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aus dem moabiter kriminalgericht


Sozialprognose: türkische Oberliga


von Barbara Keller

09. November 2005. Moabiter Kriminalgericht. 34. Große Strafkammer.
Am 19. Januar 2005 lockt Savas C.* (24) den potenziellen Autokäufer D. aus Franken auf einen einsamen Garagenhof, Nähe U-Bahnhof Haselhorst. Den Käufer treibt Savas C.* über ein Internetinserat auf. Gemeinsam mit seinem offenbar unbekannt gebliebenen Fußballkumpel Milan will er den bayerischen Kaufinteressenten abziehen. Doch das Geschäft läuft schief. Savas C.* türmt, verliert dabei sein Handy und stellt sich später über seinen Anwalt bei der Polizei.


Die Erleichterung ist sichtlich. Zwei Jahre Haft. Savas C.* bläst seine Anspannung durch die Lippen. Das hätte ins Auge gehen können. Auch eine Haftstrafe nicht unter drei Jahren war denkbar. Und die Staatsanwaltschaft hatte sie auch gefordert: drei Jahre und zehn Monate.

Savas C.*, gebürtiger Spandauer, türkische Staatsbürgerschaft, der Jüngste von vier Geschwistern und Sohn eines Siemensarbeiters, steht vielleicht an der Wende seines Lebens. Bisher hat er "mal hier mal da" herumgejobbt, bei Burgerking, auf dem Bau, als Putze und bei Umzugsfirmen.

Gediegenes Vorstrafenregister

Und er legte sich auch schon ein stattliches Vorstrafenregister zu. Darunter diverse Diebstähle, auch ein Autodiebstahl, Betrug und Hehlerei. Worauf er sich jedoch im Januar dieses Jahres einließ, war "ein Kaliber zu groß für ihn", sagt jedenfalls sein Rechtsanwalt Jürgen Kopmann.

Im Januar 2005 ist Savas C.* mal wieder knapp bei Kasse. Mietschulden, Schulden bei der BEWAG, GASAG, beim Fußballverein, im Fitnesscenter, kurz: mindestens 5.000 Euro fehlen. Sein Fußballkumpel Milan steht auch auf dem Schlauch. Ein 1,80 Meter großer junger Mann, "der anderen gut Angst machen kann", sagt Savas C.* Ein Schlägertyp, der auch schon Leute abgezogen hat. Das weiß Savas C.* von Milan mit Gewissheit, wenn er ihn auch sonst angeblich "nur flüchtig" kennt.

Getürktes Inserat bei Autoscout24

Gemeinsam fassen sie einen Plan zum schnellen Geld. Savas C.*, der sich mit Autoverkauf auskennt, soll einen Autokäufer anlocken, den Milan dann auf einem finsteren Garagenhof abziehen soll. Gesagt, getan. Savas C.* inseriert im "Autoscout24" einen Mercedes Benz zu supergünstigen Konditionen, der Preis: 18.500 Euro. Die Anzeige gibt er in einem Internetcafé auf.

Neben diversen anderen Interessenten meldet sich auch D. aus Franken. Der sollte es sein, "weil er so sympathisch klang", sagt Savas C.* vor Gericht. Nachmittags gegen 15:30 ruft der bayerische, potenzielle Käufer in Berlin an. Das Geschäft soll am gleichen Tag steigen. Um 16:20 fährt D. mit seinem Wagen los. In Berlin muss er sich noch eine Stunde gedulden, weil das Räuberduo noch Fußball spielt. Gegen 21:00 dann ist es dunkel genug.

Mit Teleskopstange bedroht

Savas C.* trifft D. am U-Bahnhof Haselhorst und dirigiert ihn zu jenem einsamen Garagenhof, den Savas C.* kennt, weil er hier aufwuchs und den er Milan am Tag zuvor gezeigt hat. Auf dem Hof angekommen, zieht Savas C.* den Schlüssel von D.'s Auto und befiehlt eindringlich: "Ganz ruhig!" Dieser Satz und das Auftauchen einer Gestalt auf dem Hof bewirken jedoch gerade das Gegenteil.

D. springt in Panik aus dem Wagen und versucht schreiend zu flüchten. Doch Milan stellt sich ihm mit einer Teleskopstange bewaffnet in den Weg. Er brüllt: "Stehen bleiben!" - Ohne nennenswerten Erfolg. D. stolpert zwar, stürzt, kann aber entkommen. Auch Savas C.* flüchtet, mit dem Autoschlüssel, den er später irgendwo fortwirft.

"Ein Kaliber zu groß ..."

Vor Gericht sagt Savas C.*, ihm sei die Sache plötzlich über den Kopf gewachsen. Über das Auftauchen einer weiteren Person habe er sich erschrocken und sei getürmt. Die dritte Person ist Milans Onkel. Den habe Milan ohne sein Wissen hinzugezogen, sagt Savas C.* jedenfalls vor Gericht.

Savas C.* hat Glück. Das Gericht erkennt auf einen "minder schweren Fall" und gibt ihm eine letzte Chance. Savas C.* sei "der Tat nicht gewachsen" gewesen, kein Schwerkrimineller, sagt der vorsitzende Richter. Als Mittelstürmer bei der türkischen Oberliga und Amateurspieler bei der Wasserwirtschaft holt Savas C.* die entscheidenden Punkte beim Richter. Auch mit seinem Bruder Ömer C.*, der als Physiotherapeut bei den Zweitligisten beruflich eingebunden ist und der ihn in seiner Wohnung in der Spandauer Wasserstadt aufnehmen wird. Jedenfalls bis zu seinem Haftantritt, dann sicher als Freigänger. - "Lass es bleiben, so bringt es nichts!", gibt der vorsitzende Richter Savas C.* noch mit auf den Weg.

*Namen von der Redaktion geändert



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Ömer C.*, Physiotherapeut bei den Zweitligisten, wird seinen Bruder bis zum Antritt der Haft aufnehmen: "Wenn er bei mir war, hat er keinen Mist gebaut."

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