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Hier lasen Sie im Herbst 2007 in wöchentlicher Folge Axel Bussmers Debütkrimi "Ein bisschen Luxus".
Jeden Montag neu...

krimidebüt mit folgen...

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Axel Bussmer, "Ein bisschen Luxus" (16/28)


Nach einer Schrecksekunde war Meier-Neff zum Telefon gestürmt und rief die Polizei an. Seine Nachbarn waren allerdings schneller gewesen und blockierten die Leitungen. Als er endlich durchkam und den Anschlag auf sein geliebtes Auto, das er gerade wieder über den Tüv bekommen hatte, zu melden, klingelten bereits zwei Streifenpolizisten an der Haustür.

"Wer tut so etwas?", fragte Edelgard Meier-Neff die Polizisten.

"Bagdad. Ich sage nur Bagdad." Meier-Neff fand langsam zu seiner prüfungsgewohnten, für Außenstehende arrogant wirkenden Fassade zurück. Dabei tarnte er nur seine Unsicherheit und Angst vor anderen Menschen. Eigentlich war er der Typ für eine Universitätskarriere gewesen. Nur hatte er die Sicherheit einer Beamtenlaufbahn vorgezogen.

"Ach, Sie müssten erst einmal den Casino-Parkplatz sehen."

"Da hat es mächtig gerumst."

"Vier Autos. Zwei Leichen." Der jüngere Streifenpolizist verschluckte sein nächstes Wort. Er hatte âstarkâ sagen wollen, aber das erschien ihm dann, mit einem brennenden Mercedes im Rücken, doch etwas unpassend.

"Was wollen diese Terroristen von mir?"

"Keine Ahnung. Jedenfalls wird später die Spurensicherung vorbeikommen. Wir können jetzt nur die Zufahrt absperren und abwarten."

"Bei uns herrscht im Moment Ausnahmezustand. Aber wir haben jetzt eine Spur gefunden." Der Polizist begann sich unauffällig umzusehen. Wenn er die entscheidende Spur zu den Bombenlegern fände, wäre er der Held des Tages. Keine schlechte Aussicht für einige weitere Überstunden.

"Mein Auto.", flüsterte Meier-Neff mit tränenden Augen.

"Wir tun alles, um ihnen zu helfen.", sagte sie. "Wenn Sie etwas brauchen, ich bin jetzt drin und mache das Frühstück. Soll ich für Sie mit decken?"

"Wir sind jetzt hier beschäftigt. Absperren und die Nachbarn befragen. Vielleicht hat jemand etwas gesehen."

"Haben Sie etwas gesehen?"

"Wir haben geschlafen. Und unser Schlafzimmer ist auf der anderen Hausseite.", antworte er.

Die beiden Polizisten holten das rot-weiße Plastik-Absperrband der Polizei aus dem Kofferraum ihres Autos. Zuerst probierten sie es vor Meier-Neffs Haus aufzuspannen. Aber die Wrackteile lagen auch auf der Straße. Also sperrten sie die gesamte Straße ab. Dann gingen sie zu den Nachbarn. Die meisten standen vor ihren Häusern. Verschlafen, mit abstehenden Haaren, ohne Schminke, unrasiert. Die meisten hatten diesen bedauernden âIch würde gerne helfen, wenn ich etwas wüssteâ-Blick.

Vor dem Casino arbeite die Spurensicherung in ihren weißen Anzügen. Inzwischen hatten die meisten Zeugen ihre Aussage gemacht und durften ihres Weges gehen. Dessau bedankte sich bei einem Zeugen und schlenderte zu Schroff. Diese Befragungen langweilten ihn. Denn jeder wollte helfen, bot ihm eine Theorie an und konnte ihnen doch nicht helfen. Ein Anschlag von wildgewordenen Arabern, die in der Universität eine terroristische Zelle gebildet hatten, war die beliebteste Theorie. New York. Madrid. London. Dessau hielt diese Theorie für Unfug. Denn warum sollte Al Qaida gerade in der Konzilstadt mitten in der Nacht losschlagen? Bis hier mehr als die Kameras vom SWR und Schweizer Fernsehen stünden, würde es noch einige Stunden dauern. Besser gefielen ihm die Vermutungen über persönliche Abrechnungen im Drogenmilieu oder über enttäuschte Spieler.

"Morgen, Linus."

"Hallo, Jörg. Furchtbare Sache."

Dessau nickte. "Sagâ mal, ich habâ gehört, in dieser Vermisstensache Robert Brandt gibt es jetzt Fortschritte."

"Ich warte auf einen Anruf aus Bali. Deine Freundin meinte, ich soll die Eltern erst informieren, wenn wir den Sohn am Telefon haben."

"Sehe ich genauso. Sie ist da auch auf irgendwelche Kunstdiebstähle in der Uni gestoßen. Ermittelst du auch in diese Richtung?"

"Davon hat sie mir nichts gesagt."

"Nun, vielleicht will Diana auch einfach nur sicherer sein. Sie ist da ziemlich eigensinnig. Du kannst sie ja nachher fragen."

"Wahrscheinlich habe ich heute keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern."

"Oh, wie ich meine Diana kenne, taucht sie irgendwann hier auf und fragt dich persönlich."

"Hat sie irgendwelche Namen genannt?"

"Ich glaube Wieland. Soll irgendwie an der Uni arbeiten. Die anderen auch. Sie hat es mir gestern Abend erzählt. Aber ich war müde."

"Na, egal. Sie wird es mir schon erzählen.", sagte Schroff. Er fragte sich, was Dessaus Freundin wirklich wusste.

Zwei Minuten vor acht Uhr schaltete Diana ihren Wecker aus. In der Küche belegte sie zwei Brotscheiben mit Emmentaler. Während sie aß, trank sie zwei große Wassergläser und blätterte den Südkurier durch. Natürlich stand noch nichts von dem Anschlag in ihr. Auf den Lokalseiten wurde wieder groß über das kommende Seenachtsfest geschrieben. In einer Sommerredaktion hatten Konstanzer und Besucher ihren Senf zum Fest abgesondert. Sommerzeit ist für Zeitungen auch immer Saure-Gurken-Zeit. Im Radio gab es bereits erste Meldungen.

"Heute Morgen ereigneten sich in Konstanz mehrere Anschläge. Vor dem Casino wurden um drei Uhr dreißig vier Luxusfahrzeuge in die Luft gesprengt. Außerdem wurden dort zwei Bootsbesitzer erschossen. Der vermögende Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Doktor Cornelius Sibling, und der Direktor der Konstanzer Universität, Professor Doktor Thomas Kromer. Sibling wollte mit seiner Familie und einigen guten Freunden das Seenachtsfest von seinem Schiff aus beobachten.

Zwei Stunden später explodierte im Oberstegle der Mercedes 190 von Doktor Klaus-Martin Meier-Neff, einem allseits beliebten Prüfer für Lehramtsstudenten. Die Polizei hat einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Anschlägen bis jetzt noch nicht bestätigt. Obwohl offensichtlich ist, dass die Anschläge miteinander zusammen hängen. Zeugen vermuten ein Al Qaida-Attentat. Aber es ist auch möglich, dass hier enttäuschte Studenten ihrem Unmut über die Bildungspolitik mit drastischen Methoden Ausdruck verschaffen. Rufen Sie." Diana schaltete den Sprecher mitten im Satz aus.

Kurz vor neun Uhr suchte sie in der Nähe des Casinos einen Parkplatz. Sie war nicht die Einzige, die sich das Ereignis des Tages ansehen wollte. Außerdem standen etliche Absperrungen für das samstägliche Seenachtsfest bereits. Die Uferpromenade wurde zum Seenachtsfest ein einziger langer Bierstand mit ausgezeichneter Sicht, jedenfalls für die Menschen in der ersten Reihe, auf die Shows in der Konstanzer Bucht. In der Haydenstraße fand sie einen Parkplatz. Von dort aus lief sie die letzten Meter zum weiträumig abgesperrten Casino.

"Sie können hier nicht durch.", sagte ein Streifenpolizist zu ihr.

"Ich bin Detektivin.", sagte Diana. Das beeindruckte den Polizisten allerdings nicht. Ein Kriminalpolizist hätte ihm einfach seinen Ausweis vor die Nase gehalten und wäre an ihm vorbeimarschiert. "Ich muss mit den Kommissaren Jörg Dessau oder Linus Schroff reden."

"Ehrlich?"

"Ja. Rufen Sie an."

"Na gut." Der Polizist hob sein Funkgerät und sprach hinein: "Groh hier. Hier ist eine â Diana Schäfer." Er entzifferte den Namen von Dianas Lizenz. "Sie möchte mit den Kollegen Schroff und Dessau reden."

"Durchlassen. Kommissar Schroff möchte ebenfalls mit ihr reden."

"Sie können durchgehen."

"Danke schön." Diana umrundete den merklich enttäuschten Polizisten und ging mit federnden Schritten zum Jachthafen. Mit jedem Schritt sah sie mehr vom Tatort. Ein Schlachtfeld, wie sie es bis jetzt nur aus dem Fernsehen kannte. Und dabei war niemand durch die Explosionen verletzt worden. Die beiden Leichen lagen im Hafen.

Schroff begrüßte sie mit einem kräftigen Händedruck. Unter seinen Augen zeichneten sich deutliche Ringe ab. Und die Bartstoppeln waren auch nicht zu übersehen. "Guten Morgen, Frau Schäfer. Wollen Sie sich auch das Ereignis des Tages ansehen?"

"Irgendwie schon.", sagte Diana. Auch sie war von der alten Untugend der Neugierde nicht gefeit. "Oder würden Sie mir das Gegenteil glauben?"

"Nein. Jörg erzählte mir etwas von einer Bande Kunstdieben."

"Ich bin da auf etwas an der Uni gestoßen. Aber im Moment habe ich noch kein richtiges Bild."

"Bei einer Straftat."

"Ich weiß. Ich war früher selbst Polizistin. Und, wenn ich mehr weiß, sagte ich es ihnen."

"Wie wäre es mit einem Zwischenbericht?"

Schroff stellte seine Frage in einem unverfänglichen Plauderton. Ein Ton, den Diana ohne Mühe übersetzte in ein âWenn Sie mir nichts sagen, müssen wir andere Saiten aufziehen.â Obwohl es ihrem Naturell widersprach nickte sie: "Wenn Sie mir dafür etwas hierüber erzählen."

"Ach, die menschliche Neugierde. Nun, wahrscheinlich haben Sie vorher Nachrichten gehört."

Diana nickte.

"Dann wissen Sie das meiste. Anscheinend haben mehrere Männer, die Zahl ist unklar, irgendetwas zwischen zwei und gut zehn Männern, - wie immer haben die Zeugen hier verschiedene Meinungen - , das Boot der Siblings überfallen. Danach den Uni-Direktor umgebracht und sind mit einem Boot geflüchtet. Jedenfalls einige. Denn die Tür zum Hafen ist aufgebrochen. Etwa zur gleichen Zeit flogen hier die Autos in die Luft."

"Aber, warum machen die so einen Lärm?"

"Vielleicht wollten sie ein Zeichen setzen."

"Für mich klingt das eher nach hier ging etwas schief."

"Kann sein, kann nicht sein. Das werden unsere Experten herausfinden. Inzwischen ist das halbe Ländle hier unten versammelt.", sagte Schroff. "Und was haben Sie herausgefunden?"

"Sie haben mir noch nicht alles gesagt."

"Nein. Die Tür zum Hafen ist aufgebrochen. Außerdem haben wir eine weitere Leiche gefunden. Jean-Pierre Luna. Er war beim Casino als Croupier angestellt. Anscheinend wollte er nur eine Zigarette rauchen. Sie haben ihn stranguliert und ins Wasser geworfen."

"Hat er etwas mit dem hier zu tun?" Diana musste nicht sagen, was sie meinte. Das sie umgebende Schlachtfeld sagte alles.

"Keine Ahnung. Aber ich denke eher nein."

"Warum haben die das hier gemacht?"

"Keine Ahnung.", sagte Schroff. "Jetzt sind Sie dran."

Diana nickte. Schroff hatte ihr im Wesentlichen gesagt, was der Sprecher der Polizei in einigen Stunden auf einer Pressekonferenz auch sagen würde. Dann vielleicht mit einigen weiteren Informationen. Aber sie musste wenigstens etwas für ihre Informationen bekommen. Und am Abend ihrem Freund Jörg wegen seiner Redseligkeit kräftig in den Hintern treten.

"Wahrscheinlich benutzten Kunstdiebe den Keller der Universität als Lager. Außerdem kann es sein, dass einige Männer etwas damit zu tun haben. Klaus Wieland. Fritz Haller. Peter Lade. Lothar Kraft. Alles unbescholtene Bürger. Jedenfalls soweit ich es bis jetzt weiß. Die ersten drei arbeiten an der Uni. Alle haben dort auch studiert. Zur gleichen Zeit."

"Warum glauben sie, dass es zwischen diesen Männern und den Dieben eine Beziehung gibt?"

"Robert Brandt hat ihre Namen notiert. Außerdem gibt es einige Indizien, die vor den Augen eines Staatsanwaltes keine Gnade fänden, die sich zu einem skizzenhaften Bild fügen."

"Hm, wenn Sie mehr wissen."

"Rufe ich Sie an. Das hätte ich in jedem Fall getan.", sagte Diana. "Hat sich Robert Brandt inzwischen gemeldet?"

"Keine Ahnung. Ich war noch nicht in meinem Büro."

Nachdenklich sah Schroff Diana Schäfer hinterher. Sie hatte innerhalb weniger Tage verdammt viel herausgefunden. Er überlegte, wie hoch ihr Preis wäre. Er tippte Wielands Nummer in sein Handy: "Ich binâs. Die Schäfer ist auf euerer Fährte."

Kurz nach zehn Uhr zog sie die Tür der Leitwarte auf.

"Grüß Gott. Ist Herr Münchner schon da?"

"Guten Tag.", antwortete der Mann. Entweder ein Norddeutscher oder ein kulturloser Banause. Wahrscheinlich beides. "Er ist im Keller."

"Nun, dann sagen Sie ihm, dass ich hier war und jetzt in der Verwaltung bin."

"Wer sind Sie den überhaupt?"

"Oh, Diana Schäfer."

Der Mann holte einen Zettel. "Ich sagâs ihm."

Wieland streckte sich. Seine Knochen schmerzen etwas von dem ungewohnten Liegen auf dem harten Boden. Aber er war nicht mehr müde. Auf seiner Mailbox blinkte es: "Ich binâs. Die Schäfer ist auf euerer Fährte." Wieland löschte die Nachricht des Bullen. Noch ein Problem. Ob sie käuflich war? Wahrscheinlich schon. Aber viel entscheidender war die Frage, ob er sie kaufen wollte. Je länger Wieland über sie nachdachte, desto ungünstiger wurde die Rechnung für sie. Aber zuerst musste er Klaus Urban die Beute geben.

Wieland holte die Beute aus seinem Schreibtisch und steckte sie in eine Stofftasche mit dem Emblem der Universität. Diese Taschen stapelten sich bei ihm im Büro. Die Papiere ließ er in der Schublade liegen.


Axel Bussmer beim Ausbrüten feinteiliger Straftaten (rein literarischer Natur)
AXEL BUSSMER
iM INTERVIEW


(mit ULrike Duchna, Franka Plaschke und Barbara Keller im AREMA/Moabit
vom 31.07.2007...)


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