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krimirezensionen ab 2003

 

Thomas de Quincey
"Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet"
Autorenhaus Verlag 2004
ISBN 3-93290-942-9
12,80 €

... besser als ein Blasenkrampf

von Barbara Keller


Wenn die moralische Entrüstung, das Grausen über das Verbrechen, das Mitgefühl für die Opfer vorbei ist, kommt die Faszination. Der geniale Spötter Thomas de Quincey (1785-1859) ging vor zwei Jahrhunderten diesem Phänomen nach und erklärte den Mord kurzerhand und provokant zum Kunstwerk, als ästhetisch betrachtbar. In diesem Sinn referiert de Quincey in mehreren Essays und anhand einiger schauriger Beispiele über das Wesen des Mordes, seine Reflexion und Funktion.

Selbstverständlich. Man kann Krimis einfach konsumieren. Zeit vergeht, die Nöte des Alltags versinken im Nichts. Und während wir genüsslich die Zehen strecken, führt uns ein mehr oder minder begnadeter Autor durch die Galerie menschlicher Untaten. Bei all dem dürfen wir uns darüber beruhigen, dass das Grauen zwischen zwei Buchdeckeln verbleibt.

Es gibt aber durchaus auch die berechtigte Frage nach dem Antrieb des Menschen, dem Grauen in die Pupille zu sehen und schlechten Nachrichten den Vorzug zu geben. Jeder kennt den apodiktischen Grundsatz, nach dem die Fernsehnachrichten zum Abendessen funktionieren: "Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten."

Auch Thomas de Quincey ging vor 200 Jahren diesem Phänomen menschlicher Janusköpfigkeit in seiner unvergleichlich humorvollen Art auf den Grund. In "Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet" (im Original: "Murder Considered as One of the Fine Arts"), erschienen als Essaysammlung in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts, erfährt der Leser einiges Wissenswerte über die Natur des Mordes und seine möglicherweise läuternde Funktion auf betrachtende Dritte.

So vergleicht Thomas de Quincey den Mord in seiner Wirkung auf Dritte mit den Zielen der aristotelischen Theatertheorie: Läuterung des menschlichen Herzens mittels Furcht und Mitleid. Er empfiehlt darum augenzwinkernd dem 'Künstler an der Disziplin Mord': je mehr Blut fließt, umso besser sowie ein Opfer - jung, gesund, untadelig, nicht über 25 Jahre alt - um die Empörung des Publikums zu sichern .

De Quinceys sarkastische Turnübungen am literarischen Reck zum Thema Mord leitet das Essay über einen fiktiven Londoner "Klub der Mordliebhaber" ein, der sich angeblich monatlich traf, um die gelungensten Morde des Monats nach ästhetischen Gesichtspunkten zu sondieren. Mittels einer in dieser Luft-Gesellschaft gehaltenen Vorlesung referiert de Quincey die Geschichte des Mordes, definiert Blütezeiten dieser "Kunst" und bespricht das angebliche Phänomen der Philosophenmorde seit dem 17. Jahrhundert.

Im Teil Zwei des Bändchens mit dem schönen Namen "Über den Mord" verrät de Quincey vor allem Wesentliches über den Gründer der ominösen Londoner Gesellschaft: Der trägt den Decknamen "Unke", ist ein missvergnügter Misanthrop und glaubt die Kunst des Tötens im Niedergang seit der Französischen Revolution. Sein nörgelnder Grundtenor: "Selbst die Hunde sind nicht einmal mehr das, was sie waren."

Über die hohe Qualität der im letzten Teil der Essaysammlung beschriebenen grausamen Morde lässt sich kaum streiten. De Quincey, der als Autor und Herausgeber der "Westmoreland Gazette" auch zahlreiche Gerichtsprozesse beschrieb, rekonstruiert hier minutiös die durch John Williams 1811 am Londoner Ratcliffe-Highway und die durch die Brüder M'Keans in der Nähe Manchesters begangenen Raubmorde, die seinerzeit die Mitmenschen in Angst und Schrecken versetzten.

Fazit: Wo Licht ist, ist auch Schatten, ist Kriminalroman - muss Reflexion sein. Der geniale Spötter Thomas de Quincey machte es in seiner unvergleichlichen Weise vor.


Thomas de QuinceyThomas de Quincey (1785 - 1859) ist in der deutschsprachigen Literatur vor allem durch seine autobiografischen Bekenntnisse eines englischen Opiumessers bekannt. Sein Werk beeinflusste Schriftsteller wie Samuel Coleridge, Edgar Allan Poe, Aldous Huxley, Gottfried Benn und Charles Baudelaire. Er gilt als einer der großen englischen Essayistiker, nicht zuletzt auf Grund von "Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet".



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