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Gerichtsreportagen


Was meine Eltern aus mir gemacht haben


von von Barbara Keller

12.03.2011, Moabiter Kriminalgericht, 22. Große Strafkammer
"Das ist ja unfair! Dann sind wir zehn Minuten später bei Papi!" wirft der 12-jährige Julien seiner Mutter am Mittag des 16. April 2011 ungeduldig vor. Doch Sabine T. besteht darauf, dass ihre Kinder den Mülleimer noch hinunter bringen. Es ist das letzte Mal, dass die gelernte Erzieherin mit ihrem Sohn Auge in Auge sprechen wird. Denn ihr ehemaliger Partner Birk D. (34), zu dem ihre Kinder aufbrechen, wird seinen arglosen Sohn 48 Stunden später mit einem Hammer hinterrücks erschlagen.
- "Vater gesteht Tötung von Julien"
(Süddeutsche Ztg., 24.04.2011)

- Bericht vom 25.04.2012
- Bericht vom 30.04.2012 (Urteil)

Seit zwei Monaten verhandelt eine Berliner Strafkammer über dieses unfassbare Verbrechen. Blass, mit gesenktem Kopf und eingezogenen Schultern studiert Birk D. erschlug seinen 12-jährigen Sohnder Angeklagte seitdem an jedem Prozesstag seine Schuhspitzen und die angrenzenden Bodenpartien. In seiner Einlassung, die er durch seinen Verteidiger am zweiten Verhandlungstag vortragen lässt, versucht Birk D., sich selbst zu erklären. "Ich bin zu dem geworden, was meine Eltern aus mir gemacht haben", heißt es darin.

Ein Mensch, der Richtig und Falsch nicht zu unterscheiden wisse, in jeder Hinsicht labil. "Die einzigen Personen, die mir etwas bedeutet haben, waren meine beiden geliebten Kinder", sagt der Angeklagte, der noch eine dritte kleine Tochter mit einer anderen Frau hat. Birk D. behauptet, er habe verhindern wollen, dass seine Kinder "in dieser schrecklich gefühllosen, hoffnungslosen Welt" auf denselben Weg geraten würden wie er. "Ich hätte wie meine Schwester eine Therapie machen sollen. Dann wäre es nie dazu gekommen."

Birk D. wollte am Nachmittag des 18. April 2011 zuerst die Kinder und dann sich töten. So hatte es Birk D. dem Düsseldorfer Vernehmungsbeamten fünf Tage darauf berichtet. Doch dann habe ihn der Mut verlassen. Nach Düsseldorf sei er am Tag nach der Tat gereist, um dort von einem Hochhaus zu springen. Aber zufällig beobachtete ihn jemand dabei, wie er sich unbefugt über einen Zaun auf das Hafengelände hangelte. Kurz darauf geriet der bundesweit zur Fahndung ausgeschriebene, aus Niedersachsen gebürtige Berliner in eine Routinekontrolle der Polizei. Birk D. ist geständig und erstaunt den Polizeibeamten mit seinem Gleichmut. Der Ermittler berichtet: "Es kullerten ein paar Tränen... mehr war nicht."

Auch Sabine T., die Mutter des getöteten Zwölfjährigen, wartet am 13.01.2012, am ersten Tag der Hauptverhandlung, umsonst auf einen Blick, eine Geste, ein Wort von ihrem einstigen Lebensgefährten. Birk D., der sich für depressiv aber nicht mehr suizidgefährdet erklärt, wagt den Blick jedoch nicht über die Holzbrüstung der Anklagebank zu heben. Inzwischen haben neben zahlreichen Ermittlungsbeamten auch diverse Personen aus dem näheren Umfeld des Angeklagten ausgesagt.

Danach soll der arbeitslose Birk D. täglich bis 13:00 geschlafen, seine Tage in Buchgeschäften, bei Science Fiction und im Internet-Café zugebracht haben. "Weil er mich belog", so die letzte weibliche Partnerin des Angeklagten, "habe ich ihn rausgeschmissen." Die letzten 26 Euro soll Birk D. ihr gestohlen haben, obwohl er wusste, "dass ich das Geld für die Kleine brauche". Bei jeder Gelegenheit soll der Angeklagte mit Selbsttötung gedroht haben. Auch wenn er beim gemeinsamen Computerspiel Tetris den Kürzeren zog. Birk D. sei "pornosüchtig" gewesen und habe mit anderen im Internet geflirtet. "Arbeit war nichts für ihn", sagte die Zeugin, die dreieinhalb Jahre mit ihm zusammenlebte und eine Tochter mit ihm hat.

Zuletzt wohnte Birk D. in Reinickendorf in einer homosexuellen Wohngemeinschaft, in die er sich, offenbar mehr als ihm zusagte, eingepasst zu haben schien. Birk D. dürfte, der flammenden Fürsprache einer seiner Zwillingsschwestern zufolge, der paralysierte Spross eines Vaters sein, der seine sprunghaften Affekte ratlos in Schläge und Psychoterror kanalisierte und als Erblast selbst auf eine Kindheit voller Prügel zurückblickte.

Der Prozess wird am 18. April 2012 fortgesetzt.





NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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