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Gerichtsreportagen


Sie sollte endlich ruhig sein!


von von Barbara Keller

Di., 14.12.2010, Moabiter Kriminalgericht, 40. gr. SK
Am 16. Juni dieses Jahres tötet Joachim G. (56) seine Frau Christina G. (55). Nach 22 Jahren glücklicher Ehe, 30 Jahren harmonischer Partnerschaft kommt es zwischen den Beiden zum Eklat, als Joachim G. vor dem Zubettgehen aus heiterem Himmel eine 'Auszeit' anregt und kurz vor dem Einschlafen ein außereheliches Verhältnis offenbart. Den darauf folgenden, erregten Monolog seiner gekränkten Frau erstickt Joachim G., der endlich schlafen will, mit einem Kissen. Am Tag darauf tritt der selbständige Taxifahrer statt seines Dienstes die Untersuchungshaft an. Totschlag in minder schwerem Fall. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß...

Es gibt nicht viel zu reden über das Ehepaar G. Der Angeklagte sagt es selbst und so bestätigen es auch die Zeugen: Sie führten eine gute Ehe, die von Harmonie und gegenseitiger Rücksichtnahme getragen war. Noch nach 30 Jahren Partnerschaft gingen beide Hand in Hand und 'turtelten miteinander herum' wie frisch verliebt.

Joachim G. war noch Student, als er die Rechtsanwaltsgehilfin Christina M., seine spätere Frau, beim Rasenhockey kennenlernte. Er studierte Sport, schloss dann jedoch als Langzeitstudent seine Akademikerlaufbahn als selbständiger Taxifahrer ab. Die Beiden waren ein harmonisches Paar, man verstand sich. Unstimmigkeiten wurden mit Vernunft und Contenance geregelt.

Ein ungelöster Konflikt blieb jedoch die anhaltende Kinderlosigkeit des Paares. Joachim und Christina G. resignierten schließlich und beschlossen, ein angenehmes Leben zu führen. Man reiste viel, teilte die Leidenschaft für das Rasenhockey, kaufte sich ein Rennpferd und verlegte sich auf Wetten. Eine alles in allem gelungene Partnerschaft.

Die Störung

Bis Christina G., circa 55-jährig, mit gesundheitlichen und psychischen Problemen zu kämpfen begann. Bei Joachim G. traten parallel dazu Erektionsstörungen auf. Diese Störungen erholten sich in der Folge an der Liebschaft mit einer Sportfreundin, Carola Sch. (53), die sich neben der weiterhin harmonisch verlaufenden Ehe verwirklichte. Rund anderthalb Jahre lang. Einer Klärung der Verhältnisse entzog sich Joachim G. erfolgreich.

Er fühlte sich wohl mit beiden Frauen, wollte sowohl seine Ehefrau als auch die gemeinsamen Erlebnisse mit Carola Sch. nicht missen. Obwohl sich Joachim G. innerlich von seiner Frau entfernte, die sich, wie er leise für sich bemängelte, auf den Lebensabend einzustimmen begann.

Andererseits und trotzdem das Verhältnis zu Carola Sch. auch sexueller Natur ist, erreicht es nicht den Rang einer Liebe. Das bekennt Joachim G. später auch dem Gericht. Die 'first Lady' kann Carola Sch. nicht werden. Sie sagt selbst: "Hätte ich ihn vor die Wahl gestellt, hätte ich verloren." Trotzdem bittet sie Joachim G., seiner Frau reinen Wein einzuschenken, bevor sie es von dritter Seite hört.

Am 17. Juli dieses Jahres erfährt Christina G. von ihrer Nebenbuhlerin in einer Weise, die sie auf die Palme bringt und in Folge das Leben kostet. Nach einem gemeinsamen, 'schönen Abend' auf dem Balkon flieht das Paar vor den Mücken in das Wohnzimmer. Vereinzelt vorgebrachte Kritikpunkte trüben die Stimmung geringfügig. Ein nicht gekaufter Balkontisch, auf der Pferderennbahn verspielte 200 Euro und die von Christina G. fortgeworfene Examensarbeit ihres Mannes.

Als Christina G. auf die Erektionsstörungen ihres Mannes zu sprechen kommt, schlägt Joachim G. unvermittelt eine 'Auszeit' vor. Das Ehepaar hat zu diesem Zeitpunkt, bis auf einen lahmen Versuch im Sommer, etwa zweieinhalb Jahre nicht mehr miteinander geschlafen. Man könnte ja einmal getrennt leben, sagt Joachim G. Seine Frau ist alarmiert. Er aber will nun erst einmal über diese Sache schlafen. Man geht zu Bett.

Du, wir müssen reden!

Christina G. kann nicht einschlafen. Gegen halb Eins schaltet sie das Licht ein und weckt ihren Mann: "Du, wir müssen reden." Sie überschüttet ihn mit Fragen. Wie er sich das vorstelle, wer dann sein Büro führe und überhaupt: Wo er denn wohnen wolle? Joachim G. ist müde und genervt. Er erklärt: Dann schlafe ich eben bei meiner Freundin. Nachdem Christina G. diese Kröte geschluckt hat, fragt sie: "Schläfst du mit ihr?" Und erhält zur Antwort: "Natürlich schlafe ich mit ihr. Da klappt es auch."

Die sonst beherrschte Frau beginnt daraufhin einen teils beleidigenden Monolog, den Joachim G. wiederholt mit der Aufforderung "Hör auf!" zu unterbrechen sucht. Schließlich schubst er Christina G., die daraufhin rücklinks aus dem Bett fällt. Sie zeigt ihm den 'Stinkefinger' und sagt: "Du spinnst wohl!" Dann schimpft sie weiter. Wütend stürzt sich Joachim G. schließlich auf seine Frau. Er greift sich ein Kissen und drückt es ihr auf das Gesicht. Er fixiert die Beine der sich heftig wehrenden Frau mit den eigenen Füßen, nimmt sie in die Zange und erstickt sie mit einem Kissen.

Später wird Joachim G. dem Gericht erklären: "Sie sollte doch nur ruhig sein!" Am frühen Morgen dieses Tages stellt sich der bislang unbescholtene Joachim G. nach zwei abgebrochenen Anläufen der Polizei. Er legt ein Geständnis ab.

Ein minder schwerer Fall

Fünf Monate später beginnt vor einer Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts der Prozess gegen den Taxiunternehmer Joachim G. wegen Totschlags. Der Prozess kommt mit nur drei Terminen und auch nur wenigen Zeugen aus.

Der Sachverständige für forensische Psychiatrie Dr. med. Ulrich Giese gibt den Ausschlag für die Beurteilung der vorliegenden Tat. Er bescheinigt dem Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat. "Ein hochgradiger Spannungszustand, der auf Entladung drängte", habe in Joachim G. vorgeherrscht. Der Angeklagte sei durch die Herausforderung seines Doppellebens zwischen zwei Frauen überfordert gewesen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Getragen von der allgemein für den Angeklagten vorherrschenden Empathie nahm der öffentliche Ankläger einen sonstigen minder schweren Fall nach § 213 StGB an. Joachim G. sei von der Zwangssituation und dem Pflichtgefühl seiner Frau gegenüber überfordert gewesen. Das hätte die affektgeladene Situation aufgebaut sowie eine vorübergehende Bewusstseinsstörung und eine effektive Erregung im Sinn des § 21 des StGB hervorgerufen.

Das Gericht ging in seiner Milde über diesen Antrag hinaus. Es verurteilte Joachim G. wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und verschonte ihn mit sofortiger Wirkung vom weiteren Vollzug. Joachim G. muss sich jetzt zweimal die Woche bei der Polizeidienststelle melden, seinen Pass abgeben und darf die Bundesrepublik nicht verlassen. Er hat alle Chancen, die gegen ihn verhängte Haft als Freigänger verbüßen zu können.

180 mal EINUNDZWANZIG

In der Urteilsbegründung bestätigte die Schwurgerichtskammer das Vorliegen eines 'sonstigen minder schweren Falls'. Auch wenn 'es manchmal schwer fällt, einen solchen nachzuvollziehen', erklärte der Vorsitzende Richter Ralf Fischer. Joachim G. sei übermüdet gewesen und überlastet von den zwei Leben in den 'zwei Häusern', wie er es selbst nannte.

Folgende Wünsche für die Zukunft hatte Joachim G. gegenüber dem Sachverständigen Dr. Giese formuliert: Er hoffe auf viel Hilfe, dass 'noch nicht alles kaputt sei' und dass er seine Strafe im offenen Vollzug verbüßen dürfe. Seine Wünsche gehen offenbar im vollem Umfang in Erfüllung. Joachim G. wurde nach Urteilsverkündung am Haupttor der JVA Moabit von Verwandten und Bekannten abgeholt. Unter den Personen, die auf Joachim G. warteten, war auch die Mutter der getöteten Cristina G. und Zweitfrau Claudia Sch.

Nachtrag: Die Affekttat des Angeklagten dauerte drei bis fünf Minuten. Solange dauerte der Todeskampf seiner Frau, deren Widerstand er brach. Joachim G. hätte Gelegenheit gehabt, 180 bis 300 mal gemächlich das Wort EINUNDZWANZIG, bzw. WAS IST HIER FALSCH, zu formulieren. Wahrlich eine Affekttat mit Längen. Richter Ralf Fischer erklärte: "Ohne diesen angenommenen Affekt, hätten wir von einem Mordfall sprechen müssen."
Nun denn, sprechen wir jetzt von einem Naturereignis?

* Die Fotos: Joachim G. vor Prozessbeginn und nach der Entlassung (neben ihm Claudia Sch.).


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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