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Rumgewuselt wie im Gruselfilm


von Uta Falck-Eisenhardt

Normalerweise ist es am Sonntag vormittag ziemlich ruhig bei der Polizei. Nicht so am Sonntag, den 11. Dezember 2005. Um 10.14 Uhr ging der erste Notruf bei der Polizeidirektion 21 in Spandau ein: Ein Mann meldete eine Schlägerei, in die ein Zivilpolizist verwickelt sein sollte. 26 Minuten später rief der Mann wieder an: "Bitte, bitte, bitte, kommen Sie schnell mit mehreren Wagen. Hier wird eingebrochen und es gibt eine Schlägerei vor der Tür."

Weitere drei Minuten später: "Acht bis zehn Leute versuchen einzubrechen, ich muss das Fenster verrammeln. Bitte kommen Sie schnell, es ist ernst!" Drei Streifenwagen mit sechs Beamten fuhren zu dem weitläufigen Industriegelände in Hakenfelde, Parkstraße 13. An einer Lagerhalle klopften und riefen die Beamten, doch niemand machte ihnen auf. Ein Beamter drückte an der metallenen Hintertür eine Klinke herunter, doch die war abgeschlossen.

Durchs Fenster sah sein Kollege einen Mann, der sich unter einer Fensterbank versteckte und mit Stromkabeln hantierte. Beim Anblick der Kabel schöpfte der Beamte Verdacht und warnte seine Kollegen. Mit Unterstützung der Feuerwehr drangen die Beamten über eine Nebentür in den Probenraum einer Rockband ein. Dort fanden sie den 32-jährigen Jens M. und einen abenteuerlich gebastelten Stromkreis mit einem Fluter und zwei abisolierten Kabelenden, die an der Klinke der Metalltür und im Türschloss endeten. Das andere Leitungsende befand sich in einer Steckdose.

Eine Beamtin beschreibt die Festnahmesituation: "Der hat uns gesehen, hat aber nicht mit uns gesprochen. Er ist rumgewuselt wie im Gruselfilm." Mitten in einem solchen Film befand sich der Angeklagte offensichtlich seit etwa sechs Stunden: Seit drei Tagen mischte der gelernte Veranstaltungstechniker die Aufnahmen einer Band ab. Am Montag wollte er ein anständiges Resultat vorlegen. Um die Nacht nicht mit Schlafen zu vergeuden, rauchte er nicht nur wie seit Jahren seine Joints, sondern nahm zusätzlich Speed. Am Sonntag gegen vier Uhr ging es dann los: Er hörte Stimmen, sah Schatten, die er für imaginäre Einbrecher hielt.

Daraufhin rief er die Polizei. Da seine Angst immer größer wurde, kam er auf die Idee, sich mit Strom zu schützen. "Ich habe intuitiv verkabelt, so wie ich es auf der Bühne machen würde." Beim ersten Versuch erzeugt er einen Kurzschluss, also schaltet er einen Verbraucher – einen 1000 Watt-Fluter – dazwischen. Der elektrotechnische Gutachter stellte später fest, dass die Tür isoliert gewesen ist, das bedeutet, die Klinke stand unter Spannung. Wenn jemand, der Schuhe mit Gummisohlen trug, dort angefasst hätte, wäre nichts passiert: "Wie bei einem Vogel auf einer Hochspannungsleitung."

Tödlich wäre es gewesen, wenn der Klinkendrücker gleichzeitig Kontakt zum nahestehenden geerdeten Treppengeländer oder zum Regenabflussrohr gehabt hätte. "Dann wäre ein Nebenstromkreis entstanden, der Mensch hätte als Spannungsteiler fungiert." Die anzunehmende Stromstärke von 170 mA wirkt tödlich. Jens M. will das nicht glauben, meint dass die Tür nicht unter Strom stand. Der Gutachter sagt auch: "Wenn die Tür geerdet gewesen wäre, wäre nichts passiert. Das kann man als Laie aber nicht wissen."
Seit zehn Jahren hat Jens M. Berührung mit der Polizei wegen Trunkenheit im Verkehr, Besitz und Einfuhr von Betäubungsmitteln, wurde deswegen zu Geldstrafen verurteilt.

Vor vier Jahren brach er eine Alkoholtherapie ab, um seine Ausbildung als Veranstaltungstechniker abzuschließen. Der psychiatrische Gutachter, der dem Angeklagten für den Tatzeitpunkt eine verminderte Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit attestiert, empfiehlt keine Unterbringung in der Psychiatrie, wohl aber eine Drogentherapie. Skeptisch verhielt sich die Richterin zu der Einschätzung, der Angeklagte würde wohl nach dieser Tat nicht mehr zum Speed greifen. Der Prozess wird fortgesetzt.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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