Die Angeklagte ist eine
mittelgroße, schlanke Frau von gepflegter
Erscheinung. Sie trägt Jeans, ein
blütenweißes T-Shirt, darüber ein blaues
Fransentuch. Ihre schwarzen Haare hat sie zu einem kurzen
Zopf in den Nacken gebunden. "Ich bin da in eine Sache
reingeschliddert", erklärt sie auf dem Flur vor dem
Verfahren. Einen Rechtsanwalt glaubt sie nicht zu
benötigen.
Angelika H. ist alleinstehend und als
Gebäudereinigerin vollzeitbeschäftigt. Sie hat
drei erwachsene Kinder. Die Jüngste wohnt, weil
arbeitssuchend, noch bei ihr. Trotzdem Angelika H. einen
zweiten Job angenommen hat, mit dem sie 200 Euro
dazuverdient, reicht das Geld vorn und hinten nicht.
Bisweilen arbeitet sie bis 14 Stunden am Tag. "Ich
weiß manchmal nicht, woher ich das Geld nehmen
soll", erklärt sie. Einen Dispokredit hat die
Volksbank Angelika H. nicht eingeräumt.
Brachte die Angeklagte Weihnachten 2007 ihre EC-Karte
'fahrlässig' oder 'vorsätzlich' ohne
Kontodeckung in Einsatz? Das ist am Tag der
Hauptverhandlung am 3. September 2010 der 'casus
knacksus'. Angelika H. sagt: "Ich wusste doch nicht,
dass nichts mehr auf dem Konto war." Der Staatsanwalt
erklärt: "Kann man glauben, muss man aber nicht."
Und die Amtsrichterin hält der Angeklagten vor:
"Ich bin nicht verpflichtet, das 50 mal hintereinander
zu glauben."
Angelika H. nutzte in zwei weiteren Fällen vor
zwei Jahren die EC-Karte trotz ungedeckten Kontos. Die
Angeklagte widerspricht: "Das ist doch weit hergeholt
und lange her! Die Summen sind in der Zwischenzeit alle
beglichen."
"Und die 78 Euro von H & M?!", hält der
Staatsanwalt dagegen. Angelika H. gibt klein bei und
erklärt widerstrebend: "Das Geld hatte ich bislang
nicht." Nach einer kurzen Beratungspause unterbreitet
der Staatsanwalt Angelika H. sein 'letztes Angebot':
"Sie ziehen Ihren Einspruch zurück und zahlen 500
Euro."
Die Angeklagte fragt: "Ich verstehe nicht. Was
würde das bedeuten?" Die Richterin ergänzt:
"500 Euro, die man auch abarbeiten kann." Es könnte
sehr teuer werden, wenn die uneinsichtige Angeklagte in
den Kompromiss nicht einstimme. Denn eine
Fahrlässigkeit käme in ihrem Fall nicht in
Betracht.
Postwendend lenkt Angelika H. ein: "Okay, ich ziehe den
Einspruch zurück. Erklären Sie mir bitte noch
einmal ganz langsam, was das bedeutet." Die Richterin
führt sichtlich erleichtert die Details des
weiteren Procedere aus. Dass der Strafbefehl damit
rechtskräftig sei und postalisch zugestellt
würde, dass die Summe auch in Raten von 20 Euro
monatlich beglichen werden könnte. "Und wenn die
500 Euro bezahlt sind", fügt die vorsitzende
Richterin hinzu, "kann nach fünf Jahren auch der
Eintrag gelöscht werden."
Angelika H. erwidert: "Na ja, das ist ja ein Angebot."
Die Richterin empfiehlt Angelika H. abschließend:
"Machen Sie's in Zukunft bar, dann kann da nichts mehr
passieren!"
Hennes & Mauritz und seine Hanseatische
Inkasso-Treuhand GMBH dürfte das Urteil freuen.