und ließ sich von heute wegen organisierten Menschenhandels vor Gericht stehenden ukrainischen Zuhältern zur Prostitution genötigte Frauen ins INTERCONTI bringen. Dass Friedman einer dieser Frauen Kokain anbot, brachte ihm einen Strafbefehl über 17.400 Euro ein.
Die Verhandlung am 19. Januar 04 ist ein Medienereignis, auf dem der Geschädigte Karge fehlt. Beleidigung "ohne sachlichen Anknüpfungspunkt" - an diesen seidenen Faden bindet die Verteidigung Michael Naumanns - das sind Rechtsanwälte Nikolas Becker und Johann Schwenn - ihre Hoffnungen. Gab es nicht eine Indiskretion, die man Karge - als verantwortlichem Chef - anhängen könnte? Es hagelt Anträge auf Akteneinsicht - die jedoch von der Richterin Karin Miller abschlägig beschieden werden. Und auch die von Becker und Schwenn erzwungene Aussage des im Publikum sitzenden Oberstaatsanwaltes Rüdiger Schmidt, der in der Tat wegen des "Verrats von Dienstgeheimnissen" ermittelte, bringt nichts Brauchbares. Eine Ermittlung in Sachen Friedman soll es - gesondert - nicht gegeben haben.
Der wunde "Anknüpfungspunkt" kann nicht gefunden werden. Karge hat im "Komplex Friedman" nicht selbst ermittelt, es gibt per se einen Paragrafen, der das Zitieren aus einer Ermittlungssache unter Strafe stellt und ein Informationsstopp den Medien gegenüber gab es in Sachen Friedman auch. Zudem beharren Richterin Miller als auch Karlheinz Staatsanwalt Dalheimer darauf, es läge eine "Formalbeleidigung" vor, die keiner weiteren Beweisführung bedarf.
Beleidigung ist der rechtwidrige Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung, §185 f StGB. Um diesen Paragraphen wird sich Michael Naumann nicht herumschummeln können. Bei aller gewieftesten Verteidigung nicht.
NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3
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Michael Naumann &
Rechtsanwälte
Richterin Karin Miller
Staatsanwalt Karlheinz Dalheimer
Michael Naumann mit Rechtsanwälten Nikolas Becker und Johann Schwenn
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