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Gerichtsreportagen


Verfolgen, was verboten ist


von C. Rockenschuh

02.04.2014, Amtsgericht Tiergarten, Abtl. 243
Zwei Männer in FDJ-Hemden mit Transparent stiften im Sommer 2012 mit ihrer bloßen Präsenz am Rande einer Feier zum Gedenken der Mauertoten an der Bernauer Straße Unfrieden. Das hatte zwei Strafbefehle zur Folge, die widersprochen jetzt erneut vor Gericht landeten. Im Kern geht es darum: Die FDJ Ost ist erlaubt. Die FDJ West ist seit 1951 verboten. Die Symbole beider Organisationen sind praktisch identisch. Durften die Angeklagten die FDJ-Hemden (Ost) tragen?
Beitrag vom 15.04.2014 (Urteil)


Der Hauptteil der Gedenkveranstaltung an der Gedenkstätte der Bernauer Straße für die Maueropfer am 13. August 2012 ist vorbei. Reden sind Die Angeklagten vor dem Prozessgehalten, Kränze niedergelegt, die Prominenz, darunter der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sind bereits fort. Ein Polizeibeamter wird später sagen: "Es waren nur noch nicht alle gegangen."

Da kommt es am Rande der Feier zu einer Differenz. Zwei Männer in FDJ-Hemden halten ein Transparent folgenden Inhalts: "Erst die DDR kassieren - heute Europa diktieren - morgen gegen die Welt marschieren - stoppt sie." Einige Teilnehmer der Veranstaltung fühlen sich provoziert. Es wird diskutiert. Ein älterer Herr fuchtelt mit den Armen herum; das Plakat soll weg. Nach Ansicht eines der später Angeklagten soll ein Mann mit dem Sticker "Schwerter zu Pflugscharen" gegen sie vorgegangen sein.

Die Polizeibeamten Thomas O. (57) und Jan B. (34), die vor Ort sind, um die Feier zu schützen, bekommen aus der Einsatzzentrale den Auftrag, die Personalien der Störer aufzunehmen und ihnen einen Platz auf der anderen Straßenseite zuzuweisen. Während die 'Störer' willig den Anweisungen der Polizei nachkommen und sich auch sonst friedlich zeigen, schaffen die Polizeibeamten mit einer Strafanzeige gegen die beiden Männer den genannten juristischen Konflikt.

Die Anklagebehörde verschickte gegen die Männer Strafbefehle wegen Verstoßes FDJ Emblem Ostgegen das Versammlungsgesetz sowie gegen das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. Die Beklagten widersprachen. Der Fall kam vor Gericht. Ein Jahr nach dem ersten Prozessanlauf, der mit einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter endete, stehen Michael W. (39) und German L. (29) zum zweiten Mal vor dem Kadi.

Die Angeklagten, das wird am 2. April 2014 rasch klar, halten mit dem Verbot der FDJ West den Anklagevorwurf für überholt. Das Verbot 1951 sei verfassungswidrig von schwer belasteten Richtern verhängt worden. Es sei, nicht anders als heute, um die Remilitarisierung Deutschlands gegangen, der die FDJ West seinerzeit mit einer Umfrage entgegen trat.

Die Einlassungen der Angeklagten gestalten sich appellativ. Michael W. erhält zu seinen historischen Ausführungen über die FDJ-Organisation spontanen Beifall aus dem Publikum. Und auch German L. braucht nicht lange auf die Antwort seines Erkennungsgrußes: "Freundschaft!" zu warten. Amtsrichter Andreas Rische mahnt wiederholt die Zuhörer, Beifallsbekundungen zu unterlassen.

Beide Angeklagte stammen nicht aus der ehemaligen DDR. Michael W. ist gebürtiger Münchener, German L. kommt aus Ossetien, Russland. German L. ist FDJ Emblem Ost stolz auf seine Großväter, die beide, wie er sagt, 'Helden' seien. Ein Opa sei Soldat der Befreiungsarmee gewesen, der andere habe einen Juden als seinen eigenen Bruder ausgegeben und ihm so das Leben gerettet. German L. sieht Kontinuitäten in der vermeintlichen Wiederaufrüstungspolitik des heutigen Deutschlands. Er sagt: "Deshalb ziehe ich das Symbol nicht aus."

Doch um diese Inhalte, um Meinungsäußerungen, geht es im Grunde gar nicht. Es geht auch nicht darum, ob der Auftritt der Angeklagten im Sommer 2012 eventuell pietätlos war. Spätestens als Michael W. dem Richter zwei Aufnäher der FDJ-Organisation auf den Tisch legt und bittet zu entscheiden, welches Ost und welches West sei, wird klar, dass das Amtsgericht mit diesem Verfahren eventuell nicht der richtige Ansprechpartner ist.

Es scheint, als ob die harmlosen Strafbefehle aus 2012 eine Grundsatzentscheidung auf den Plan rufen, mit dem sich, ob Widerspruch der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung, spätestens der Bundesgerichtshof auseinandersetzen muss. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, für Michael W., erklärt: "Wir werden weiter gehen. Wovon wir nicht ausgehen." Wegen der Kompliziertheit der Sache haben sich beide Verteidigerinnen ihren Mandanten bereits beiordnen lassen.

Das Verfahren wird am 15. April 2014, 12:00 im Saal 863 fortgesetzt.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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