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aus dem moabiter kriminalgericht


Verfahrensfehler mit Folgen


von Barbara Keller

10. Juni 2005. Kriminalgericht Berlin Moabit. 28. Gr. Strafkammer.
Am 15. Oktober 2004 verurteilt die 22. Strafkammer des Berliner Landgerichts Peter M. (59) wegen Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.
('berlinkriminell' berichtete) Ein halbes Jahr später muss das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers nach unten korrigiert werden: Zwischen Tat und Eröffnung der Hauptverhandlung lagen ganze vier Jahre. - Die Kosten des Verfahrens trägt zum Großteil die Landeskasse.


Peter M. hatte im Herbst 2000 seine langjährige Mitbewohnerin Angelika T.* in der gemeinsamen Wohnung in der Drontheimer Straße (Wedding) gefesselt, vergewaltigt und verletzt. Teil seiner erniedrigenden, sadistischen Sexpraktiken war die Benutzung eines Nageldildos. Jahrelang scheint Peter M. die einfach strukturierte Analphabetin Angelika T.* seinen sadistischen Obsessionen unterworfen zu haben. Bis sich endlich der Sozialpsychiatrische Dienst einschaltete und die Polizei dem Treiben ein Ende setzte.

Als Richter Peter Faust am 15. Oktober 2004 das Urteil fällt, gibt es an der Höhe des Strafmaßes eigentlich nichts zu kritteln. Eigentlich. Denn der Rechtbeistand des Angeklagten, Thomas Wüst, findet ohne großes Suchen ein recht dickes Haar in der Suppe. Schließlich gingen bis zur Eröffnung des Gerichtsverfahrens gegen seinen Mandanten ganze vier Jahre ins Land. Rechtsanwalt Thomas Wüst mahnt eine »rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung«, einen Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention an, nach der jede Person ein Recht auf ein faires Verfahren hat. Und sieht hierin einen Strafmilderungs- und Revisionsgrund.

Überlastet und unstrukturiert

Die Akte Peter M. wandert folgerichtig zum 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs nach Leipzig. Der bestätigt den Revisionsgrund im April 2005 und gibt die Unterlagen zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Berliner Landgerichts zurück. Am 10. Juni 2005 sitzt nun die 28. Strafkammer über Peter M. zu Gericht. Zu verhandeln ist allerdings nur noch über den Vorwurf der »rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung«.

Schnell wird klar: Tatsächlich lagerten die Akten zu Peter M. monatelang bei der Polizei. Wegen »arbeitsmäßiger Überlastung« ohne Bearbeitung wie es heißt. Zwar sei dann eigentlich immer etwas geschehen. Aber nicht sehr strukturiert. So dauerte die Bestellung eines psychologischen Gutachtens für Peter M. überverhältnismäßig lang, um dann schließlich doch durch das eines anderen Sachverständigen ersetzt zu werden. Auch das Glaubwürdigkeitsgutachten für die Zeugin Angelika T.*, das Opfer, wurde unverständlich spät in Auftrag gegeben.

Strafe gemildert

Aber »Um Gottes Willen«, so die vorsitzende Richterin, »das heißt nicht, dass hier jemand seine Arbeit nicht gemacht hat!« Und verweist auf die immensen Aktenberge, die die Strafkammern zu bewältigen hätten. Und schließlich seien Verzögerungen auch dadurch zustande gekommen, dass Peter M., derweil auf freiem Fuß, teils obdachlos, teils mit unbekannter Anschrift verzogen war. - Bis die 22. Strafkammer im März 2004 gegen Peter M. endlich Haftbefehl ausstellte und eine Fahndung ausgeschrieben wurde. Seit 16. März 2004 sitzt Peter M. in Untersuchungshaft.

In der Summe jedoch, so schließlich das Urteil der 28. Strafkammer, muss der Vorwurf der »rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung« eingeräumt und diese mildernd auf den Urteilsspruch wirken. Fazit: Ganze zwei Monate Haft erlässt das Gericht dem Angeklagten. Die Kosten des Verfahrens trägt zum größten Teil die Justizkasse.

Fit durch mehr Ausgang

Und Peter M.? Der schüttelt während der Anklageverlesung pausenlos den Kopf, schnalzt verächtlich mit der Zunge, als wolle er sagen: »Na, gibt’s denn so was?« – Auf seine Haftbedingungen angesprochen, bittet Peter M. um mehr Freigang: »Mir fehlt die Bewegungsfreiheit. Ich habe einen sehr schlechten Kreislauf.« Und ansonsten: »Ich schließe mich den Ausführungen meines Verteidigers an.«

*Name von der Redaktion geändert



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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