In Berlin gibt es rund 1.100 Lotterie-Büros und noch einmal soviel illegale Spielorte. Aus suchtpräventivem Grund gilt in Deutschland das staatliche Lottomonopol. Pferderennen, Spielautomaten, Casinos ausgenommen. Trotz des Monopols sollen laut einer Studie rund 94 Prozent der milliardenschweren Wettumsätze über nichtlizensierte Anbieter laufen.
Als Bagdat M. 2006 den Wett-Shop Mega-bet in der Turmstraße 40 von einem Bekannten für 15.000 Euro übernimmt, ist die Rechtslage betreffs Sportwetten zwar umstritten, aber eindeutig. Sie sind verboten. Dennoch erklärt der Jurastudent im August 2011 dem Gericht zuversichtlich: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst."
Bagdat M. hatte gehofft, als 'Wettvermittler' im Unterschied zu 'Veranstaltern von Wetten' nicht dem Glückspielverbot nach § 284 des StGB zu unterliegen. Er hielt sich für ausreichend informiert und 'vermittelte' Sportwetten für legal. Im Internet war er auf den Bad Homburger Rechtsanwalt Guido Bongers gestoßen, der auf Sportwetten spezialisiert für einige seiner Mandanten gerichtliche Erfolge erstreiten konnte. Auch vor einem Berliner Gericht war Bongers mit seiner feinen Differenzierung zwischen 'Vermitteln' und 'Veranstalten' erfolgreich.
Dass Gerichte in den Bundesländern unterschiedlich urteilen und manche Kommunen Wettspielbüros stillschweigend dulden, sogar der EuGH das staatliche Glücksspielmonopol in Frage stellt, kann aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass im Zweifelsfall der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag (1.1.2008) bindend ist.
Bagdat M., mit sieben Prozent am vermittelten Wettumsatz beteiligt, erklärt, innerhalb der vier Jahre mit dem Wettspielbüro einen Gewinn von gerade 1.800 Euro gemacht zu haben. Er sei an die Rückzahlung der Investition gebunden gewesen. Als dem Jurastudenten Anfang August 2010 eine Untersagungsverfügung ins Haus flattert, ist außer Spesen offiziell also nichts gewesen.
Der Angeklagte ist ein großer, stattlicher, junger Mann. Er trägt Jeans, ein kurzärmliges, blaukariertes Hemd, einen Kurzhaarschnitt. Er wirkt angespannt. Als Richterin Klasen ihn fragt, ob er sich denn einmal bei den zuständigen Ordnungsbehörden erkundigt hätte, bleibt er die Antwort schuldig. Er erklärt: "Ich habe mir für die Zukunft etwas Schönes versprochen." Das Wettspielbüro, inklusive Café betrieb er mit Unterstützung von Verwandten und Bekannten.
Mit einem mitfühlenden Blick auf den Angeklagten bietet der Staatsanwalt wegen der Geringfügigkeit der Schuld schließlich die Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO an. Die Vorsitzende Richterin bittet um eine Pause zwecks Verständigung zwischen Verteidigung, Staatsanwalt und Gericht.
Während im Gerichtssaal zäh um die Kostenfrage gestritten wird, kommen im Wartebereich Bagdat M., ein Vertreter des Wett-Shop-Anbieters Mega-bet und der als Zeuge geladene Beamte des zuständigen Ordnungsamtes miteinander ins Gespräch. Dass das staatliche Monopol auf Sportwetten fällt und die Vergabe von vielleicht 300 Lizenzen ins Haus steht, wird akustisch freundlich im Raum bewegt.
Wieder zurück im Verhandlungssaal, steht die Einstellung des Verfahrens zur Disposition. Bedingung: der Angeklagte trägt die eigenen Auslagen selbst. Wieder wird die Verhandlung unterbrochen. Während Angeklagter und Anwältin sich zu einer Beratung zurückziehen, beklagen Richterin und Staatsanwalt die unsolide Gesetzeslage.
Nach kurzem Widerstand und in Hinblick auf sein Studium willigt Bagdat M. schließlich ein. Richterin Klasen verkündet die Einstellung des Verfahrens und erklärt sichtlich erleichtert: "Ich habe selten so mitgelitten." Auf dem Flur tritt zuletzt der heute nicht benötigte Zeuge an den gebürtigen Weddinger heran. Die Ordnungsbehörde hat noch einige Tausend Euro Forderung an den soeben Entlasteten, kündigt er an und wünscht ihm dann alles Gute für die Zukunft.