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Gerichtsreportagen


Mit Musik - rechtsradikal in Wismar


von C. Rockenschuh

22.11.2013, 23. Strafkammer
Philip Sch. (35) galt bis 2006 als Kopf der rechtsradikalen Szene in Wismar. Er betrieb Szenetreffs, Versandhandel und -shops für rechtsradikale Devotionalien und wurde mit einem hysterischen Baseballschläger-Angriff auf linke Demonstranten im Sommer 2006 berühmt. 2011 verurteilte ihn eine Berliner Strafkammer wegen Volksverhetzung, Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, illegalen Waffenbesitzes sowie einem Strafrest aus einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aus 2010 zu 19 Monaten Haft. Seine Revision hatte Teilerfolg.

Da muss Herr Philip Sch. im 1. Hauptverfahren 2011 wohl falsch verstanden worden sein. Obwohl MC-Chef Schwarze Schardas so in der Urteilsbegründung steht. Nein, er fällt nicht von seinen rechtsradikalen Einstellungen ab. Er schämt sich auch nicht für seine Tattoos - Sinnzeichen von Hass und Gewaltbereitschaft, die dem 35-Jährigen aus dem Hemdkragen quellen.

Philip Sch. meint, was er sagt oder was er anderen auch schon einbläute. Er hat nichts zu verbergen. Und damit fährt der gelernte, aus Gägelow bei Wismar gebürtige, in Lübeck aufgewachsene Kaufmann gut. Politik ist nicht sein Ding. Sonst könnte Philip Sch. gemeinsam mit Abrissunternehmer Sven K., der mit seiner Gefolgschaft das 35 Einwohner zählende Jamel/Gägelow in eine Art braune Kaserne verwandelt hat, sicher wirkungsvoll an einem Strang ziehen. Aber man versteht sich nicht oder will sich nicht verstehen..

Philip Sch. ist Teil des inhomogenen, neonationalsozialistischen Weichbildes in Nordwestmecklenburg. Mehr noch. Bis 2006 galt Philip Sch. als Kopf der rechtsradikalen Szene in Wismar. Er betrieb einen rechten Versandhandel "H8Store" und Label "NorthX", später "Totenkopfversand" sowie den Werwolf-Laden, der neben dem von ihm initiierten nationalen Wohnprojekt "Wolfshöhle 2" sowie dem Clubhaus "Wolfshöhle 1" auch als Szeneladen fungierte.

Als Philip Sch. am 2. August 2006 vor laufender Kamera mit seinem Skinhead-Prügeltrupp aus seinem Laden heraus mit Baseballschlägern auf linke Demonstranten losstürmt, wird er von Polizeibeamten mit gezogener Dienstwaffe gestoppt. Das Video landet auf Youtube. Philip Sch. und Wismar werden damit traurig berühmt. Der Handel mit Accessoires rechradikalen Kuleurs sowie mit der Produktion und dem Vertrieb von Rechtsrock hat dem Wismarer gediegenen Wohlstand gebracht. Der heute Angeklagte ist ein treuer Steuerzahler.

Nachdem 2003 mit der Band "Landser" erstmalig eine Musikgruppe zu einer kriminellen Vereinigung erklärt ist und deren Bandmitglieder, darunter der aus Ost-Berlin gebürtige rechtsradikale Rocksänger Michael Regener, zu Geld- und Haftstrafen verurteilt sind, folgen weitere Verfahren dieser Art.

Im Februar 2011 steht auch Philip Sch. mit den Berliner Rechts-Musikern Alexander und Peter B. ("Deutsch, Stolz, Treue" / kurz D.S.T. - auch "X.x.X.") vor Gericht. Mit angeklagt sind der Sänger von "Spreegeschwader", der einen gleich lautenden Neonazishop in Henningsdorf führt, sowie der Schlagzeuger und Merchandiser Alexander B. (D.S.T. / "Spreegeschwader").

Es geht um die Produktion und Vermarktung der CD's "Die Antwort auf's System" und "Gift für die Ohren", die zwischen 2005 und 2007 entstanden und die wegen verfassungsfeindlicher Texte unter Anklage stehen. So wurde in dem Titel "Es war einmal..." das "Tagebuch der Anne Frank" verballhornt, in einem anderen die Judenverfolgung im so genannten Dritten Reich als "Befreiung" des deutschen Volkes gefeiert. Zunächst mitangeklagt waren ein Polizeihauptmeister der Berliner Landespolizei sowie mit Gitarrist Alexander B. (X.x.X. / D.S.T.) auch ein Beamter des Bezirksamtes Berlin Mitte.

Philip Sch. aus Wismar, der auch in Oberschöneweide / Berlin einen Versandhandel einschlägiger, rechtsextremer Devotionalien namens "Parzifal" betrieb, wurde eine Beteiligung an der Produktion der CD's, der Vertrieb sowie illegaler Waffenbesitz (eine Repetierflinte + Munition), zur Last gelegt. Am 23. September 2011 verurteilte ihn eine Berliner Strafkammer unter Einbeziehung einer Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Philip Sch. legte darauf Revision ein, forderte Freispruch, und hatte beim Bundesgerichtshof (BGH) damit teilweise Erfolg.

Der BGH strich mit Beschluss vom 2. August 2012 zwei Anklagepunkte, nachdem die von dem Angeklagten vertriebenen Textilien mit dem vorderseitigen Aufdruck von Totenköpfen seiner Ansicht nach nicht zwingend die Symbolik einer SS-Gebirgsjägerdivision darstellten.

Am 22. November 2013, sechs Jahre nach den zur Rede stehenden Taten, wundert sich der öffentliche Kläger, Staatsanwalt Laub, was nach all den Mühen der Ermittlungsarbeit und einem sieben Monate währenden Verfahren 2011 übrig bleibt. Er selbst beantragt für den aus gutem Hause stammenden Philip Sch., der das Gymnasium in Lübeck besuchte, eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten.

Die lange Verfahrensdauer, auch die gute Sozialprognose bescheren dem VW-Touareg- und Harley- Fahrer und 35-Jährigen Hausbesitzer aus Wismar ein günstiges Bewährungsurteil. Wegen Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und illegalen Waffenbesitzes wird er zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, von der - wegen langer Verfahrensdauer - vier Monate als verbüßt gelten.

Philip Sch., der sich am 22. November 2013, auf dem Gerichtsflur leutselig offen gibt und weitgehend entspannt wirkt, schweigt sich während dieser zweiten Hauptverhandlung aus. Er scheint zufrieden. Auch wenn der Mann aus Meckpomm mit seiner Revision eigentlich auf einen Freispruch zielte. "Wir haben die Texte durch einen Rechtsanwalt mit Kontakten zum Verfassungsschutz checken lassen", sagt er. Er sei unschuldig. Dass der von ihnen 2006 mit 200 Euro honorierte Rechtsanwalt ein Newbie in der Arbeitspraxis war, lässt Sch. aus. Stattdessen klagt er: "In Deutschland gibt es keine Meinungsfreiheit!"

Heute hat Philip Sch. das Betätigungsfeld seiner Geisteshaltung modifiziert. Nach tätlichen Anfeindungen seines Berliner Geschäftsfreundes Alexander B. im Oktober 2006 mit Totschläger und Axt, ein Angriff, den das Schweriner Landgericht als Raubüberfall mit einer Haftstrafe von drei Jahren prämierte, hat er sich offiziell aus der Gesinnungsvermarktung zurückgezogen. Den "Wehrwolf"-Shop verkaufte Philip Sch. an einen seiner Mitarbeiter.

Phillip Sch. hat, so sagt er, mit Politik nichts am Hut. 2008 gründete er nun den Motorradclub MC "Schwarze Schar" Wismar, dessen Präsident er auch ist. Ein ungewöhnlicher Kredit brachte eine erste Anschubfinanzierung. Die Pressesprecherin der CDU Wismar und Herausgeberin der Wismar-Zeitung Ines R., damals liiert mit einem Freund des Angeklagten, ließ sich beschwatzen.

Ahnungslos, so die Unternehmerin, gewährte sie Philip Sch. einen Kredit über 90.000 €. Mit dem Geld kaufte Sch. das Clubhaus der "Schwarzen Schar" in Gägelow, einen Kilometer entfernt westlich vor Wismar und nur wenige Kilometer weit weg von dem von Neonazis dominierten Jamel. Der Kredit brachte Ines R. im September 2013 nicht nur das vorläufige politische Aus, sondern auch ein zähes, gerichtliches Ringen um die Rückzahlung vermeintlich noch ausstehender 70.000 €.

Momentan sind die Aktivitäten des MC "Schwarze Schar" auf Eis gelegt, nachdem ein Mitglied des Rockerclubs an einer Messerstecherei auf dem Stadtfest Hagenow im Sommer dieses Jahres verwickelt war. Es ist nicht die erste Gewalttat aus dem Dunstkreis der "Ex-Wehrwölfe" aus Wismar, die sich übrigens auch nicht immer nur gegen 'schar-fremde' richten muss. Bereits in der Silvesternacht 2007/2008 töteten die zunächst im "Wehrwolf"- Club des Philip Sch. feiernden Rechten in einem sich entladenden Gewaltexzess einen der ihren. Fünf der später sechs Angeklagten waren militante Rechtsradikale, zwei davon damalige Mitarbeiter im "Wehrwolf"- Club des heute angeklagten Philip Sch.

Bezugnehmend auf die positive Sozialprognose, die die 23. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Michael Zimmermann am 22. November 2013 in seiner MC-Chef Schwarze ScharUrteilsbegründung dem Angeklagten ausweist und die hier dargestellten Hintergründe, kann eine befriedete Zukunft um Philip Sch. leider sicher nur bedingt erwartet werden. Denn die Mitglieder des absolut hierarchisch geführten, strengen Gesetzen oder/und Ritualen verpflichteten Männerbundes MC "Schwarze Schar" pflegen ein sichtlich kannibalisches Ehrgefühl, das nach Beleidigungen offenbar geradezu hungert. Davon sicher nicht ausgenommen ist Philip Sch., der derzeit als Selbständiger seine Brötchen mit einem Tattoo-Laden und einem Hausmeisterjob als Subunternehmer in Wismar verdient.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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