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Gerichtsreportagen


Das letzte Angebot


von Barbara Keller

Fr., 06.09.2010
Kurz vor Weihnachten 2007 geht Angelika H. in Dallgow Döberitz Kleidung bei Hennes & Mauritz (H & M) shoppen. Die 52-Jährige Gebäudereinigerin kauft Kleidungsstücke, darunter Hemden und ein Jackett im Wert von insgesamt 78 Euro. Sie bezahlt mit EC-Karte. Aber das Konto ist wieder einmal nicht gedeckt. Auch spätere Abbuchungsversuche von H & M bleiben erfolglos. Schließlich erhält die 'Wiederholungstäterin' einen Strafbefehl wegen Betrugs. Sie soll 400 Euro an die Welthungerhilfe zahlen. Angelika H. widerspricht: "Ich bin doch keine Betrügerin!"

Die Angeklagte ist eine mittelgroße, schlanke Frau von gepflegter Erscheinung. Sie trägt Jeans, ein blütenweißes T-Shirt, darüber ein blaues Fransentuch. Ihre schwarzen Haare hat sie zu einem kurzen Zopf in den Nacken gebunden. "Ich bin da in eine Sache reingeschliddert", erklärt sie auf dem Flur vor dem Verfahren. Einen Rechtsanwalt glaubt sie nicht zu benötigen.

Angelika H. ist alleinstehend und als Gebäudereinigerin vollzeitbeschäftigt. Sie hat drei erwachsene Kinder. Die Jüngste wohnt, weil arbeitssuchend, noch bei ihr. Trotzdem Angelika H. einen zweiten Job angenommen hat, mit dem sie 200 Euro dazuverdient, reicht das Geld vorn und hinten nicht. Bisweilen arbeitet sie bis 14 Stunden am Tag. "Ich weiß manchmal nicht, woher ich das Geld nehmen soll", erklärt sie. Einen Dispokredit hat die Volksbank Angelika H. nicht eingeräumt.

Brachte die Angeklagte Weihnachten 2007 ihre EC-Karte 'fahrlässig' oder 'vorsätzlich' ohne Kontodeckung in Einsatz? Das ist am Tag der Hauptverhandlung am 3. September 2010 der 'casus knacksus'. Angelika H. sagt: "Ich wusste doch nicht, dass nichts mehr auf dem Konto war." Der Staatsanwalt erklärt: "Kann man glauben, muss man aber nicht." Und die Amtsrichterin hält der Angeklagten vor: "Ich bin nicht verpflichtet, das 50 mal hintereinander zu glauben."

Angelika H. nutzte in zwei weiteren Fällen vor zwei Jahren die EC-Karte trotz ungedeckten Kontos. Die Angeklagte widerspricht: "Das ist doch weit hergeholt und lange her! Die Summen sind in der Zwischenzeit alle beglichen."

"Und die 78 Euro von H & M?!", hält der Staatsanwalt dagegen. Angelika H. gibt klein bei und erklärt widerstrebend: "Das Geld hatte ich bislang nicht." Nach einer kurzen Beratungspause unterbreitet der Staatsanwalt Angelika H. sein 'letztes Angebot': "Sie ziehen Ihren Einspruch zurück und zahlen 500 Euro."

Die Angeklagte fragt: "Ich verstehe nicht. Was würde das bedeuten?" Die Richterin ergänzt: "500 Euro, die man auch abarbeiten kann." Es könnte sehr teuer werden, wenn die uneinsichtige Angeklagte in den Kompromiss nicht einstimme. Denn eine Fahrlässigkeit käme in ihrem Fall nicht in Betracht.

Postwendend lenkt Angelika H. ein: "Okay, ich ziehe den Einspruch zurück. Erklären Sie mir bitte noch einmal ganz langsam, was das bedeutet." Die Richterin führt sichtlich erleichtert die Details des weiteren Procedere aus. Dass der Strafbefehl damit rechtskräftig sei und postalisch zugestellt würde, dass die Summe auch in Raten von 20 Euro monatlich beglichen werden könnte. "Und wenn die 500 Euro bezahlt sind", fügt die vorsitzende Richterin hinzu, "kann nach fünf Jahren auch der Eintrag gelöscht werden."

Angelika H. erwidert: "Na ja, das ist ja ein Angebot." Die Richterin empfiehlt Angelika H. abschließend: "Machen Sie's in Zukunft bar, dann kann da nichts mehr passieren!"

Hennes & Mauritz und seine Hanseatische Inkasso-Treuhand GMBH dürfte das Urteil freuen.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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