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aus dem moabiter kriminalgericht


Bestechung: Treuhand, die üblen Nachwehen


von Barbara Keller

20. Juli 2005. Moabiter Kriminalgericht, 26. Große Strafkammer.
Innerhalb dreier Jahre, zwischen 1991 und 1993, soll sich Abteilungsleiter und -jurist Wolfgang N. (63), beschäftigt in der Abteilung für rechtliche Fragen der Privatisierung der Treuhand, mehrfach für den Unternehmer Rainer K. (48) verwendet haben. Im Gegenzug verhalf Rainer K., so die Berliner Staatsanwaltschaft, dem Treuhandbediensteten zu einer Immobilie in Wenningstedt auf Sylt. Der Schaden für die Treuhandanstalt geht in die Millionen.


1990, die Treuhand hat gerade ihre Arbeit aufgenommen, will ein Berliner Bäcker die ganze DDR kaufen. Horst Schiesser, bekannt auch vom Neue-Heimat-Skandal 1986. Es sind die Wildwestzeiten, als Goldgräber aller Couleur ihre Finger nach dem Ramschladen DDR ausstrecken. 1991, als Treuhand- und Hoesch-Vorstandschef Detlev Rohwedder ermordet wird, nimmt auch der heute angeklagte Wolfgang N. bei der Treuhand seine Arbeit auf, als Rechtsanwalt und Abteilungsleiter in der Abteilung für rechtliche Fragen der Privatisierung und Vertragsabwicklung der Unternehmen. Bis mindestens 1993, als die Treuhand ihre Strategie von Verramschen auf Sanieren umstellt, ist der aus Białogard/Pommern gebürtige, jetzt in Schleswig-Holstein ansässige, Rechtsanwalt für die Anstalt an der Leipziger Straße tätig.

Das 'Gesamtkunstwerk'

Im Dezember 1994 montiert Treuhandchefin Birgit Breuel das Schild der Treuhand vom Haus an der Leipziger Straße ab. Da ist bereits klar: die jährliche Tilgung der Schulden samt Zinsen, die die Treuhand hinterlässt, beträgt rund 8,5 Milliarden €. Ihre Nachfolgerin, die BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben), amtiert nun wieder am Alexanderplatz. Mit 2.800 Mitarbeitern, einem Jahresetat von rund 250 Mio. € und einem Ossimitarbeiteranteil von 70%. Ihre Aufgabe: das Schicksal der restlichen 65 Ost-Betriebe zu verwalten und die 38.000 Verträge, die die Treuhand ihr überließ zu kontrollieren.

Die großen Deals indessen sind gelaufen, die schönen Zeiten vorbei, die Gehälter nicht mehr privatwirtschaftlich verhandelbar und nach BAT genormt. Eine weitere traurige Bilanz, von der kaum einer spricht, ist: die Zusagen der damaligen Käufer auf Investitionen waren nur zu 50% verbindlich. Mitte 1996 fehlen diesbezüglich bereits 40 Milliarden € auf dem Konto der BvS. - Mangelnde Erfahrungen, falsche Entscheidungen, aber auch kriminelle Energie sind die Ursachen dieser schlechten Bilanz.

Die Aktien

Wie hell das Licht von Wolfgang N. in diesem 'Gesamtkunstwerk Selbstbedienung' leuchtet, muss dahingestellt bleiben. Jedenfalls soll Wolfgang N. bereits 1993 mindestens einem illustren Schäfchen ins Trockene geholfen haben: einer Immobilie auf Sylt im schönen Wenningstedt. Diesen Fall der Bestechlichkeit bringt die Berliner Staatsanwaltschaft denn auch gegen den Ex-Treuhandbeschäftigten zur Anklage.

Im Detail: 1991 verkaufte Wolfgang N. im Namen der Treuhand an den Wuppertaler Unternehmer Rainer K. (48) ein Unternehmen als GbR. Wolfgang N. soll die Entschuldung dieses Unternehmens durch die Treuhand veranlasst und auf die in retour der Treuhand zustehende Vorsteuerrückzahlung des Finanzamtes in Höhe von 4.685.230,63 DM zugunsten von Rainer K. verzichtet haben. - Als Stellvertreter der Treuhand. Zudem soll Wolfgang N. im Jahre 1993 den Verzicht der Treuhandanstalt auf ein Bürgschaftsgeld des Unternehmers Rainer K. in Höhe von 134.606,63 DM veranlasst haben. Die Ausbuchung der Summe geschah am 27. August 1993.

Schenkung durch Stundung

Im Gegenzug heißt es, hat der jetzt der Bestechung angeklagte Unternehmer Rainer K. dem Treuhandabteilungsleiter Wolfgang N. - ohne jede Sicherheit - eine Immobilie seiner Wahl und einen millionenschweren Restitutionsanspruch für schlappe 350.000 DM angeboten. Die Wahl des treuhandbeschäftigten Juristen fiel auf eine Eigentumswohnung in Wenningstedt auf Sylt. Die Immobilie wurde durch einen Zwischenkäufer erworben und ging für 1.500.000 DM - inklusive Inventar - über den Tisch. Beide Deals mit einem Schönheitsfehler: der Kaufpreis wurde in beiden Fällen gestundet. Wolfgang N. ging ohne jede Gegenleistung am 24. August 1994 als Eigentümer ins Grundbuch der Immobilie ein.

Die Anklage für die Wendefinanzexperten lautet jetzt: Bestechung und Bestechlichkeit. Dem Unternehmer Rainer K. droht bei einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, im 'minder schweren Fall' Haft bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Der Treuhandjurist und -abteilungsleiter Wolfgang N. darf im Falle des Schuldspruchs mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren rechnen, im 'minder schweren Fall' kommt eine Haft bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe in Betracht.


Das Urteil:
Das zähe Ringen um die Beweislage in punkto Bestechung und Bestechlichkeit hat ein Ende, bevor die Teilnehmer überhaupt ins Schwitzen kamen. Verjährung heißt das Zauberwort. Die zehn Jahre 'absoluter Verjährung' sind um, hieß es am heutigen, kurzen Verhandlungstag. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte der Bundesgerichtshof bereits zugunsten eines Angeklagten entschieden. So kommen auch die Angeklagten Rainer K. und Wolfgang N. in den Genuss eines Freispruchs. - Jedenfalls bezüglich der Bestechungs- und Bestechlichkeitsvorwürfe.

Die ca. 4, 5 Millionen DM Vorsteuer, die Wolfgang N. anstatt der Treuhand dem Unternehmer und Angeklagten Rainer K. zukommen ließ, jedoch bleiben - auch wenn sie nun futsch sind - nicht ungesühnt. Hier heißt die Anklage: Untreue im besonders schweren Fall.

Neun Monate Haft auf drei Jahre Bewährung ausgesetzt für den Ex-Treuhandjuristen Wolfgang N., Freispruch für den in Millionenhöhe bevorteilten Unternehmer Rainer K. So lautet nun das Urteil, das die Vorsitzende Richterin der 26. Großen Strafkammer Dr. Karin Garz-Holzmann heute, am 10.08.05 verkündet.

Zudem zahlt Wolfgang N. eine Summe von 9.000 € in monatlichen 200 €-Schritten an die Landeskasse. Den Rest übernimmt die Landeskasse: Im Fall Rainer K. zahlt sie die Prozesskosten komplett, für Wolfgang N. übernimmt sie sie zu 50%. - Der Ausgang dieses Verfahrens kann wohl niemanden befriedigen.


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DER SPIEGEL (26/1997) - 23.06.1997 (8424 Zeichen)
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Die Firmengruppe eines ehemaligen Rudertrainers ruinierte
ein florierendes Ost-Unternehmen, das sie auf merkwürdige Weise
von der Treuhand erworben hatte.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Wolfgang N.
Rechtsanwalt Wolfgang N. (63) , Jurist und Leiter der Abteilung für Privatisierung in der Treuhandanstalt, soll der Treuhand durch seine Deals mit Rainer K. einen Millionenschaden zugefügt haben.

Rainer K.
Unternehmer Rainer K. (48) soll den Treuhandjuristen Wolfgang N. für sein Entgegenkommen mit einer Immobilie in Wenningstedt auf Sylt versorgt haben.



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