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Gerichtsreportagen


Erstes Urteil im Islamisten-Prozess


von von Barbara Keller

09.3.2011, 1. Strafsenat
Zweieinhalb Jahre Haft verhängte der erste Berliner Strafsenat heute gegen eine der drei Unterstützer terroristischer Gruppen im afghanischen Grenzgebiet. Filiz Gelowicz (28), die zwischen Oktober 2009 und Februar 2010 in 'fanatischer Weise' Internetaktivitäten für Al Qaida, die Deutschen Taliban Mudschahedin (DTM) und Islamische Dschihad Union (IJU) entwickelte, Gelder für dieses akquirierte und übersandte, hatte bereits zu Prozessbeginn ein umfängliches Geständnis abgelegt und ihre Taten aufrichtig bereut...
'berlinkriminell.de' berichtete...

Als der Vorsitzende Richter Josef Hoch das Urteil verkündet und den bestehenden Haftbefehl aufhebt mit der Begründung, es bestehe keine Fluchtgefahr mehr, ist ein helles Jauchzen aus dem Zuschauerraum zu hören. Dort haben sich bei exemplarischen Sicherheitsmaßnahmen und großem Polizeiaufgebot lediglich drei Damen im Hidschab und wenige verstreute Prozessinteressierte eingefunden.



Am Tag der Urteilsverkündung ist nichts mehr von usbekischen und US-amerikanischen Geheimdiensten zu hören oder davon, dass die DTM nur ein Internet-Phantom, die IJU das Werk des usbekischen Geheimdienstes sein könnten. Stattdessen würdigte das Gericht die Kooperationsbereitschaft der Angeklagten und deren Verteidigung, die sich "auf relevante Fragen konzentriert" und sich nicht auf "unsinniges Geplänkel eingelassen" hätte.

In elf Taten, begangen in nur vier Monaten zwischen Oktober 2009 und Februar 2010 erklärte das Gericht die kurdisch gebürtigen Deutsche aus Neu Ulm (Schwaben) für schuldig. Dabei ging es um die Einstellung von circa 101 Videos mit dschihadistischen Inhalten auf neun Vidiokanälen für Al Qaida, die DTM sowie die IJU. Rund 1.000 Einträge extremistischen Inhalts erstellte Filiz Gelowicz unter dem Nutzernamen 'fisebilillah' auf einem Forum, für das sie im deutschsprachigen Bereich als Supermoderatorin fungierte.

"In geradazu fanatischer Internetaktivität", so das Gericht, rief die Angeklagte auch Frauen zur Teilnahme am bewaffneten Kampf gegen die "dreckigen Kuffa*" (*Ungläubigen) auf. Sie ging sogar so weit in ihrer Überzeugung, selbst nach Waziristan, in das afghanische Grenzgebiet auszureisen zu wollen.

"Das hat sie inzwischen glaubhaft aufgegeben", erklärt der Vorsitzende Richter Josef Hoch in der Urteilsbegründung. Filiz Gelowicz, die über die terroristischen Umtriebe ihres Mannes Fritz nicht orientiert war, geriet nach Ansicht des Gerichtes nach seiner Verurteilung Anfang 2009 in eine Krise und über das Internet in Kontakt zu den Gesinnungsgenossen ihres Gatten. Die Angeklagte sei über Internet-Foren und Chats ein "leichtes Opfer" für den Propaganda-Chef der DTM, Ahmet Manevbasi (? 2009), in Waziristan geworden, von dem sie sich in der Folgezeit mehr und mehr vereinnahmen ließ.

Einen minder schweren Fall, wie von der Verteidigung vorgetragen, konnte der Strafsenat nicht erkennen. Die Angeklagte, begründete Richter Hoch die Entscheidung, habe mit Vorsatz gehandelt und Selbstmordattentate gefördert. Dies trotzdem sie wusste, dass ihr Mann als Chef der terroristischen 'Sauerlandgruppe' im Namen der IJU in Deutschland Attentate geplant hatte.

Das Gericht blieb bei der Strafzumessung, eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren war möglich, im unteren Bereich und hob entgegen dem Antrag der Bundesanwaltschaft den bestehenden Haftbefehl auf. "Wir sind überzeugt", so Richter Hoch, "dass Filiz Gelowicz nicht ausreisen wird." Es sei auch fraglich, ob die durch Drohnenangriffe der US-amerikanischen Streitkräfte stark dezimierte DTM in Waziristan überhaupt noch existiere.

Bundesanwalt Volker Brinkmann zeigte sich mit der Entscheidung des Strafsenats, die er für "ausgewogen" hielt, zufrieden und erklärte überzeugt: "Die Angeklagte hat sich glaubhaft von den Taten distanziert." Indessen wird die Verteidigung Revision einlegen, das ließ Rechtsanwalt Hansgeorg Birkhoff bereits wissen. Birkhoff, der eine Bewährungsstrafe für seine Mandantin beantragt hatte, erklärte von dem Urteil ginge ein falsches Signal aus, die Möglichkeit eines Dialogs sei verpasst.

Für Filiz Gelowicz, die nach wie vor begehrte Gesprächspartnerin der Parteigänger ihres Mannes ist, brechen schwere Zeiten an. Für sie wird es sicher nicht leicht werden, sich gegen die Begehrlichkeiten einschlägiger Interessengruppen zu wehren und ihren eigenen Weg zu finden.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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