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krimirezensionen ab 2003
Originalausgabe 2017 "The Word is
Murder", Penguin House UK, London
ISBN 978-3-458-36429-4
11,00 €
Spannender
unterhaltsamer britischer Krimi in innovativer
Sherlock-Holmes-Manier
von Susanne
Rüster
Diana Cowper, eine
wohlhabende Frau in den Sechzigern, arrangiert mit einem
Bestattungsunternehmen ihre eigene Beerdigung. Am selben
Tag noch wird die freundliche Frau, die anscheinend keine
Feinde hatte, in ihrem Haus mit einer Vorhangkordel
erdrosselt. Ahnte sie etwas von ihrem baldigen Tod? Kannte
sie ihren Mörder?
Die Londoner Metropolitan Police steht
vor einem Rätsel und 'engagiert' den genialen, aus
unrühmlichem Grund gefeuerten Detective Inspector
Daniel Hawthorne, der sein Geld als Privatdetektiv und
Berater für Fernseh-Krimis verdient. Bei Dreharbeiten
hat Hawthorne den erfolgreichen Autor und Liebhaber der
Sherlock-Holmes-Erzählungen Anthony Horowitz kennen
gelernt. Der geldklamme Hawthorne ("Es werden zu wenig
Leute ermordet") bittet Horowitz, über die
Mordermittlungen im Fall Diana Cowper ein Buch zu
schreiben; Erlös fifty/fifty.
In Anlehnung an die klassische Figur
des Sherlock Holmes ermittelt Hawthorne an
unterschiedlichen Orten in London und in Kent auf der
Suche nach dem Mörder der verwitweten, einsamen Diana
Cowper. Horowitz begleitet ihn, aber Hawthorne stellt von
Beginn an klar, dass er der Detektiv ist und Horowitz die
Geschichte lediglich aufschreibt - ähnlich dem
Holmes-Biografen Dr. Watson.
Der Sohn des Mordopfers Damian Cowper
kommt zur Beerdigung seiner Mutter angereist. Er ist
Schauspieler und mittlerweile ein - aufgrund seines
ausschweifenden Lebens und seiner Kokainsucht
verschuldeter - Hollywood-Star. Begleitet wird Damian von
seiner Frau, der wunderschönen schwarzen
Schauspielerin Grace Lovell und ihrer gemeinsamen kleinen
Tochter. Damian spielt intaktes Familienleben. - Am Tag
der Beerdigung seiner Mutter geschieht ein weiterer,
blutiger Mord.
Ein dunkles Geheimnis im Leben der
Diana Cowper und eine böse Intrige in der
Vergangenheit ihres Sohns Damian auf der Londoner
Schauspielschule - von Hawthorne in akribischen
Ermittlungen aufgedeckt - bilden die Handlungsstränge
in dem verwickelten Mordfall.
Horowitz erzählt die
Detektiv-Geschichte in der Ich-Form, wobei er sich
zunächst absprachegemäß an die Fakten des
Mordfalles hält. Eine originelle, weitere Ebene
ergibt sich dadurch, dass er nicht allein als
Ich-Erzähler - ähnlich dem Dr. Watson - die
fiktive Krimi-Geschichte begleitet, sondern sich selbst
als realer Autor Anthony Horowitz in die Geschichte
einbaut.
Er streut Ereignisse aus seiner
Schriftstellertätigkeit ein, erwähnt seine
Spionage-Jugendbücher (Alex Rider), seine
Drehbücher (u.a. Inspector Barnaby), die
Sherlock-Holmes- und James-Bond-Romane (u.a. Das Geheimnis
des weißen Bandes und Trigger Mortis), er
lässt reale britische Verlage, Lektoren und
sogar seine Ehefrau und seine Agentin auftreten.
Um noch eins draufzusetzen, trifft sich
Horowitz mit den Regisseuren Steven Spielberg und Peter
Jackson, die ein Drehbuch von ihm prüfen sollen. Der
hereinbrechende Hawthorne stört das Treffen, so dass
sich in dieser äußerst komischen Szene Fakt und
Fiktion vermischen – ein schriftstellerischer Kniff,
den der Autor bis zum schlussendlichen Geschehen
beibehält.
Anthony Horowitz lässt die
Lesenden auf unterhaltsame Weise an seinen
widersprüchlichen Gefühlen gegenüber dem
genialen, schwierigen, zugeknöpften, jähzornigen
Detektiv teilhaben. Hawthorne raucht, flucht, verfolgt
rücksichtslos seine Ziele, bringt seinen Begleiter
mit seiner schroffen Art in unangenehme und peinliche
Situationen, lässt sich aber gern sein Essen
bezahlen. Horowitz spürt Unmut, sogar Abneigung und
bewundert zugleich den Meisterdetektiv, der aus
unscheinbaren Details wichtige Informationen zieht,
ärgert sich wiederum darüber, dass Hawthorne
seine Erkenntnisse für sich behält, ihm immer
voraus ist und ihn seine Überlegenheit spüren
lässt.
Damit nicht genug. Hawthorne stellt
sich bei der Befragung eines homosexuellen Zeugen als
bekennender Schwulenhasser heraus und stürzt Horowitz
in einen Zwiespalt zwischen der Aufrichtigkeit eines
True-Crime-Autors und der Furcht vor einem Shitstorm
vonseiten seiner Fans. Darf er als bekannter
Schriftsteller einen in seiner Direktheit und
Unhöflichkeit wenig 'britisch' wirkenden Detektiv
auftreten lassen? Der ihm zudem noch den altmodischen
Titel 'Hawthorne ermittelt' diktiert hat?
Horowitz versucht, Political
Correctness zu wahren, soweit möglich, und sein
Ansehen als Autor dadurch zu retten, dass er die
finsteren, verstörenden Seiten des Detektivs zwar
darstellt, sie jedoch mit kritischer Distanz in Frage
stellt. Seine Neugier als Schriftsteller treibt Horowitz
jedoch immer wieder an, mehr über die Gedanken und
das Privatleben des Meisterdetektivs herauszufinden, der
zwar in fremde Häuser und Geheimnisse eindringt, aber
nicht hinter die eigene Fassade blicken lässt. Und so
entstehen schließlich sogar gegenseitiger Respekt
und Sympathie füreinander.
Doch ehe es so weit ist, hadert
Horowitz mit seiner Rolle als Chronist und Nebenfigur im
eigenen Buch. Er stellt eigene Überlegungen zum
möglichen Mörder an, beginnt selbst zu
ermitteln, schwingt sich zum Herrn der Geschichte auf. Das
Ergebnis: Neues Unheil in einem äußerst
packenden und überraschenden Finale.
Resumée
Anthony Horowitz, der zu den bekannten, angesehenen
Schriftstellern und Drehbuchautoren Großbritanniens
zählt, hat mit 'Ein perfider Plan' einen raffiniert
gebauten, spannenden und zugleich höchst originellen
Kriminalroman über Schuld und Rache geschrieben.
Angelehnt an den klassischen 'Whodunit'
überträgt er die Handlung überzeugend und
sehr unterhaltsam in das London von heute und stellt mit
Hawthorne und Horowitz zwei vielschichtige Charaktere vor
- eine eigenständige, ideenreiche Abwandlung des
berühmten Detektiv-Teams von Sir Conan Doyle. Ein
Buch, das zu lesen viel Spaß macht – und wohl
auch dem Autor beim Schreiben.
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Eigenwerbung!
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