Da muss Herr Philip Sch. im 1. Hauptverfahren 2011 wohl
falsch verstanden worden sein. Obwohl das so in der
Urteilsbegründung steht. Nein, er fällt nicht
von seinen rechtsradikalen Einstellungen ab. Er
schämt sich auch nicht für seine Tattoos -
Sinnzeichen von Hass und Gewaltbereitschaft, die dem
35-Jährigen aus dem Hemdkragen quellen.
Philip Sch. meint, was er sagt oder was er anderen auch
schon einbläute. Er hat nichts zu verbergen. Und
damit fährt der gelernte, aus Gägelow bei
Wismar gebürtige, in Lübeck aufgewachsene
Kaufmann gut. Politik ist nicht sein Ding. Sonst
könnte Philip Sch. gemeinsam mit Abrissunternehmer Sven K., der
mit seiner Gefolgschaft das 35 Einwohner zählende
Jamel/Gägelow in eine Art braune Kaserne verwandelt
hat, sicher wirkungsvoll an einem Strang ziehen. Aber
man versteht sich nicht oder will sich nicht verstehen..
Philip Sch. ist Teil des inhomogenen,
neonationalsozialistischen Weichbildes in
Nordwestmecklenburg. Mehr noch. Bis 2006 galt Philip
Sch. als Kopf der rechtsradikalen Szene in Wismar. Er
betrieb einen rechten Versandhandel "H8Store" und Label
"NorthX", später "Totenkopfversand" sowie den
Werwolf-Laden, der neben dem von ihm initiierten
nationalen Wohnprojekt "Wolfshöhle 2" sowie dem
Clubhaus "Wolfshöhle 1" auch als Szeneladen
fungierte.
Als Philip Sch. am 2. August 2006 vor laufender Kamera
mit
seinem Skinhead-Prügeltrupp aus seinem Laden
heraus mit Baseballschlägern auf linke
Demonstranten losstürmt, wird er von
Polizeibeamten mit gezogener Dienstwaffe gestoppt. Das
Video landet auf Youtube. Philip Sch. und Wismar werden
damit traurig berühmt. Der Handel mit Accessoires
rechradikalen Kuleurs sowie mit der Produktion und dem
Vertrieb von Rechtsrock hat dem Wismarer gediegenen
Wohlstand gebracht. Der heute Angeklagte ist ein treuer
Steuerzahler.
Nachdem 2003 mit der Band "Landser" erstmalig eine
Musikgruppe zu einer kriminellen Vereinigung
erklärt ist und deren Bandmitglieder,
darunter der aus Ost-Berlin gebürtige
rechtsradikale Rocksänger Michael Regener, zu Geld-
und Haftstrafen verurteilt sind, folgen weitere
Verfahren dieser Art.
Im Februar 2011 steht auch Philip Sch. mit den Berliner
Rechts-Musikern Alexander und Peter B. ("Deutsch, Stolz, Treue" / kurz D.S.T.
- auch "X.x.X.") vor Gericht. Mit angeklagt sind der
Sänger von "Spreegeschwader", der einen
gleich lautenden Neonazishop in Henningsdorf führt,
sowie der Schlagzeuger und Merchandiser Alexander B.
(D.S.T. / "Spreegeschwader").
Es geht um die Produktion und Vermarktung der CD's "Die
Antwort auf's System" und "Gift für die Ohren", die
zwischen 2005 und 2007 entstanden und die wegen
verfassungsfeindlicher Texte unter Anklage stehen. So
wurde in dem Titel "Es war einmal..." das "Tagebuch der
Anne Frank" verballhornt, in einem anderen die
Judenverfolgung im so genannten Dritten Reich als
"Befreiung" des deutschen Volkes gefeiert. Zunächst
mitangeklagt waren ein Polizeihauptmeister der Berliner
Landespolizei sowie mit Gitarrist Alexander B. (X.x.X. /
D.S.T.) auch ein Beamter des Bezirksamtes Berlin Mitte.
Philip Sch. aus Wismar, der auch in
Oberschöneweide / Berlin einen Versandhandel
einschlägiger, rechtsextremer Devotionalien namens
"Parzifal" betrieb, wurde eine Beteiligung an der
Produktion der CD's, der Vertrieb sowie illegaler
Waffenbesitz (eine Repetierflinte + Munition), zur Last
gelegt. Am 23. September 2011 verurteilte ihn eine
Berliner Strafkammer unter Einbeziehung einer
Bewährungsstrafe wegen gefährlicher
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten. Philip Sch. legte darauf Revision
ein, forderte Freispruch, und hatte beim
Bundesgerichtshof (BGH) damit teilweise Erfolg.
Der BGH strich mit Beschluss vom 2. August 2012 zwei
Anklagepunkte, nachdem die von dem Angeklagten
vertriebenen Textilien mit dem vorderseitigen Aufdruck
von Totenköpfen seiner Ansicht nach nicht zwingend
die Symbolik einer SS-Gebirgsjägerdivision
darstellten.
Am 22. November 2013, sechs Jahre nach den zur Rede
stehenden Taten, wundert sich der öffentliche
Kläger, Staatsanwalt Laub, was nach all den
Mühen der Ermittlungsarbeit und einem sieben Monate
währenden Verfahren 2011 übrig bleibt. Er
selbst beantragt für den aus gutem Hause stammenden
Philip Sch., der das Gymnasium in Lübeck besuchte,
eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten.
Die lange Verfahrensdauer, auch die gute Sozialprognose
bescheren dem VW-Touareg- und Harley- Fahrer und
35-Jährigen Hausbesitzer aus Wismar ein
günstiges Bewährungsurteil. Wegen
Volksverhetzung, Verwendung verfassungsfeindlicher
Symbole und illegalen Waffenbesitzes wird er zu einer
Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten
verurteilt, von der - wegen langer Verfahrensdauer -
vier Monate als verbüßt gelten.
Philip Sch., der sich am 22. November 2013, auf dem
Gerichtsflur leutselig offen gibt und weitgehend
entspannt wirkt, schweigt sich während dieser
zweiten Hauptverhandlung aus. Er scheint zufrieden. Auch
wenn der Mann aus Meckpomm mit seiner Revision
eigentlich auf einen Freispruch zielte. "Wir haben die
Texte durch einen Rechtsanwalt mit Kontakten zum
Verfassungsschutz checken lassen", sagt er. Er sei
unschuldig. Dass der von ihnen 2006 mit 200 Euro
honorierte Rechtsanwalt ein Newbie in der Arbeitspraxis
war, lässt Sch. aus. Stattdessen klagt er: "In
Deutschland gibt es keine Meinungsfreiheit!"
Heute hat Philip Sch. das Betätigungsfeld seiner
Geisteshaltung modifiziert. Nach tätlichen
Anfeindungen seines Berliner Geschäftsfreundes
Alexander B. im Oktober 2006 mit Totschläger und
Axt, ein Angriff, den das Schweriner Landgericht als
Raubüberfall mit einer Haftstrafe von drei Jahren
prämierte, hat er sich offiziell aus der
Gesinnungsvermarktung zurückgezogen. Den
"Wehrwolf"-Shop verkaufte Philip Sch. an einen seiner
Mitarbeiter.
Phillip Sch. hat, so sagt er, mit Politik nichts am
Hut. 2008 gründete er nun den Motorradclub MC
"Schwarze Schar" Wismar, dessen Präsident er auch
ist. Ein ungewöhnlicher Kredit
brachte eine erste Anschubfinanzierung. Die
Pressesprecherin der CDU Wismar und Herausgeberin der
Wismar-Zeitung Ines R., damals liiert mit einem Freund
des Angeklagten, ließ sich beschwatzen.
Ahnungslos, so die Unternehmerin, gewährte sie
Philip Sch. einen Kredit über 90.000 €. Mit
dem Geld kaufte Sch. das Clubhaus der "Schwarzen Schar"
in Gägelow, einen Kilometer entfernt westlich vor
Wismar und nur wenige Kilometer weit weg von dem von Neonazis dominierten Jamel.
Der Kredit brachte Ines R. im September 2013 nicht nur
das vorläufige politische Aus, sondern auch ein
zähes, gerichtliches Ringen um die Rückzahlung
vermeintlich noch ausstehender 70.000 €.
Momentan sind die Aktivitäten des MC "Schwarze
Schar" auf Eis gelegt, nachdem ein Mitglied des
Rockerclubs an einer Messerstecherei auf dem Stadtfest
Hagenow im Sommer dieses Jahres verwickelt war. Es ist nicht die erste Gewalttat aus
dem Dunstkreis der "Ex-Wehrwölfe" aus Wismar,
die sich übrigens auch nicht immer nur gegen
'schar-fremde' richten muss. Bereits in der
Silvesternacht 2007/2008 töteten die zunächst
im "Wehrwolf"- Club des Philip Sch. feiernden Rechten in
einem sich entladenden Gewaltexzess einen der ihren.
Fünf der später sechs Angeklagten waren
militante Rechtsradikale, zwei davon damalige
Mitarbeiter im "Wehrwolf"- Club des heute angeklagten
Philip Sch.
Bezugnehmend auf die positive Sozialprognose, die die
23. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Michael
Zimmermann am 22. November 2013 in seiner Urteilsbegründung dem
Angeklagten ausweist und die hier dargestellten
Hintergründe, kann eine befriedete Zukunft um
Philip Sch. leider sicher nur bedingt erwartet werden.
Denn die Mitglieder des absolut hierarchisch
geführten, strengen Gesetzen oder/und Ritualen
verpflichteten Männerbundes MC "Schwarze Schar"
pflegen ein sichtlich kannibalisches Ehrgefühl, das
nach Beleidigungen offenbar geradezu hungert. Davon
sicher nicht ausgenommen ist Philip Sch., der derzeit
als Selbständiger seine Brötchen mit einem
Tattoo-Laden und einem Hausmeisterjob als Subunternehmer
in Wismar verdient.