Computerprogramme sind wie künstlerische Werke urheberrechtlich geschützt. Das Copyright in der Kunst erlischt spätestens 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Wer gegen das Urheberrechtsgesetz verstößt, kann mit einer Freiheitsstrafe von zu drei Jahren bestraft werden.
In China und Vietnam sitzen 92% aller Softwarenutzer vor einer Raubkopie. In Westeuropa beträgt der Anteil von Raubkopien gegenüber legal genutzter Software stabile 36%. Weltweit liegt die Umsatzeinbuße für die IT-Branche bei jährlichen 29 Milliarden Dollar, in Deutschland bei 1,7 Milliarden Euro. - So eine Studie des Marktforschungsinstituts IDC aus dem Sommer 2004.
Zu den europäischen Verlustbringern für die hiesige Softwarebranche zählt auch Michael J. Innerhalb von vier Jahren brannte er Software im Wert von 85.000,00 Euro "schwarz" und stellte sie zum Download zur Verfügung. Das sind monatliche 1.770,00 €.
Der Motor seines Handelns war anhaltender Geldmangel und, so gibt er an, Spaß: "Das ist doch ein Volkssport. Nennen Sie mir jemanden, der keine Raubkopien auf seinem Computer hat."
Der berufslose Amateurfunker war in der fraglichen Zeit arbeitslos, saß den lieben langen Tag vor dem Computer und machte sich einen Jux daraus, teure Software - wobei es ja ein vorrangiges Merkmal von Software ist, sündhaft teuer zu sein – aus dem Netz zu ziehen und online gratis zur Verfügung zu stellen.
Er hostete seine Website bei einem ausländischen Anbieter und verwischte etwaige Spuren raffiniert. So raffiniert, dass die Ermittler Mühe hatten, dem dreisten Raubkopierer auf die Spur zu kommen. Ein Missgeschick mit der IP-Adresse und Michael J. flog auf. Am 2. Mai 2006 muss sich der sympathisch zurückhaltend wirkende Familienvater wiederholt vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Verstoßes gegen das Urhebergesetz verantworten.
"Wir kennen uns ja schon aus einigen Verfahren", begrüßt der Staatsanwalt etwas unwillig den nervösen Michael J. Für Michael J., verheiratet, eine kleine Tochter, geht es heute um die Wurst. Bereits zweimal stand er wegen Urheberrechtsverletzungen vor Gericht. Beide Male kam er mit einer Bewährungsstrafe davon.
Im Januar 1997 lautete das Urteil zwei Jahre Freiheitsentzug wegen des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz und Beleidigung. Dass das Gericht Michael J. ein drittes Mal mit einer Bewährungsstrafe davonkommen lässt, ist eher unwahrscheinlich.
Vor der Eröffnung des Verfahrens findet dann auch, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ein zähes Ringen zwischen dem Rechtsanwalt des Angeklagten, dem Staatsanwalt und dem Gericht statt. Michael J., der derweil etwas ängstlich im Flur wartet, erklärt trotzig resigniert: "Bei mir gibt's jetzt nur noch legale Software. Das kann ich meiner Frau und meinem Kind nicht antun."
Es wird ein kurzer Prozess. Für sein Geständnis bietet das Gericht dem notorischen Raubkopierer noch einmal eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren (ausgesetzt auf vier Jahre Bewährung) an. Mit der Auflage, innerhalb der nächsten sechs Monate 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten.
Das bedeutet für den als Kraftfahrer bei einer Krankenkasse geringfügig beschäftigten Michael J. ab sofort ein halbes Jahr 1,5 Stunden täglichen Gemeinnutz nebenbei. Der Staatsanwalt erklärt, als er während seines Plädoyers die Bewährungsstrafe beantragt eindringlich: "Ich betone: 'ausnahmsweise'!" – Michael J. nimmt das Urteil ohne Option auf Widerspruch an.
Die nächsten vier Jahre will Michael J. jetzt auf jeden Fall "die Beine stillhalten". Denn die Zeit im Gefängnis absitzen zu müssen, das möchte er sich und seiner Familie nicht antun.